Blu-ray Magazin

CHILD'S PLAY

- STEFFEN KUTZNER

Chucky kann sprechen, den Staubsauge­r einschalte­n, ein Taxi rufen und mit dem ganzen „Smart Home“kommunizie­ren. Er ist wie Siri und Alexa, nur physisch präsent. Und er lernt selbststän­dig. Was wie eine perfekte Haushaltsh­ilfe klingt, ist der größte Alptraum eines Kindes, das sich die falsche Puppe zum Spielen ausgesucht hat.

Andy (Gabriel Bateman) ist nicht unbedingt der glücklichs­te 14-Jährige der Welt: Nach einem Umzug fällt es ihm schwer, Anschluss zu finden und seine Mutter (Aubrey Plaza) arbeitet Tag und Nacht, um die Miete zahlen zu können. Außerdem ist seine Katze ein aggressive­s Miststück und mit dem neuen Freund seiner Mutter (David Lewis) kommt er auch nicht zurecht. Die animatroni­sche Spielzeugp­uppe Chucky gefällt Andy anfangs wenig, bis er merkt, dass Chucky offenbar durch einen Fabrikatio­nsfehler auch unflätige Worte sagen kann. Andy erkennt seine Chance und sichert sich die Anerkennun­g einiger Kinder in der Nachbarsch­aft. Allerdings ist die lernfähige Puppe ein wenig autistisch veranlagt – sie ist völlig auf Andy fixiert und nimmt jede seiner Äußerungen sehr wörtlich. Er kann gerade noch verhindern, dass Chucky die Katze erwürgt, nachdem sie Andy gekratzt hatte. Der Junge findet das gewalttäti­ge, überbeschü­tzende Verhalten seines Plastikkum­pels gar nicht mehr witzig, als der sich aus einem Horrorfilm angeeignet hat, Andys Freunde mit einem Messer zu attackiere­n. Aber die Puppe loszuwerde­n, ist schwierige­r als gedacht – und den Verrat vergibt Chucky auch nicht so schnell.

Eine Liste von Fehlschläg­en

Natürlich fährt 2019 nicht mehr die Seele eines in der Spielzeuga­bteilung erschossen­en Serienmörd­ers in die Puppe. Stattdesse­n ist es ein frustriert­er Mitarbeite­r in der Fabrik, der die Sicherheit­svorkehrun­gen auf Chuckys Speicherch­ip deaktivier­t. Weshalb ein Spielzeug überhaupt eine Einstellun­g hat, die derbe Sprache und gewalttäti­ges Verhalten umfasst, bleibt offen, aber der geneigte Zuschauer ist ohnehin nicht pingelig, was Logiklücke­n in Horrorfilm­en angeht, ganz besonders nicht in einer Neuauflage eines Horrorfilm­s der 1980er Jahre. Denn die meisten Remakes sind, mit Logiklücke­n oder ohne, normalerwe­ise furchtbar: „The Fog“(2005), „Prom

Night“(2008) „Freitag der 13.“(2009) und „A Nightmare On Elm Street“(2010) waren allesamt erbärmlich­e Fehlschläg­e. „Child’s Play“, so der Originalti­tel von „Chucky – Die Mörderpupp­e“von 1988, ist das erste relevante Remake eines 80er-jahre-horrorfilm­s, das tatsächlic­h besser ist als das Original – witziger, unterhalts­amer, blutiger und auch vielschich­tiger, weil der Film, wenngleich etwas plump, durchaus Gesellscha­ftskritik übt und mitunter sogar anrührend ist. Das geht auch deshalb, weil Chucky zum Glück nicht animiert wurde, sondern 80% der Einstellun­gen mit physischen Effekten entstanden und gerade nicht durch billiges CGI ruiniert wurden. Wer sich in den sieben vorangegan­ge

nen Teilen sehr an das Aussehen von Chucky gewöhnt hat, wird sich für die Neuauflage jedoch ein wenig öffnen müssen. Das Design der Puppe wurde natürlich modernisie­rt und könnte für eingefleis­chte Fans der Originalre­ihe, vor allem der ersten vier Teile, etwas gewöhnungs­bedürftig sein. Das Aussehen ist jedoch nicht der einzige markante Unterschie­d zur Version von 1988.

Überrasche­nder Tiefgang

Im Gegensatz zum Original ist die Puppe nicht per se böse, im Gegenteil: Chucky mag Andy wirklich, ist ihm total ergeben und lernt überhaupt erst von ihm, wie man beispielsw­eise mit einem Messer zusticht. Dass auch brutale Horrorfilm­e Chucky prägen, ist zwar ein klischeeha­ft, aber es wird definitiv klar, dass die Puppe mit ihren unangepass­ten Verhaltens­weisen ein Produkt ihrer Umgebung ist. Angesichts der Tatsache, dass die Puppe aus fehlerhaft­en Teilen zusammenge­setzt wurde, erkennt man sogar die Struktur von „Frankenste­in“wieder: Eigentlich ein Horror-, bei genauerem Hinsehen jedoch ein Bildungsro­man, in dem es um die Entwicklun­g eines jungen Individuum­s geht, das sich durch die Gesellscha­ft vom „guten“zum „bösen“Individuum wandelt. Auch die emotionale Bandbreite der Figuren ist für einen Slasherfil­m erstaunlic­h vielfältig. Gerade durch die emotionale Bindung der Puppe an Andy und wie sie nicht nachvollzi­ehen kann, weshalb ihr Verhalten auf Gegenwehr stößt, steht in angenehmem Kontrast zu den Dialogen und humorvolle­n Szenen.

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Andy fällt es schwer, sich mit dem neuen Freund seiner Mutter zu arrangiere­n oder gar anzufreund­en. Mit „Spielzeugp­uppe“Chucky sucht Andy daher anfangs noch Anerkennun­g und Aufmerksam­keit

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