INTERVIEW MIT JOE TASLIM (SUB-ZERO)
Hallo Joe, wann hast du deine Martial-artskarriere begonnen und was hat dich dazu gebracht?
Ich glaube, als ich in der Grundschule war, folgte ich meinem Bruder, der Judo in der Nähe unseres Hauses trainierte. Ich war arm, wusste nichts mit meiner Zeit anzufangen und es war kostenlos. Das dürfte daher mein Einstieg bzw. der Beginn meines Interesses für Martial Arts gewesen sein.
Mein Dad meinte: Wenn Du etwas lernen willst, dann etwas wofür wir nicht bezahlen müssen (lacht). Daher hieß es: Judo, Judo und noch mehr Judo hinterm Haus. Ich liebte diesen Platz wirklich. Sie fragten mich, ob ich mitmachen wolle. Der Sensei wollte den Kampfsport fördern.
Damals war ich in einer kleinen Stadt in Süd-sumatra in Indonesien, sie suchten Mitglieder und gaben uns freies Training. Es benötigte natürlich viel Enthusiasmus, da es sehr hart war und sie einen in den ersten drei Monaten ausschließlich das Fallen beibrachten. Ich denke, die große Philosophie dahinter ist: Bevor Du jemanden Werfen kannst, musst Du erst einmal das richtige Fallen lernen. Das besitzt eine ganz eigene Schönheit (lacht).
Klingt großartig! Und bevorzugst du nur einen Kampfstil wie Judo oder hast du dir mehrere Stile angeeignet?
Ich denke, der Kampfstil in Judo beschränkt sich auf eine sehr kurze Distanz. In einem echten Kampf ist es normalerweise ziemlich einfach, in solch eine Position zu kommen. Aber im Fall von dem, was ich als ästhetisch empfinde – ich denke, ich habe viele wunderschöne indonesische Martial Arts kennengelernt, Wushu sieht toll aus – Ich bin ein großer Fan von diesen Stilen. Und Wushu beeinflusst mich sehr stark bei meiner Arbeit als Schauspieler, z. B. in „The Raid“und in „Warrior“. Witzigerweise beherrsche ich rein gar nichts von diesen Martial Arts, bevor ich mich den entsprechenden Rollen zuwende. Das ist immer wieder vollkommen neu für mich. Das schöne daran: Ich habe Judo mein halbes Leben lang trainiert, weshalb ich die Kampfkunst als eine Art Musik betrachte. Es ist wie das Spielen eines Instruments: Du weißt, wie man Piano spielt und versuchst dich jetzt an der Gitarre. Es braucht eine Menge, um das zu adaptieren, ist aber dennoch Musik. Als ich beispielsweise dem Cast von „The Raid“beitrat und Silat von Null auf lernen musste, trainierte ich fünf bis sechs Monate, bevor wir mit dem Dreh begannen. Das war absolut machbar.
Wie bist du vom Judo überhaupt zum Filmbusiness gekommen?
Meine Judo-karriere beendete ich 2009. Ich glaube, der letzte Wettbewerb war Southeast Asien Games in Laos. Dann gewann ich noch eine nationale Meisterschaft in dem Jahr. Danach realisierte ich, dass ich einfach genug hatte, weil meine beiden Knie total hinüber waren. Außerdem sind zwölf Jahre in der Nationalliga genug, denke ich. Ich wollte schon seit meiner Kindheit Schauspieler werden. Meine Familie ist eine Art Sportlerfamilie, daher tat ich es also für sie, verfiel aber auch selbst dem Sport. Da gab es dann diesen Punkt in meinem Leben: Nun hab ich es geschafft, jetzt will ich meinem Traum von der Schauspielerei nachgehen. Das war schon relativ spät, ich war da bereits 29 oder 30 Jahre alt, glaube ich. Ungefähr vor zehn Jahren. Ich musste also richtig Gas geben, viel recherchieren, vielen Regisseuren schreiben, zu unzähligen Vorsprechen gehen. Und all das, bis ich bei Gareth Evans‘ „The Raid“(2011) endlich Glück hatte.
Um in Form zu bleiben, trainierst du vermutlich täglich. Trainierst du härter, wenn das nächste Filmprojekt ansteht?
Wenn ich sonst nichts habe, trainiere ich für mich selbst, aber dann bin ich fokussierter auf Cardio-training. Als ein Athlet kann man natürlich auch Muskeln aufbauen. Da kann man den schnellen Weg gehen, man kann auch so verrückt sein und zwei Mal täglich ins Fitnessstudio gehen. Aber Cardio ist dein Vo2max (maximale Sauerstoffaufnahme, Anm. d. Red.)), und das lässt sich nicht auf die Schnelle antrainieren. Dieses Training muss man ständig aufrecht erhalten. Ich habe also dieses Training auf einem Laufband samt Anstieg, einfach um die maximale Herzfrequenz zu erhalten, die bei mir gerade über 180 (220 minus das eigene Alter, Anm. d. Red.) ist. Bevor ich zu einer Produktion hinzustoße, muss ich sicher gehen, dass ich mein selbst zusammengestelltes Programm schaffe. Wenn mir das gelingt und ich immer noch aufstehen kann, dann bin ich sowas von bereit für den Dreh (lacht). Ich selbst habe keinen Trainer und bin da auf mich allein gestellt. Ich nutze also das Programm, dass ich aus den zwölf Jahren internationalem Teamwork mitgenommen und von allen möglichen großartigen Trainern gelernt habe, woraus ich mir dann etwas eigenes zusammenstellen konnte. Wenn ich pro Tag 20 Minuten davon schaffe, ist mein Vo2max, meine Kondition, immer noch gut und ich kann 15 Stunden pro Tag am Set arbeiten, ohne schlapp zu machen (lacht).
Jetzt spielst du Sub-zero, der mit übernatürlichen Eis- und Frostattacken kämpft. Waren die Kämpfe mit visuellen Effekten für dich schwieriger umzusetzen als Kämpfe, die ohne CGI auskamen wie in der Serie „Warrior“?
Das Ding mit CGI ist, während des Drehs ist es nicht da, solange bis man es nach der Postproduktion in der fertigen Filmsequenz sieht. Das dürfte das erste Mal gewesen sein, dass ich mit visuellen Effekten in einer Kampfsequenz ge
arbeitet habe. Hierfür muss man natürlich mehr von seiner Vorstellungskraft nutzen. Dazu muss man die Vision des Regisseurs genau kennen bezüglich der entsprechenden Szene. Manchmal während eines Kampfes schloss ich meine Augen, um mir alles zu visualisieren, was mir der Regisseur vorher darüber gesagt hat. Es war also ein bisschen 50/50 und ich war mir nicht ganz sicher. Als ich dann aber den fertigen Film sah beziehungsweise die erste Schnittfassung davon, war ich unheimlich glücklich, weil alles, was ich mir vor dem inneren Auge vorgestellt hatte, auch genauso aussah. Das war so irreal. Ich war echt erleichtert. Einfach nur perfekt!
Wie war es, permanent mit dieser Maske zu spielen? Gibt es Szenen, in denen wir dich auch ohne Maske sehen?
(Lacht) Ich denke, du hast es schon gesehen. Sie haben, glaube ich, letzten Montag ein Szenenbild veröffentlicht, auf dem man auch Hiroyuki Sanada erkennt. Daher denke ich, dass wir glücklicherweise Bi-hans Gesicht im Film sehen werden. Das dürfte kein Spoiler sein, da du es ja schon gesehen hast und es nun öffentlich ist. Und das tut wirklich gut zu sehen, diese Form des Respekts. Auf der einen Seite handelt es sich um einen Videospielcharakter. Dennoch will man dem Charakter als Schauspieler mehr Tiefe verleihen. Man möchte ihm mehr Respekt zollen. Ist er ein Mensch? Hat er eine Seele? Also nicht einfach nur die Figur aus dem Spiel. Sie haben da gute Arbeit geleistet, den Charakter und auch alle anderen Charaktere zu schreiben und ihnen diese Form der Seele zu geben.
Cole Young ist möglicherweise der Protagonist des Films. Aber höchstwahrscheinlich wird auch die Fede zwischen Sub Zero und Scorpion eine große Rolle spielen. Wie war es denn so für dich gegen Japans Superstar Hiroyuki Sanada zu kämpfen?
Es war irreal. Kannst du dir das vorstellen? Irgendwann Anfang der 2000er habe ich „Last Samurai“gesehen. Da war ich noch kein Schauspieler und immer noch etwas chaotisch. Da wusste ich noch nicht, was ich mit meinem Leben anfangen sollte. Ich sah also den Film und war ein großer Fan seines Charakters. Als ich dann später hörte, dass er Scorpion spielen würde und ich viel „Screentime“mit ihm hätte, begann ich innerlich zu tanzen. YES! Als ich ihn dann zum ersten Mal sah – ich erinnere mich noch genau – da erlitt ich einen „Starstruck“von der Sorte „Halloooo …!“(lacht). Und ich verbeugte mich und er verbeugte sich. Für ihn als Japaner ist es Teil der Kultur, für mich als Asiate ebenso. Das hat einfach was mit Respekt gegenüber „Seniors“(in dem Fall jemand, der schon länger im Filmbusiness ist, Anm. d. Red.) zu tun. In Martial Arts zeigt man seinen Respekt gegenüber dem Senior schon fast so, als wäre es der eigene Sensei. Deshalb war es auch etwas schwierig, die zu spielende Rolle ernsthaft umzusetzen, weil wir uns bekämpfen mussten. Dabei sehen wir so aus, als wollten wir uns gegenseitig töten. Aber im Inneren bleibe ich ein Fanboy (lacht).
Was ist deiner Meinung nach der größte Unterschied zwischen diesem Film und den früheren „Mortal Kombat“-filmen der 1990er?
Ich habe, glaube ich, zwei von den früheren „Mortal Kombat“-streifen gesehen. Ich spielte die Games, schaute die Filme und hatte ziemlich viel Spaß mit ihnen. Sie waren für mich damals extrem cool, weil ich mit den Charakteren aus dem Spiel aufwuchs. Und als ich die Realfilmversion davon sah, war es für mich immer noch sehr spannend, weil ich so unheimlich gute Erinnerungen damit verband. Der Unterschied zum neuen Film, der in den USA am 16. April startet, ist, dass wir uns in der glücklichen
Lage befanden, die weiter entwickelte Technologie zu nutzen. Und die Geschichte zollt dem Videospiel und den Charakteren gegenüber Respekt. Aber ebenso hilft sie den Zuschauern, die Charaktere besser zu verstehen. Der neue Film hat meiner Ansicht nach mehr Schichten. Wenn ich nie bei „Mortal Kombat“mitgemacht und das Spiel nie gespielt hätte, dann würde mich der Film, denke ich, ebenso ansprechen. Selbst Nicht-fans würden nach diesem Film das Spiel ausprobieren, sogar wenn sie es vorher gemieden hätten. Er ist also mehr als solide als alleinstehender Film. Zugleich respektiert der Film die vielen Fans, die „Mortal Kombat“schon seit Jahrzehnten begleiten. Das geht sehr in die Tiefe. Aber du solltest dir den Film lieber selber anschauen. Und ich hoffe, wir sind da auf derselben Wellenlänge.
Neben deiner wirklich großartigen Leistung in der Serie „Warrior“, die hoffentlich eine dritte Staffel erhält, wie sieht es da für dich mit weiteren Filmprojekten aus?
Um ehrlich zu sein, bin ich gerade etwas wählerisch. Nicht, weil ich versuche, weniger zu arbeiten. Im Gegenteil will ich mehr arbeiten. Aber ich habe jetzt den Punkt erreicht, an dem ich an das Drehbuch glauben muss. Momentan habe ich viele Angebote auf dem Tisch bezüglich einiger Action-formate. Nach meiner zehnjährigen Erfahrung in der Filmwelt muss ich an das Skript bzw. den Film glauben. Es gibt ein paar Projekte, die immer noch in der Entwicklung sind und die ich unbedingt machen möchte. Aber das benötigt etwas Zeit, insbesondere „Warrior“ist in gewisser Hinsicht unsicher, ob wir alles so drehen können. Aber ich denke, es wird schon irgendwie klappen, sodass die Fans mich hoffentlich dieses oder nächstes Jahr wieder auf der Tanzfläche sehen können.
Vielen Dank für das Gespräch.