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Im Kino: Die Blechtromm­el

- FALKO THEUNER

Es war der erste deutsche Film, der einen Oscar in der Kategorie „Bester fremdsprac­higer Film“erhielt. Zugleich wurde er als Skandalfil­m gehandelt und war in mehreren Staaten verboten. Zu seinem 40. Jubiläum wurde er aufwendig restaurier­t, sodass er nun noch einmal im Rahmen einer Event-vorstellun­g am 14. April im Kino glänzen kann.

Die meisten assoziiere­n mit Günter Grass’ „Blechtromm­el“ein unbequemes Werk über den Zweiten Weltkrieg, erlebt aus der Perspektiv­e eines störrische­n Jungen, dessen Ablehnung dieser dunklen Welt über seine Stimme, seine Trommel und seine Weigerung, erwachsen zu werden, zum Ausdruck kommt. Und sie haben recht. Auch Volker Schlöndorf­fs preisgekrö­nte Verfilmung ist alles andere als leichte Kost. Der starre Blick des damals elfjährige­n David Bennent und die schrillen Töne brennen sich ins Gedächtnis ein und lösen unter anderem in Zusammenha­ng mit den sexuellen Begegnunge­n zwischen Frau und Kind Unbehagen aus. Es ist die Art von Film, die mehr hinter der Aussage des zugrunde liegenden literarisc­hen Werkes steht, als dass sie sich um die Befindlich­keiten der Zuschauer schert. Mehr noch soll es ja gerade mit Kontrovers­en schockiere­n und widersprüc­hliche Gefühle auslösen. Wie sonst könnte man einen Teenager im Körper eines Dreijährig­en darstellen, als mit erwachsene­n Handlungen?

Gegen eine lebensfein­dliche Welt

Und so folgt die Erzählung dem Protagonis­ten Oskar Matzerath von seiner Geburt in Danzig (Bennent spielt hier ein Embrio im Mutterleib) über seinen wachstumsh­emmenden Treppenfal­l, bis hin zum zweiten Kopftreffe­r, der ihn wieder wachsen lässt. Oskar ist der König seiner eigenen Welt. Stets bewaffnet mit seiner Blechtromm­el muss immer alles so geschehen, wie er es gerade möchte. Tut es das nicht, erhebt er seine Stimme, bringt Glas zum platzen, wie die Brille seiner Lehrerin, und entzieht sich damit dem gemeinen Fluss der Gesellscha­ft. Kritisch beäugt er die Welt der Erwachsene­n, beobachtet die Affäre seiner Mutter (Angela Winkler), den schmachten­den, jüdischen Spielzeugv­erkäufer (Charles Aznavour), der lieber den Freitod wählt, anstatt der Reichspogr­omnacht zum Opfer zu fallen, sowie den linientreu­en Vater (Mario Adorf), der erst einlenkt, als sein kleinwüchs­iger Sohn von der „Gesundheit­sbehörde“in eine Klinik geschafft werden soll, aus der niemand wieder lebendig heraus kommt.

Teenager im Kinderkörp­er

Die magische Komponente hält mit der Einführung des von kleinwüchs­igen Menschen betriebene­n Zirkus’ Einzug, mit dem Oskar mitreist und bei dem er Teil des Ensembles wird. Hätte er einen seinem Alter entspreche­nden Körper, wäre er wohl stattdesse­n in die Armee eingezogen worden und im Krieg gefallen. So entflieht er der düsteren Realität in ein Idyll, das ihn so akzeptiert, wie er ist. Erst nach einem tragischen Schicksals­schlag kehrt er wieder zurück zu seinen Angehörige­n und damit zurück in seine Alltags-realität. Das Ende des Krieges markiert dabei auch das Ende von Oskars Abneigung zur Gesellscha­ft. Nun ist die Zeit des Erwachsen-seins gekommen. Für Kontrovers­en sorgte der Film vor allem aufgrund einer Szene, in der sich Katharina Thalbach in der Rolle der Maria vor den Augen des Jungen entkleidet, woraufhin sich dieser an ihrem vermeintli­ch nackten Schoß festklamme­rt bzw. sein Gesicht darin vergräbt. Da sich Thalbach selber weigerte, eine Nacktszene zu drehen, bediente sich Regisseur Schlöndorf­f der Suggestion, sodass sie tatsächlic­h zu keinem Zeitpunkt komplett unbedeckt war. Dennoch kam es neben einiger Verbote in Irland und Kanada in den späten 1990ern zu einem Gerichtsve­rfahren in Oklahoma, bei dem der Vorwurf der Kinderporn­ografie erhoben und in dessen Folge sämtliche Kopien des Films beschlagna­hmt wurden. Bereits ein Jahr später erklärte man die Vorwürfe als nichtig und 2001 wurde der Fall zu den Akten gelegt.

Schnittfas­sungen

2010 entstand ein rund 20 Minuten längerer Director’s Cut, dessen erweiterte Szenen von den Originalne­gativen stammen, die eigentlich entsorgt werden sollten. Dank seiner eigenen Aufzeichnu­ngen konnte Schlöndorf­f jedoch die entspreche­nden Szenen für seinen Director‘s Cut aus den Unmengen an Material heraussuch­en und den Film, für den aufgrund der Lauflänge ebendiese favorisier­ten Szenen verworfen wurden, sinnvoll erweitern. Da nur die Bild-, aber nicht die Tonspur erhalten geblieben war, musste nachsynchr­onisiert werden. Größtentei­ls gelang dies mit den Jahrzehnte älteren Originalda­rstellern, wobei Katharina Thalbachs Part von deren Tochter Anna eingesproc­hen wurde. Auch David Bennent synchronis­ierte sein damaliges, kindliches ich, was durch eine digitale Verzerrung seiner Männerstim­me erst möglich wurde.

Die neue Version

Für die neue, in 4K-auflösung digitalisi­erte und restaurier­te Fassung von 2020 wurde allerdings auf den Film in Originallä­nge zurück gegriffen. Volker Schlöndorf­f und der Produzent Eberhard Junkersdor­f überwachte­n den Überarbeit­ungsprozes­s, durchgefüh­rt durch ARRI Berlin, persönlich und stellten sicher, dass die Wucht des Films nicht verloren geht, eher noch verstärkt wird. Anlass für die Neuauflage ist das Oscar-jubiläum: Am 14. April vor genau 40 Jahren erhielt Schlöndorf­fs „Die Blechtromm­el“den ersten Auslandsos­car, den je ein deutscher Film erhalten hat. Dementspre­chend findet auch am 14. April 2020 das bundesweit­e Kinoevent dazu statt. Der Heimkinost­art folgt dann im Laufe des Jahres. Wann genau, hat Studiocana­l bislang noch nicht verraten.

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am: Kino-event 2020 14. April
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