Und morgen die ganze Welt
So provokativ der drohende Filmtitel auf das entsprechende nationalsozialistische Propagandalied verweist, so unverfälscht erscheint auch Julia von Heinzes Drama über die Antifa-bewegung. Die Regisseurin will authentisch bleiben und schöpft aus ihrer eigenen Erfahrungswelt. Sie selbst war bis Anfang 2000 Teil der Antifa und studierte Rechtswissenschaften, weshalb so einiges aus diesen Zeiten in die fiktive Protagonistin Luisa (Gespielt von Mala Emde) floss. Ursprünglich war der Film als historisches Drama geplant mit einer Handlung in den 1990er Jahren. Mit dem beängstigenden Erstarken des Rechtspopulismus seit 2014 war für die Filmschaffenden allerdings klar, dass Luisas Geschichte in die Gegenwart gehört.
Der Widerstand
Alles beginnt mit Luisas Begegnung mit ihrer ehemaligen Schulfreundin Batte (Luisa-céline
Gaffron), die sie in die Mannheimer Antifagruppe einführt. So wird die junge Jura-studentin Zeugin einer Wahlkampf-rede der „Liste 14“-Kandidatin Cosima Stötz, die eine große Ähnlichkeit zu Alice Weidel besitzt, während das zugehörige Partei-logo einen gebogenen, roten Pfeil vor blauem Untergrund darstellt. Mit roter Farbe gefüllte Eierschalen fliegen tief in Richtung Rednerin, bis eine geschleuderte Sahnetorte diese vom Pult zwingt. Beide Seiten schießen Handy-fotos für die spätere Auswertung. Rechtsextreme Zuhörer reagieren auf die Linken mit offener Gewalt. Luisa flüchtet, wird verfolgt, geschlagen, sexuell belästigt. Und das war gerade mal ihre erste Aktion. Je weiter die Handlung voranschreitet, desto extremer wird es – wobei immer ausschlaggebend ist, wer der Gruppe beiwohnt und wie sich dadurch die Dynamik verändert. Wie in jeder Gruppierung gibt es so viele Meinungen wie Menschen. Und so kommt es zu ungeplanten Gewaltaktionen, weil einige Mitglieder besonders „nachhaltig“in Erinnerung bleiben möchten. Auch Luisa verändert sich aufgrund dieser Einflüsse, aber ebenso wegen ihrer traumatischen Erlebnisse mit Rechtsextremisten. Es liegt nun an ihr, wie sie mit der angestauten Wut umgeht und ob sie erkennt, dass ihre lodernde Angst in Hass umgeschwungen ist – etwas, das sie mit den meisten Rechtsextremisten teilt.