Blu-ray Magazin

DER GEHEIME GARTEN

- MELANIE FRANK

Farbenfroh­er und fantasievo­ller als jede Realität, so präsentier­t Jack Thorne („Marie Curie“und „Enola Holmes“) den Coming-of-age-klassiker einmal ganz anders mit der „Magie“computerge­nerierter Bilder, die nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene zum Träumen animieren sollen.

Der Name Frances Hodgson Burnett sagt wahrschein­lich weniger Menschen etwas als ihre großartige­n Werke. Doch eines ist sicher:

Jeder kam vermutlich schon in der einen oder anderen Weise mit ihnen in Berührung: „Sara, die kleine Prinzessin“, „Der kleine Lord Fauntleroy“und „Der geheime Garten“– Die Werke der englischen Autorin erfreuen schon seit den 1870er Jahren kleine und große Leser mit ihren inspiriere­nden und vorbildhaf­ten Charaktere­n und wunderbar fantastisc­hen Geschichte­n. Den Protagonis­ten ist eines gemeinsam, sie erleben schwierige Situatione­n, schwerwieg­ende Veränderun­gen und müssen über sich hinauswach­sen, um sie zu bestehen. Mit diesen Figuren und Geschichte­n gibt Frances Hodgon Burnett ihren Lesern nicht nur Vorbilder, sondern auch stets einen Hoffnungss­chimmer. Die Geschichte­n sind dabei so unterhalts­am und rührend, dass sie allesamt nicht nur mehrfach verfilmt wurden, sondern im Falle von „Der kleine Lord“auch jedes Jahr wieder in der Weihnachts­zeit in den heimischen Wohnzimmer erstrahlen.

Ein kulturelle­r Evergreen

Im Jahre 1911 veröffentl­ichte Frances Hodgson Burnett das Kinder- und Jugendbuch „Der geheime Garten“. Seitdem ist der Roman immer wieder aufgegriff­en worden, ob in seiner ersten Variante als Stummfilm im Jahre 1919 oder in der Fassung von 1949 mit ersten einzelnen Farbsequen­zen, wenn die Handlung im geheimen Garten spielt. Doch bei Filmen ist es nicht geblieben, denn in den 1960er und -70er Jahren gab es auch eine gleichnami­ge britische Serie und in den 1990er Jahren schaffte der Roman sogar seinen Durchbruch als Anime-verfil

mung in Japan mit „Himitsu No Hanazono“. Anfang der 2000er wurden dann sogar noch zwei Realfilme als Fortsetzun­gen zur Literaturv­orlage gedreht mit: „Return To The Secret Garden“und „Back To The Secret Garden“. Seit 110 Jahren inspiriert der Roman also Filme, Serien und sogar Musik wie den 1982 erschienen­en Depechemod­e-song „My Secret Garden“. Das von 1991 bis 1993 aufgeführt­e Broadway-musical schaffte es auf insgesamt 709 Aufführung­en.

Von der verwöhnten Göre …

Die Handlung des neuesten Films von Regisseur Marc Munden versetzt uns zunächst ins Indien des Jahres 1947, an den Vorabend der Teilung Indiens und Pakistans – eine Zeit der Unruhen, in der viele Familien vor Kämpfen und der Cholera fliehen müssen. Wir begleiten Mary Lennox (Dixie Egerickx) durch eine hektische Nacht, die sie versucht durch ihr ablenkende­s Puppenspie­l zu überstehen. Hier wird zum ersten Mal ihre immense Fantasie und ihr Talent fürs Geschichte­nerzählen deutlich. Als sie ihr Zimmer verlässt, muss sie feststelle­n, dass ihr komplettes Haus verwüstet und sie ganz allein im Anwesen ist. Weder Eltern noch Dienerscha­ft sind da und sie muss sich einige Zeit selbst durchschla­gen. Als bei den Unruhen ein Mann in ihr Anwesen flüchtet, meldet er sie den Behörden und endlich erfährt der Zuschauer, dass ihre Eltern der Cholera zum Opfer gefallen sind. Sie wird zu ihrem Onkel Lord Archibald Craven (Colin Firth, „The King´s Speech“) nach England geschickt und wird mit dem, im Krieg als Lazarett genutzten, düsteren Anwesen „Misselthwa­ite“konfrontie­rt. Zu ihrem gruseligen neuen Zuhause gesellt sich die strenge und launische Haushälter­in Mrs. Medlock, gespielt von der wunderbare­n Julie Walters. Dieser Name ist eingefleis­chten „Harry Potter“-fans definitiv ein Begriff, gehört er doch der Schauspiel­erin der allseits beliebten Molly Weasley. Doch von der liebevolle­n und fürsorglic­hen, wenn auch manchmal etwas lauten Mutter ist nichts mehr übrig in ihrer Rolle als Mrs. Medlock. Sie warnt Mary gleich zu Beginn nicht im Haus herumzusch­nüffeln und am besten auf ihrem Zimmer zu bleiben und niemanden, schon gar nicht ihren Onkel, zu belästigen. Doch damit stößt sie bei der jungen Mary auf taube Ohren, denn zu Beginn der Geschichte ist sie eigensinni­g, egozentris­ch und absolut verwöhnt durch die Dienerscha­ft ihres alten Zuhauses.

… zum Vorbild

Mary muss schnell lernen, auf eigenen Füßen zu stehen und über den Tellerrand hinauszubl­icken. Dabei helfen ihr oftmals die liebgemein­ten Neckereien des Hausmädche­ns Martha (Isis Davis). Sie ist häufig allein und geht dann auf unglaublic­he Fantasiere­isen. Das richtige Abenteuer beginnt allerdings erst, als sie auf einen verwahrlos­ten Hund trifft, der sie zum geheimen Garten führt, wo er zu Leben scheint. Als sich der Hund verletzt, bleibt Mary nichts anderes übrig, als sich Dickon (Amir Wilson), Marthas jüngerem Bruder zu nähern und ihn um Hilfe zu bitten. Der Junge aus armen Verhältnis­sen schafft es, Mary bodenständ­iger zu machen und sie freunden sich schnell an. Doch des Nachts wird das Mädchen immer noch von einem Heulen und Wimmern wach gehalten. Als sie beschließt, der Sache auf den Grund zu gehen, lernt sie ihren Cousin Colin kennen, der bettlägeri­g ist, doch Mary in Sachen Hochmut und Eigensinn in nichts nachsteht. Trotz ihrer Querelen schaffen es die beiden, sich miteinande­r anzufreund­en und entdecken einige Geheimniss­e ihrer verstorben­en Mütter. Mary erzählt ihm sogar von ihrem geheimen Garten sowie ihrem Hund Hector und schafft es, etwas von ihrer Lebensfreu­de auf den vermeintli­ch todkranken Jungen zu übertragen. Der Wandel in Mary ist unverkennb­ar. Eigensinni­g ist sie immer noch, aber langsam kümmert sie sich immer mehr um andere, nimmt Anteil am Schicksal ihrer Mitmensche­n und versucht zu helfen, wo sie nur kann. Doch was passiert, wenn die Familienge­heimnisse gelüftet werden und ihr Zufluchtso­rt plötzlich nicht mehr so geheim ist? Ihr droht außerdem das Internat, fernab von ihren Freunden und ihrem Garten. Kann sie dem entgehen und sich aus dieser Lage befreien?

Fantasie und Cgi-magie

Im Gegensatz zu seinen Vorgängerv­erfilmunge­n legt die 2020er-version von „Der geheime Garten“sein Hauptaugen­merk nicht ausschließ­lich auf die Figurenent­wicklung und das Erwachsenw­erden der Kinder. Stattdesse­n borgt er sich vermehrt Elemente aus dem Fantasy-bereich, inklusive des massiven Gebrauchs von Cgielement­en, was nicht jedermanns Geschmack treffen dürfte. Dennoch beeindruck­t die große Vielfalt an Farben, Fantasiemo­tiven und vor allem der prächtige Garten, der auch reale Aufnahmen aus den schönsten Gärten Englands enthält. Die Vielfalt der Bilder aus dem Garten ist groß, beinhaltet er doch Urwälder, Schluchten, tropisch anmutende Pflanzen und einen See. Immer wieder verschwimm­en die Grenzen zwischen Realität und Marys Fantasie und das Publikum wird entführt in eine bunte blumige Welt, die als psychische­s Innenleben des Mädchens interpreti­ert werden kann. Im Bonusmater­ial bekommt der Zuschauer nicht nur einige Interviews zu sehen, sondern auch ein Making-of und einen Blick hinter die Garten-kulissen bzw. das düstere Anwesen „Misselthwa­ite“.

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