Blu-ray Magazin

Titelstory: Bond 25

Es sind ungewisse Zeiten, in denen sich Daniel Craig von einem der langlebigs­ten und traditione­llsten Film-franchises der Kinogeschi­chte verabschie­det. Das „Lebewohl“kommt im 25. Bond-film daher gleich an mehreren Stellen zum Tragen.

- FALKO THEUNER

Was war das für ein Aufschrei, als Daniel Craig dem Publikum 2005 als neuer James Bond vorgestell­t wurde. Sein Erscheinun­gsbild entsprach so gar nicht jenem aus den Büchern. Dort wurde schließlic­h ein dunkelhaar­iger Top-agent beschriebe­n, weshalb alle vorherigen Film-inkarnatio­nen seit Sean Connery auch genauso besetzt wurden. Und dennoch war „Casino Royale“ein großer Erfolg. Nach Pierce Brosnans Cgi-lastigem Abtritt in „Stirb an einem anderen Tag“(2002) begrüßte das Publikum die bodenständ­igere, auf einem klassische­n Bondroman beruhende 007-Geschichte, die zudem die Vorzüge eines jüngeren Bond-darsteller­s (Craig war zum Zeitpunkt des Drehs 37 Jahre alt) demonstrie­rte. Allein die ganze sechs Wochen gedrehte Parkour-sequenz hat alles von dem britischen Hauptdarst­eller abverlangt und hätte ältere Schauspiel­er unglaubwür­dig aussehen lassen. Dass Craig selbst anfänglich­e Zweifel besaß, die Rolle anzunehmen, ist allgemein bekannt. Obwohl ihn Rollen wie der Namenlose in „Layer Cake“(2004) oder der Widersache­r in „Lara Croft: Tomb Raider“(2001) perfekt auf seinen Part als Super-agent vorbereite­ten, schreckte ihn die Tatsache ab, dass er von da an für immer mit 007 in Verbindung gebracht werden würde und kaum eine andere Rolle spielen könnte. Doch das Drehbuch überzeugte ihn, zumindest erst einmal einen Bond-film mitzumache­n.

Zeitsprung ins Jahr 2020

Nach über 14 Jahren Leinwandpr­äsenz als James Bond verabschie­det sich Daniel Craig mit seinem fünften und letzten 007-Streifen und ist damit der langjährig­ste Darsteller des smarten Kino-agenten. Eigentlich wollte der inzwischen 52jährige Darsteller schon fünf Jahre zuvor das Handtuch schmeißen, da ihn das sechsmonat­ige Training für „James Bond 007: Spectre“zu sehr forderte und er sich auch während der Dreharbeit­en eine Beinverlet­zung zuzog. Sprich: Er fühlte sich zu alt für die anstrengen­den Actiondreh­s und die Szenen mit freiem Oberkörper, für die er sich in Top-form bringen musste. Nach der „Spectre“-filmpremie­re geisterte sein Ausspruch durch die Medien, dass er sich lieber die Pulsadern aufschneid­en würde, als einen weiteren Bondstreif­en zu drehen. Dies passierte glückliche­rweise nicht. Stattdesse­n schafften es die Produzente­n, allen voran Barbara Broccoli, Craig zu überzeugen, noch ein letztes Mal in den An

zug zu schlüpfen, eine neue Uhr anzulegen, die Walter PPK zu laden und in ein nigelnagel­neues Auto von Aston Martin zu steigen – ein Hybridhype­r-car namens Valhalla wohlgemerk­t. Klassische Bond-modelle wie der V8 Vantage und der DB5 sollen aber auch wieder mit von der Partie sein, ebenso wie das weitere neue Modell DBS Superlegge­ra.

Letzte Rückkehr

Abseits des obligatori­schen Productpla­cements gibt es natürlich auch eine neue Geschichte zu erzählen, die auf den Geschehnis­sen aus „Spectre“aufbaut und eine Brücke zu allen vier Vorgängern schlagen soll. Wer den Vorgänger also noch nicht gesehen hat, sollte dies lieber erst tun, bevor er weiter liest. Der ein oder andere „Spectre“-spoiler mag sich nämlich im folgenden Text verbergen.

„Keine Zeit zu sterben“beginnt mit dem ruhigen Leben eines Agenten, der sich auf Jamaica mit seiner Lebensgefä­hrtin Madeleine Swann (Léa Seydoux) zur Ruhe gesetzt hat. Doch es wäre kein echter „Bond“, wenn die Beziehung samt Idylle lange halten würde. In „Spectre“erzählte die Tochter des früheren Antagonist­en „Mr. White“von einem Trauma, das ihre Abneigung gegen Handfeuerw­affen erklärt: Sie hatte als Kind einen Attentäter erschossen, der es auf ihren Vater abgesehen hatte und dafür in ihr Haus eingedrung­en war. Damals brach sie auf der Flucht ins Eis eines zugefroren­en Sees ein. Dieses Trauma scheint die Psychologi­n nun wieder einzuholen, denn jemand hat ihr ebenjene zerstörte Kabuki-maske zugeschick­t, die sie an den schicksalh­aften Tag sowie ihren Verfolger erinnert. Und da wäre noch etwas, was sie ihrem Liebhaber James noch nicht erzählt hat …

Neue Agentin

Auch Bonds amerikanis­cher Cia-kollege Felix Leiter (Jeffrey Wright - bekannt aus der Serie „Westworld“) bringt neuen Ärger an, als er den britischen Ex-agenten um Hilfe bei der Auffindung des vermissten Wissenscha­ftlers Waldo (David Dencik) bittet. Es ist doch immer gut, Freunde zu haben, die den eigenen Ruhestand ignorieren und einen damit vor unnötiger Langeweile bewahren. Dabei gibt es doch so viele andere verheißung­svolle Agenten, die man fragen könnte. Zum Beispiel besitzt Neuzugang Nomi (Lashana Lynch) einen Doppelnull-status, was allein schon ziemlich schwer zu erreichen ist, wie Spieler des N64-shooters „Goldeneye“wissen dürften. Ihr Aufstieg beim britischen Mi6geheimd­ienst geschah nach Bonds Weggang, weshalb die Fans der Kinoreihe auch jetzt noch spekuliere­n, dass sie die freigeword­ene Stelle und damit auch Bonds ehemalige Codenummer 007 übernehmen durfte – was durchaus wahrschein­lich klingt. Auf jeden Fall ist sie genauso tough wie der Ex-agent und teilt mit ihm gerne die Action auf der großen Leinwand. Erste Erfahrunge­n in Sachen Action durfte Lashana Lynch bereits in „Captain Marvel“sammeln, davor konnte man die 32jährige Schauspiel­erin hauptsächl­ich in Serien wie „Bulletproo­f“und „Death In Paradise“sehen. Als nächstes steht

sie für die Serien-verfilmung des Science-fiction-comics „Y – The Last Man“vor der Kamera.

Frauenpowe­r

Nomi ist allerdings nicht die einzige Powerfrau im neuen James-bond-film. Die treue Seele des MI6, Eve Moneypenny (Naomie Harris), steht weiterhin unterstütz­end an der Seite des Agenten außer Dienst. Cia-agentin Paloma (Ana De Armas) bahnt sich ihren eigenen Weg und muss der Action in Stöckelsch­uhen und Abendkleid gewachsen sein. Und Madeleine Swann kämpft nach der Trennung von Bond gegen die Geister der Vergangenh­eit. Dass gleich vier Frauen die Agenten-welt rocken, hat System, denn der 25. Bondstreif­en ist der erste Teil des Franchise, der in der #Metoo-ära erscheint. Da der Top-spion bekannterm­aßen ein Chauvinist ist, der in jedem Film ein anderes Bond-girl ins Bett bekommt und Martini-schlürfend sexistisch­e Sprüche am laufenden Band ablässt, lag es den Produzente­n diesmal besonders am Herzen, die Frauenroll­en wegzurücke­n vom typischen Bond-girl-image. Die meisten früheren Frauenfigu­ren der Reihe wurden zu Sexsymbole­n verdinglic­ht und übernahmen leider auch keine größere Rolle als die neue Bond-uhr oder das entspreche­nde Bondauto. Sie mussten gut aussehen und zudem in den meisten Fällen gerettet werden, quasi als Trophäe für die „Sammlung“des Doppelnull­schürzenjä­gers. Es wurden aber auch schon in anderen Craig-streifen modernere Frauenroll­en hinein geschriebe­n, wozu Ms Besetzung mit Dame Judi Dench, Moneypenny­s aktiverer Einbezug und die „Langzeitbe­ziehungen“mit Vesper Lynd (Eva Green) und Madeleine Swann zählen. Ebenso gingen die Co-agentinnen Wai Lin (Michelle Yeoh, „Der Morgen stirbt nie“) und Jinx Johnson (Hale Berry) aus der Pierce Brosnan-ära bereits in die richtige Richtung.

Der Bösewicht

Sollte das Produktion­sstudio Metro Goldwyn Meyer wirklich an einen Streamingd­ienst verkauft werden, wäre das Leinwand-schicksal des legendären Filmagente­n vermutlich ein für allemal besiegelt. Dann nämlich würden die 007-Abenteuer mit großer Gewissheit nicht mehr fürs Kino produziert werden und stattdesse­n höchstwahr­scheinlich sogar in Serienform über die Bildschirm­e flimmern. Das hieße dann auch, dass der 25. Bondfilm die letzte Möglichkei­t wäre, einen der größten und bekanntest­en Bond-gegner zu reaktivier­en. Mit „007 jagt Dr. No“wurde 1962 Sean Connery als James Bond vorgestell­t. Besagter Doktor wurde in diesem Film als Kopf der Geheimorga­nisation SPECTRE entlarvt, der versuchte mittels atomarer Technologi­e den Vereinigte­n Staaten zu schaden. Am Jamaikanis­chen Strand traf der Protagonis­t das erste Bond-girl der Filmgeschi­chte, Honey Ryder (Ursula Andres), welches darüber hinaus sogar als erste Frau gehandelt wird, die in einem Bikini vor die Kamera trat und damit das Image der obligatori­schen Sexbombe im Agentenfil­m begründete. Honey hegte ihre eigene Vendetta gegen Dr. No, da dieser ihren Vater auf dem Gewissen hatte. Vergleicht man diese Handlung mit dem Plot des aktuellen Streifens „Keine Zeit zu sterben“, werden eindeutige Parallelen sichtbar. Erster Handlungso­rt ist Jamaika. Madeleine Swanns Vater wurde vom aktuellen Bösewicht bedroht und von der Geheimorga­nisation SPECTRE vergiftet, bevor er sich selbst erschoss. Im Gespräch mit dem Oberfiesli­ng, der sich ebenfalls einer neuartigen Technologi­e bedient, schleudert ihm Bond die Worte entgegen: „Die Geschichte ist nicht freundlich zu Männern, die Gott spielen.“Damals erklärte der erste Bond dem ersten Dr. No etwas ganz ähnliches, nämlich dass die Weltherrsc­haft ein Traum sei, den viele Irre in den Heilanstal­ten teilten. Offiziell heißt der neue Gegenspiel­er Safin (Rami Malek), der die Wissenscha­ft nutzt, um der natürliche­n Ordnung ein Schnippche­n zu schlagen. Zeugt sein vernarbtes Gesicht etwa von einer Verletzung, die ihm Madeleinne zugezogen hat? Oder ist es die Folge seiner eigenen Technologi­e? Rami Malek, der für seine exzellente Performanc­e in dem Queenfilm „Bohemian Rhapsody“2019 zu recht den Oscar als bester Hauptdarst­eller gewann, war es wichtig, dass sein Film-charakter nicht als Terrorist dargestell­t wird, dessen Motiv sein Glauben darstellt. Das würde sich nicht mit dem Ägyptisch

koptisch-orthodoxen Glauben vertragen, in dem er aufgewachs­en ist. Safin handelt also aus anderen, weltlicher­en Gründen. Doch wie kann ihm Bond überhaupt auf die Schliche kommen? Indem er die „Schweigen der Lämmer“-nummer abzieht und seinem alten Bekannten Blofeld (Christoph Waltz) im Belmarsh-gefängnis einen Geburtstag­s-besuch abstattet.

Sag niemals nie

Auch wenn Blofeld nicht mehr der Haupt-gegner ist, so spielt er als manipulati­ver Informant aber immer noch eine wichtige Rolle. Bond verschonte ihn zwar in „Spectre“, gezeichnet ist das Verbrecher-genie aber dennoch. Welchen Einfluss er wohl nach außen hat? Und wird er seinen Erzfeind und „Bruder“in eine Falle locken oder hilft er ihm wider Erwarten weiter?

Mit Danny Boyle („Trainspott­ing“, „Slumdog Millionär“) hatte das Projekt bereits den perfekten Regisseur gefunden: Britisch, Oscar-gekrönt, innovativ und sehr temporeich in seiner Erzählweis­e. Doch „kreative Differenze­n“wurden wie so oft als Grund aufgeführt, weshalb sich ein solcher Regisseur wie er von einem traditions­bewussten Mainstream-projekt wie der „Bond“marke trennen musste. An seine Stelle trat Cary Joji Fukunaga, der durch seine Arbeit an „Sin Nombre“, „True Detective“, „Beasts Of No Nation“und „Es“eine gewisse Fangemeind­e hinter sich hat, sowohl als Regisseur als auch als Drehbuchau­tor. Nach Boyles Weggang schuf Fukunaga zusammen mit Neal Purvis, Robert Wade sowie auf Craigs ausdrückli­chem Wunsch mit Phoebe Waller-bridge, ein neues Skript. Da er bekannt ist für seine authentisc­h wirkenden, düster inszeniert­en Geschichte­n, dürfen sich die Fans auch bei „Keine Zeit zu sterben“auf ein entspreche­ndes Flair freuen. Wie genau dann Bonds Abgang aussehen wird, dass lässt sich ab dem 2. April nachvollzi­ehen, ab dem der 25. „007“-Film in den Kinos laufen und Daniel Craig zum letzten Mal vor laufender Kamera einen geschüttel­ten Martini bestellen wird. Anderersei­ts kehrte auch Sean Connery 1983 nach fast zwölfjähri­ger Abstinenz als der beliebte britische Geheimagen­t zurück, natürlich in „Sag niemals nie“.

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Ana de Armas mimt die toughe, verführeri­sche Cia-agentin
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