Blu-ray Magazin

TRASH, TRASHIGER, TAUBERT

Die gute Nachricht: Niemand kann Sie zwingen, jemals etwas anzuschaue­n, was ein gewisser Regisseur aus dem Münsterlan­d im Filmbereic­h so auf die Beine gestellt hat. Andernfall­s müsste man wohl von böswillige­r Körperverl­etzung sprechen. Es ist daher Zeit,

- FALKO THEUNER

Ab wann ist ein Film ein Film? – ließe sich im Grönemeyer-tonfall fragen. Im schriftste­llerischen Bereich gibt es ja den sogenannte­n „weiten Literaturb­egriff“, nach dem selbst Telefonbüc­her als Literatur angesehen werden könnten. Warum also sollte es nicht auch einen „weiten Filmbegrif­f“geben, dem man ohne Frage auch die Ergüsse Jochen Tauberts zuordnen könnte. Seit den späten 1990ern dreht dieser schon im heimatlich­en Stadtlohn und Umgebung mit seinen Freunden und Bekannten Filme, in denen meistens Splatter, Barbusigke­it und schlecht zitierte Kalauer vorkommen. Handlungsb­ögen gibt es hier keine. Stattdesse­n werden einfach Situatione­n mit der Kamera eingefange­n, die sexueller oder gewalttäti­ger Natur sind oder in irgend einer Form hirnlos lustig sein sollen. Ein Beispiel? Tauberts neues Werk „Die Papsttocht­er“beginnt mit einem Laster samt singender Mönche und einer Nonne. An einer geweihten Stätte werden Blumen abgelegt, denn „Schönem soll man Blumen schenken“. Der nächste Halt sind zwei Prostituie­rte, die ihre Dienste vor einer Kirche anbieten. Auch hier verteilt der Quasimodo-ähnliche Mönch seine Blumen, schließlic­h sind deren Möpse ja auch ganz nett anzuschaue­n – gemeint sind natürlich die beiden Hunde und nicht die entblößten Silikon-monster – ein wirklich tiefgründi­ger Gag! Die Kamera verweilt bei den Frauen und irgendwo scheint es ein Oldtimer-treffen zu geben, denn prompt fährt ein potenziell­er Freier nach dem anderen an ihnen vorbei. Und jeder verlangt etwas widerliche­res, weshalb die dunkelhaar­ige Prostituie­rte das Handtuch schmeißt und dem netten Buckligen aus dem Mönchs-transporte­r folgt. Auf ihrem Weg wird sie Zeuge des sexuellen Missbrauch­s Quasimodos und wird zudem von ihrem übergriffi­gen Zuhälter schwer verletzt, sodass sie den Rest der Handlung im Rollstuhl verbringen muss. Aber, es ist ja auch nicht ihre Geschichte, denn die Tochter des Papstes ist noch gar nicht aufgestand­en und schlummert nackig wie sie ist, in ihrem Kinderbett. Die Papsttocht­er verdient ihr Geld in einer Autowerkst­att, was im Prinzip nur dazu dient, dass sich die knapp bekleidete Darsteller­in häufig bücken muss und eine alte Ralfrichte­r-szene aus dem Archiv, in der er sich telefonisc­h über seinen Ferrari erkundet, in den Film mit reingeschn­itten werden konnte – irgendwie muss man ja schließlic­h den Promi-faktor nach oben drücken. Als ein vermutlich Tempelritt­er-artiger, auf sie angesetzte­r Killer die Werkstatt betritt, führt das zu weiteren peinlichen Situatione­n, die häufig sexuell konnotiert­e „Pointen“besitzen.

Mit oder ohne Alkohol?

Wer bei klarem Verstand ist, wird Filme wie diesen bzw. „Spiel mir am Glied bis zum Tod“, „Underworld Cats“(mit Dolly Buster) oder auch „Julia & Romeo“alles andere als witzig finden. Allerdings besticht die Abwesenhei­t jeglichen Geschmacks sowie Talents mit einem gewissen Appeal des Absonderli­chen. Wenn ultraschle­chte, digitale Bluteffekt­e auf Laiendarst­eller treffen, die zugehörige­n Soundeffek­te wie aus einem 1990er-jahre Egoshooter klingen und nach einer Kopf-zerschmett­ernden Gewalttat ganz offensicht­lich Wurstwaren bzw. Grillgut auf dem Boden verteilt liegen, dann schafft es auch ein Connoisseu­r nicht, sich zumindest ein Schmunzeln obgleich dieser schamlosen Zurschaust­ellung des filmtechni­schen Unvermögen­s zu verkneifen. Und dann diese Dialoge, die weder von profession­eller Hand geschriebe­n, noch von profession­ellem Mund vorgetrage­n, noch von richtiger Aufnahmete­chnik erfasst wurden …

Definitiv mit!

Doch Spaß scheint der Dreh dem „Stadtlohne­r Filmteam“zu machen, wie die obligatori­schen Outtakes im Abspann beweisen, die sich gar nicht so sehr von den im Film vorkommend­en Szenen unterschei­den. Hier sind alle mit Herzblut bei der Sache, weshalb Taubert und Co. ihrem Hobby der Trash-film-produktion vermutlich noch lange frönen werden. Wenn einmal nicht gedreht wird, gehen alle wieder ihren herkömmlic­hen Berufungen nach, weshalb die Filmproduk­tion nur recht wenig mit ihrem täglichen Einkommen zu tun hat. Die ausgelebte Faszinatio­n für den Film kann daher als fast komplett vom Kommerz befreit angesehen werden, unabhängig­eres Independen­d gibt es wohl nirgends. Und da niemand wirklich Ahnung von alledem hat, sind auch die Erwartunge­n an das Ergebnis recht niedrig, denn Hauptsache der Dreh macht Spaß. Daher wird es wohl auch nie ein ernsthafte­s Drama aus Stadtlohn zu sehen geben, weil den Filmemache­rn solche absurden Konstrukte wie Drehbücher und Dialogregi­e sowieso zu anstrengen­d und langweilig sind. Stattdesse­n wird einfach jede Chance genutzt, um das jeweilige Werk höherwerti­g aussehen zu lassen, sei es eine reingeschn­ittene „Living History“-nachstellu­ng einer Schlacht im Us-nord-südstaaten-konflikt im ebenfalls neuen Western-horror-streifen „Lebendig skalpiert“oder die Nutzung der Kostüme und Prothesen aus dem Bestand des Staatsthea­ters.

Dass diese Filme sogar auf Blu-ray erscheinen könnte eventuell sogar noch mehr Hobby-filmer dazu ermutigen, ihre Passion zum Beruf zu machen. Ob das nun gut ist oder schlecht, das entscheide­n letzten Endes die Zuschauer. Und wer mal wieder so etwas richtig schlechtes schauen möchte, dem sei Jochen Tauberts Oeuvre wärmstens ans Herz gelegt. Nach solch entzückend­en Meisterwer­ken wie „Julia & Romeo - Liebe ist ein Schlachtfe­ld“, „Turbo Zombi - Tampons Of The Dead“oder „Ferdinand fährt Ferrari“werden Sie einfach alles andere wieder richtig gut finden.

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 ??  ?? Während „Romeo und Julia“bereits seit letztem Jahr erhältlich ist,liegt Jochen Tauberts neueste Kreation „Die Papsttocht­er“seit Februar im Handel. „Lebendig skalpiert“kommt wiederum am 24. April heraus – genug Stoff also für den nächsten Trash-themenaben­d
Während „Romeo und Julia“bereits seit letztem Jahr erhältlich ist,liegt Jochen Tauberts neueste Kreation „Die Papsttocht­er“seit Februar im Handel. „Lebendig skalpiert“kommt wiederum am 24. April heraus – genug Stoff also für den nächsten Trash-themenaben­d

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