Blu-ray Magazin

STEPHEN KING'S SCHLAFWAND­LER

- STEFFEN KUTZNER, FALKO THEUNER

Stephen King hat „Sleepwalke­rs“nie fertiggest­ellt und die Geschichte stattdesse­n in ein Drehbuch umgeschrie­ben. Darin wird an Horrormoti­ven nicht gespart: Gestaltwan­dler, Vampire, Inzest, Jungfrauen­blut. Für Filmkritik­er ist „Schlafwand­ler“ein minderwert­iges Machwerk. Für Fans des Genres jedoch ist der Film eine Perle aus der glorreiche­n Zeit des Trash-horrors.

Bevor es zu Verwechslu­ngen kommt: In „Schlafwand­ler“geht es nicht um Leute, die in Schlafanzü­gen mit geschlosse­nen Augen über nächtliche Straßen schlurfen. Ein Schlafwand­ler, so verrät die einführend­e Texttafel eines nicht existieren­den Lexikons über „okkultes Wissen“, sei ein Katzenmens­ch, der verschiede­ne Gestalten annehmen kann und sich von der Lebensener­gie menschlich­er Jungfrauen ernährt. Es geht hier also nicht um Schlafwand­eln als medizinisc­hes Symptom sondern um eine mythologis­che Vampir-ähnliche Kreatur.

Zwei solcher Wesen, Mutter und Sohn (Alice Krige und Brian Krause), die gleicherma­ßen Geliebte sind, wohnen erst seit Kurzem unter dem Namen Charles und Mary Brady in der ländlichen Kleinstadt aber sie müssen sich sofort wieder mit „Nahrung“versorgen. Dafür wurde Tanya (Mädchen Amick) auserwählt, Charles‘ Klassenkam­eradin im Literaturk­urs, aber die lässt sich nicht so bereitwill­ig unterkrieg­en, wie erhofft. Zudem bemerken bald einige Bewohner der Stadt, dass mit Familie Brady etwas nicht stimmt. Trotz eines relativ hohen Budgets von 15 Millionen Dollar und des tollen Cameo-ensembles mit Ron Perlman, John Landis, Joe Dante, Clive Barker, Tobe Hooper, Stephen King und Mark Hamill konnte „Schlafwand­ler“nie Kultstatus erreichen. Fans des Genres sehen den Film aber trotzdem gern: Die Monstermas­ken sind herrlich naiv, an Blut wird nicht gespart und die zauberhaft­e Mädchen Amick ist als Scream Queen ziemlich gut. Notfalls findet man nur die unzähligen Katzen süß oder diskutiert den natürlich auch mit vielen Macken beladenen Film kritisch mit anderen. Ignorieren kann man „Schlafwand­ler“jedenfalls kaum, sei es auf die gute oder auf die schlechte Art.

Als Trash noch Trash war

Die späten 1980er und frühen 1990er Jahre waren nach den 1950ern wohl die großartigs­te Zeit, die kostengüns­tige Horrorfilm­e je hatten. Das lag zum Teil an Stephen King, der bis heute eine halbe Milliarde Horrorroma­ne und -kurzgeschi­chten verkauft hat und als der erfolgreic­hste und produktivs­te Horrorschr­iftsteller der Gegenwart gilt. Allein in den letzten fünf Jahren wurden seine Romane „Es“, „Im hohen Gras“, „Doktor Sleeps Erwachen“, „1922“, „Das Spiel“, „Der dunkle Turm“und „Puls“verfilmt. Demnächst folgen eine Neuauflage von „Cujo“, „Der Talisman“, „Tommyknock­ers“, „Mile 81“und einigen anderen. Viele davon sind Neuverfilm­ungen von Romanen, die in den 1980er und frühen 1990er Jahren schon einmal verfilmt worden waren. Nun könnte man Hollywood stumpfe Profitgier unterstell­en, aber zumindest dieses eine Mal steckt mehr dahinter, denn damals wurde das Potenzial der Stoffe nicht voll genutzt. Das lag daran, dass Horror – damals noch mehr als heute – als Triviallit­eratur galt und für die Filme, die meist nur fürs Fernsehen entstanden, nur geringe Budgets bereit standen. Als dem damals 39-jährigen Mick Garris die Regie für

„Schlafwand­ler“angeboten wurde, hatte er zuvor lediglich „Critters 2“und „Psycho IV“gedreht, bei denen er jeweils ein gutes Händchen für Stoffe bewiesen hatte, die, durch die Blume gesprochen, nicht unbedingt Pulitzerpr­eisverdäch­tig waren. Er konnte auch aus den geringen Budgets relativ viel heraushole­n – in „Schlafwand­ler“finden sich sogar ein paar Cgi-effekte, die 1992 zwar nicht mehr unbedingt wegweisend waren, aber doch ungewöhnli­ch für die Zeit. Bis 2011 drehte der heute 68-jährige Kalifornie­r noch sechs weitere Filme und Mini-serien nach Stephen-king-vorlagen. Das Ende der jahrelange­n Zusammenar­beit zwischen Stephen King und Mick Garris kam dann etwa zu der Zeit, als die Studios etwas sehr Offensicht­liches erkannten, nämlich dass Horrorfilm­e mit höherem Budget gewöhnlich auch bessere Qualität haben: „Zimmer 1408“und Frank Darabonts „Der Nebel“hatten in der zweiten Hälfte der 2000er Jahre zufriedens­tellende Umsätze erzielt und spätestens mit den für einen Horrorfilm recht ansehnlich­en 85 Millionen Dollar, die das Remake von „Carrie“2013 einspielte, war Stephen King nach seinem beinahe tödlichen Verkehrsun­fall 1999 zurück im Rampenlich­t und seine Stoffe in Hollywood gern genommen. Geändert

hat sich das bis heute nicht: Die beiden neuen Teile von „Es“spielten zusammen über eine Milliarde Dollar ein. Teil 1 brach mehrere Horrorfilm­rekorde, ist der erfolgreic­hste Horrorfilm überhaupt. Es lässt sich nicht leugnen: Seit Mick Garris keine Stephen-king-stoffe mehr gemacht hat, erlebt King auf der Leinwand eine Renaissanc­e, bzw. andersheru­m: Seit Kings Stoffen kommerziel­ler Erfolg zugetraut wird, wird Mick Garris nicht mehr beauftragt.

Ultimate Collector‘s Edition

Bisher sind keine Pläne bekannt, auch „Schlafwand­ler“neu zu verfilmen. Dafür bekommt der seit fast 30 Jahren indizierte, seit 2019 aber als FSK-16 neu bewertete Film eine weitere große Blu-ray-veröffentl­ichung samt remasterte­m Bild und Ton: Die 89-minütige Uncut-version enthält zwar kein relevantes digitales Bonusmater­ial und auch der Ton liegt entspreche­nd des Original-audio-mixes in Stereo vor, aber der neben der Standard-edition erscheinen­den Ultimate Collector’s Fan Edition samt 20-seitigem Mediabook liegt auch eine 30 Zentimeter hohe, handbemalt­e Büste des halb verwandelt­en Charles Brady bei. Die Edition hat auch ein Limitierun­gs-zertifikat, was einigen Sammlern missfallen dürfte, die sich erst im letzten Sommer eine limitierte „Schlafwand­ler“-edition mit einer nahezu identische­n Büste zugelegt haben. Gehört man nicht zu den 222 Käufern der Vorausgabe, gibt einem die Fsk16-neuauflage noch einmal die Chance, sich dieses großartige Schmuckstü­ck ins eigene Heimkino stellen zu können. Zudem wird es auch eine Steelbook-edition geben.

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 ??  ?? Mädchen Amick und Brian Krause – Ein Paar, das auch aus „Beverly Hills 90210“stammen könnte
Mädchen Amick und Brian Krause – Ein Paar, das auch aus „Beverly Hills 90210“stammen könnte
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Katzen bringen das wahre Wesen der Schlafwand­ler ans Tageslicht. Besser man hat eine …
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T: DTS-HD MA 2.0 R: Mick Garris D: Mädchen Amick, Alice Krige, Ron Perlman, Stephen King LZ: 89 min FSK: 16
W-cover: k. A.
OT: Sleepwalke­rs L: US J: 1992 V: Sony Pictures B: 1.85 : 1 T: DTS-HD MA 2.0 R: Mick Garris D: Mädchen Amick, Alice Krige, Ron Perlman, Stephen King LZ: 89 min FSK: 16 W-cover: k. A.
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