Run – Du kannst ihr nicht entkommen
Die 17-jährige Chloe Sherman (Kiera Allen) hätte es sicher besser im Leben treffen können. An einen Rollstuhl gefesselt und mit zahlreichen weiteren körperlichen Gebrechen gestraft, besteht ihr Alltag aus einer Routine lebensnotwendiger Tabletten und Rituale. Eine Schule hat sie noch nie von innen gesehen und über Freunde wird auch kein Wort verloren. Stattdessen übernimmt ihre alleinerziehende Mutter Diane (Sarah Paulson) ihre Ausbildung von Zuhause aus. All das hat Chloe jedoch bisher nicht aus der Bahn geworfen, sondern zu einem wissbegierigen, starken Charakter geformt, der voller Freude seiner normalen Zeit am College entgegenfiebert. Wenn nur endlich die Antworten auf ihre Bewerbungen eintreffen würden! Jede Ankunft des Postboten versetzt sie in Aufruhr und jedes Mal scheint ihre Mutter Diane um eine Sekunde schneller die Sendungen entgegen genommen zu haben, natürlich ohne Collegebriefe. Aufopferungsvoll kümmert sich Diane um ihre Tochter und stellt die eigenen Bedürfnisse mit einem Lächeln hinten an. Ein unerschütterliches Vertrauen umspinnt das Mutter-tochter-duo auf eine fast schon beengende Weise. Zumindest bis Chloe ein Medikament aus den Einkaufstüten fischt, dass ihrer Mutter verschrieben wurde, aber ihr verabreicht werden soll. Gleiches Medikament wie immer, aber andere Verpackung? Die Antwort scheint Chloe nicht zu reichen. Das sonst so starke Beziehungsgeflecht gerät langsam, aber sicher aus den Fugen. Was sind das für Pillen? Wo bleiben die Briefe? Und an wen soll sich die isolierte Teenagerin wenden, wenn ihre einzige Bezugsperson diejenige ist, deren Verhalten ihr mehr und mehr Fragen aufgibt?
Stay – Du darfst nicht bleiben
Schon in seinem Filmdebüt „Searching“von 2018 fühlte der indisch-amerikanische Filmregisseur Aneesh Chaganty dem zarten Eltern-kind-geflecht ganz genau auf den Zahn. In dem Thriller ist ein alleinerziehender Vater auf der verzweifelten Suche nach seiner verschwundenen Tochter, die ihm im Verlauf immer fremder erscheint. Ähnlich wie bei „Searching“zeigt Regisseur Chaganty auch in „Run“ein Kammerspiel um die Beziehung zwischen einem alleinerziehenden Elternteil und dessen Kind. Ein Schauspiel, welches vor allem durch die zwei Akteurinnen zum Genuss wird. Dabei stehen sich die darstellerischen Leistungen der beiden Hauptcharaktere in nichts nach. Sarah Paulson („American Horror Story“, „Ratched“) beweist einmal mehr ihre Bandbreite an Können, ohne dabei je unglaubwürdig oder überdreht zu wirken. Ebenso ihre junge Kollegin Kiera Allen, die mit diesem Thriller ihr Debüt gibt und auch im wahren Leben im Rollstuhl sitzt, was die körperlich anstrengenden Szenen im Film noch kraftvoller wirken lässt. Tatsächlich beginnt dieser minimalistische Psychothriller harmlos und doch wird bewusst, dass das traute Heim ein goldener Käfig für die 17-Jährige ist, die sich komplett auf ihre Mutter verlassen muss. Das Leben findet fast ausschließlich im abgelegenen Haus auf dem Land statt. Dabei scheint die Türschwelle wortwörtlich als nur schwer überwindbares Hindernis, um den Armen ihrer Mutter zu entkommen. Eine Ahnung schwingt von Anfang an mit und macht so manche Handlung vorhersehbar, aber nicht minder spannend. Sind es wirklich die neuen Tabletten, die Chloe etwas konfus denken lassen? Oder steckt hinter ihrem Verdacht wirklich mehr, als ihre Mutter Diane zugeben will? „Run“zeigt sich in warmen Bildern für die Inneneinstellungen sowie kühlen Farben im Außenbereich und lässt so bereits zwei Welten entstehen, die für Chloe nebeneinander existieren. Zudem kann interessanterweise im Menü zwischen zwei deutschen Dts-hd-ma-tonspuren gewählt werden, bei der Option zwei „Dynamik reduziert“ist, für alle, die über Tv-lautsprecher hören. Als Bonus liefert die Blu-ray Interviews mit Cast und Crew, leider nur in englischer Sprache, sowie eine B-roll.