CHILD'S PLAY
Chucky kann sprechen, den Staubsauger einschalten, ein Taxi rufen und mit dem ganzen „Smart Home“kommunizieren. Er ist wie Siri und Alexa, nur physisch präsent. Und er lernt selbstständig. Was wie eine perfekte Haushaltshilfe klingt, ist der größte Alptraum eines Kindes, das sich die falsche Puppe zum Spielen ausgesucht hat.
Andy (Gabriel Bateman) ist nicht unbedingt der glücklichste 14-Jährige der Welt: Nach einem Umzug fällt es ihm schwer, Anschluss zu finden und seine Mutter (Aubrey Plaza) arbeitet Tag und Nacht, um die Miete zahlen zu können. Außerdem ist seine Katze ein aggressives Miststück und mit dem neuen Freund seiner Mutter (David Lewis) kommt er auch nicht zurecht. Die animatronische Spielzeugpuppe Chucky gefällt Andy anfangs wenig, bis er merkt, dass Chucky offenbar durch einen Fabrikationsfehler auch unflätige Worte sagen kann. Andy erkennt seine Chance und sichert sich die Anerkennung einiger Kinder in der Nachbarschaft. Allerdings ist die lernfähige Puppe ein wenig autistisch veranlagt – sie ist völlig auf Andy fixiert und nimmt jede seiner Äußerungen sehr wörtlich. Er kann gerade noch verhindern, dass Chucky die Katze erwürgt, nachdem sie Andy gekratzt hatte. Der Junge findet das gewalttätige, überbeschützende Verhalten seines Plastikkumpels gar nicht mehr witzig, als der sich aus einem Horrorfilm angeeignet hat, Andys Freunde mit einem Messer zu attackieren. Aber die Puppe loszuwerden, ist schwieriger als gedacht – und den Verrat vergibt Chucky auch nicht so schnell.
Eine Liste von Fehlschlägen
Natürlich fährt 2019 nicht mehr die Seele eines in der Spielzeugabteilung erschossenen Serienmörders in die Puppe. Stattdessen ist es ein frustrierter Mitarbeiter in der Fabrik, der die Sicherheitsvorkehrungen auf Chuckys Speicherchip deaktiviert. Weshalb ein Spielzeug überhaupt eine Einstellung hat, die derbe Sprache und gewalttätiges Verhalten umfasst, bleibt offen, aber der geneigte Zuschauer ist ohnehin nicht pingelig, was Logiklücken in Horrorfilmen angeht, ganz besonders nicht in einer Neuauflage eines Horrorfilms der 1980er Jahre. Denn die meisten Remakes sind, mit Logiklücken oder ohne, normalerweise furchtbar: „The Fog“(2005), „Prom
Night“(2008) „Freitag der 13.“(2009) und „A Nightmare On Elm Street“(2010) waren allesamt erbärmliche Fehlschläge. „Child’s Play“, so der Originaltitel von „Chucky – Die Mörderpuppe“von 1988, ist das erste relevante Remake eines 80er-jahre-horrorfilms, das tatsächlich besser ist als das Original – witziger, unterhaltsamer, blutiger und auch vielschichtiger, weil der Film, wenngleich etwas plump, durchaus Gesellschaftskritik übt und mitunter sogar anrührend ist. Das geht auch deshalb, weil Chucky zum Glück nicht animiert wurde, sondern 80% der Einstellungen mit physischen Effekten entstanden und gerade nicht durch billiges CGI ruiniert wurden. Wer sich in den sieben vorangegange
nen Teilen sehr an das Aussehen von Chucky gewöhnt hat, wird sich für die Neuauflage jedoch ein wenig öffnen müssen. Das Design der Puppe wurde natürlich modernisiert und könnte für eingefleischte Fans der Originalreihe, vor allem der ersten vier Teile, etwas gewöhnungsbedürftig sein. Das Aussehen ist jedoch nicht der einzige markante Unterschied zur Version von 1988.
Überraschender Tiefgang
Im Gegensatz zum Original ist die Puppe nicht per se böse, im Gegenteil: Chucky mag Andy wirklich, ist ihm total ergeben und lernt überhaupt erst von ihm, wie man beispielsweise mit einem Messer zusticht. Dass auch brutale Horrorfilme Chucky prägen, ist zwar ein klischeehaft, aber es wird definitiv klar, dass die Puppe mit ihren unangepassten Verhaltensweisen ein Produkt ihrer Umgebung ist. Angesichts der Tatsache, dass die Puppe aus fehlerhaften Teilen zusammengesetzt wurde, erkennt man sogar die Struktur von „Frankenstein“wieder: Eigentlich ein Horror-, bei genauerem Hinsehen jedoch ein Bildungsroman, in dem es um die Entwicklung eines jungen Individuums geht, das sich durch die Gesellschaft vom „guten“zum „bösen“Individuum wandelt. Auch die emotionale Bandbreite der Figuren ist für einen Slasherfilm erstaunlich vielfältig. Gerade durch die emotionale Bindung der Puppe an Andy und wie sie nicht nachvollziehen kann, weshalb ihr Verhalten auf Gegenwehr stößt, steht in angenehmem Kontrast zu den Dialogen und humorvollen Szenen.