Slasher Solstice
In der dritten Staffel der kanadischen „Slasher“serie dreht sich alles um die Anteilslosigkeit in der realen Welt, die der extremen Emotionalität im Web 2.0 gegenübergestellt wird. Als ein exzessiver Party-gänger im Prolog von einem maskierten Messerstecher verfolgt wird, klopft er an mehrere Türen seines Wohnhauses, schreit und fleht um Hilfe. Alle bekommen es mit, doch niemand lässt das Opfer rein bzw. ruft die Polizei. Erst als die Leiche in einer Blutpfütze vor dem Haus liegt, wimmelt es von Schaulustigen, die den frischen Tatort mit ihren Handys fotografieren bzw. filmen. Ein Jahr später wird der Familienvater Frank Dixon (Paulino Nunes), wohnhaft im gleichen Appartment-haus, am helllichten Tag und auf offener Straße von einem Maskierten mit einer Axt enthauptet. Der Mörder benötigt mehrere Schläge und nimmt sich die Zeit, um den Kopf auf dem Kühler und den Körper im Auto zu platzieren. Wieder hilft niemand, wieder wird die schreckliche
Szene im Nachhinein fotografiert und genutzt, um in den sozialen Netzwerken möglichst großen Erfolg zu erzielen. Franks Kopf auf der Motorhaube geht viral und ist der Hit in der Schule seiner Tochter Erica (Romy Weltman), die dadurch für den Rest ihres Lebens von diesem Trauma gezeichnet wird.
Ihre Mitschüler reagieren auf die Tat mit Hass und suchen sich in der muslimischen Saadia (Baraka Rahmani) einen Sündenbock, auf den sie eine „Krieg dem Terror“-hexenjagd veranstalten können.
Derweil fahnden Detective Roberta Hanson (Lisa Berry) und Detective Pujit Singh (Ishan Davé) nach dem maskierten Serienkiller, der offenbar ausschließlich die Bewohner des Hauskomplexes im Visier hat. Bewegt er sich gar unter Ihnen?
Social-media-horror
Verdächtig benehmen sich im Prinzip alle. Fast jeder von ihnen hat mindestens eine Leiche im Keller und benimmt sich auf seine Art unsozial. Neben dem Vorzeige-neonazi Dan (Dean Mcdermott), den niemand leiden kann, gibt es da noch seine Tochter Cassidy (Genevieve Degraves), die eine sehr aktive Tinder-nutzerin ist. Während Joe (Ilan Muallem) unter dem Deckmantel einer Hetero-ehe mit seinem Nachbarn Angel (Salvatore Antonio) schläft, ist seiner Frau Violet (Paula Brancati) jedes Mittel recht, um mehr Follower für ihre Social-media-auftritte zu gewinnen. Amy Chao wiederum hat sich als Spieletesterin komplett von der Realität verabschiedet und ist nur selten von ihrem Handy oder Vr-headset zu trennen. Ihr Freund Xander (Jim Watson) baut sich einen eigenen Trendladen auf. Ein Café mit kalt gebrautem, fair gehandeltem Bio-kaffee und horrenden Preisen. Daran ist natürlich nichts moralisch Verwerfliches. Jedoch fehlt es dem Geschäftsmann an Empathie, weshalb er seine Kundschaft sehr ruppig behandelt und auch sonst den ignoranten, egoistischen Miesepeter heraushängen lässt. Und so weiter. Einziger Lichtblick scheint die Teenagerin Saadia zu sein, die sich nichts zu schulden kommen lassen hat und deren Eltern für ein paar Tage verreist sind. Oder ist auch das nur Fassade? Die Zuschauer können also munter Rätselraten, wer nun der Mörder sein könnte, während die
Serie so einige falsche Fährten legt und es den Hobby-detektiven alles andere als leicht macht. Zudem sollte das Publikum möglichst unempfindliche Magen besitzen, denn gesplattert wird oft und explizit. Das war auch schon in den Vorstaffeln der Anthologie-serie so und wird auch hier auf die Fsk-18-spitze getrieben.
Wie bei einer hermeneutischen Spirale springt die Handlung vom roten Faden der Gegenwart zu einzelnen Charakter-details, die meist in der nahen oder ferneren Vergangenheit liegen, und wieder zurück. Diese Zeitsprünge werfen immer wieder neue Aspekte sowie Erkenntnisse auf, die das zuvor Gesehene in ein anderes Licht rücken, weitere Verdächtigungen zu Tage fördern und zwischen all diesen Fakten sogar die Wahrheit hinter den Morden zeigen, ohne, dass es die meisten Zuschauer vor der Auflösung erkennen werden.