Du sollst nicht lügen
(1. Staffel)
Harry und Jack Williams Psyhothriller-serie „Liar“aus dem Jahre 2017 erzählte in zwei Staffeln mit je sechs Episoden (à ca. 45 Minuten) die Geschichte eines komplexen Kriminalfalls, in dem nie so recht klar ist, wer der Täter und wer das Opfer ist. Das deutsche Remake mit dem biblischen Gebot „Du sollst nicht lügen“als Titel macht genau das gleiche, allerdings in gestraffter Form von nur vier Episoden à 45 Minuten. Tut die ökonomischere Erzählweise der Handlung und dem Erzähltempo gut? Auf jeden Fall! Der vorrangige Effekt des in der Schwebe Haltens und Mitratens hält nämlich ohnehin nur einen gewissen Zeitraum an, weshalb in diesem Fall weniger mehr ist. Die spannende Prämisse der Serie ist ein romantisches erstes Date zwischen der Lehrerin Laura Hoffmann (Felicitas Woll) und dem erfolgreichen Arzt Hendrick Voss (Barry Atsma), der mit Lauras Blackout endet. Als sie erwacht, kann sie sich nur noch bruchstückhaft daran erinnern. Alle Zeichen deuten darauf hin, dass sie Opfer einer Vergewaltigung wurde. Mit der Unterstützung ihrer Schwester Katrin (Sophie Pfennigstorf), die im gleichen Krankenhaus wie Voss arbeitet, lässt sie sich medizinisch untersuchen und erstattet bei der Polizei Anzeige gegen Hendrick. Dieser wiederum zeigt sich überrascht, als er festgenommen wird, und behauptet, es sei alles einvernehmlich gewesen. Die Frage, ob alles einvernehmlich oder gegen den Willen geschehen ist, gestaltet sich auch bei realen Ermittlungen bezüglich mutmaßlicher Sexualstraftaten als sehr kompliziert, weshalb diese Prämisse schon einmal Spannung durch Interpretationsfreiräume verspricht. Und so tappen die beiden Polizeiermittler Vanessa Lewandowski (Friederike Becht) und Robert Schmidt (Gunnar Helm) genauso wie die Zuschauer erst einmal im Dunkeln, was die Sachlage in besagter Nacht angeht.
Hamburg bei Nacht
Da solch ein packendes Szenario mit seinen beiden Hauptdarstellern steht oder fällt, tat man gut daran, die Rollen an den „Berlin, Berlin“-star Felicitas Woll sowie an den britischen „Bad Banks“-star Bary Atsma zu vergeben. Beide müssen nämlich die schwierige Gratwanderung vollziehen, sowohl als Opfer als auch als Täter zu überzeugen. Und das gelingt ihnen. Felicitas Woll wirkt in ihrer Rolle attraktiv, selbstbewusst, intelligent, humorvoll, aber auch verletzlich. Zu Beginn erscheint ihre Laura Hoffmann ganz eindeutig wie das Opfer. Aber auch Bary Atsma, dessen britischer Akzent nur zu seiner Attraktivität beiträgt, scheint als Hendrick Voss der perfekte Liebhaber zu sein, dem man eine Vergewaltigung auf keinen Fall zutrauen würde. Warum sollte er dies auch machen? Schließlich springen die Frauen auch so auf seine Anziehungskraft an. Als Chirurg hält er alle guten Karten für ein gesundes Sexleben in der Hand. Und sein Sohn scheint ihn auch für einen guten Kerl zu halten. Andererseits hätte auch Laura nichts davon, ihm eine solch schwere Straftat anzuhängen. Wenn sie genug von einem Mann hat, dann trennt sie sich konsequent von ihm, wie die frische Trennung von ihrem Ex-partner Tim (Sönke Möhring) beweist. Gut, dass Tim bei der Polizei arbeitet. So kann er sie bei der Beweisführung gegen Voss unterstützen. Oder steckt doch etwas gänzlich anderes dahinter?
Die vier Episoden der ersten Staffel schließen den Fall vollständig ab und bieten Spannung ohne Längen mit einem fast (!) zufriedenstellenden Ende. Da auch die Originalserie zwei Staffeln brauchte, um auch das letzte Geheimnis zu entschlüsseln, läuft das deutsche Remake ebenfalls auf eine Fortsetzung hinaus. In den Extras gibt es einen fünfminütigen Einblick in die Drehbedingungen unter Corona-auflagen. Hier sieht man auch wie der vom Set berichtende Journalist eine eigene kleine Nebenrolle als er selbst ausfüllen darf.
Meterhoch stemmt sich das Hochhaus in den verhangenen Himmel, bis es in die Wolkendecke eintaucht und sich den Blicken der Betrachter, die wie Ameisen zu seinen Füßen wirken, entzieht. Alt, verfallen und offenbar vergessen. Ein perfekter Ort für einen Neuanfang? Zumindest ist Jaschek Grundmann (Charly Hübner) der festen Überzeugung, als er die frei gewordene Hausmeisterstelle antritt und zusammen mit seinem 16-jährigen Sohn Juri (Tristan Göbel) in den Plattenbau am Rand einer Großstadt einzieht. Dass dieser verwahrloste Ort eher eine Abrissbirne statt eines Hausmeisters benötigt hätte, wird innerhalb der ersten Sekunden klar. Dennoch stürzt sich Jaschek in die Arbeit, wohl auch, um den Erinnerungen an den plötzlichen Tod seiner Frau zu entkommen. Juri unterdessen begibt sich auf eine eigene Erkundungstour durch die labyrinthartigen Gänge und macht Bekanntschaft mit einigen seltsamen Bewohnern des Hauses, die ebenso verwahrlost und eigensinnig wirken wie ihr Zuhause. Allen voran der wortkarge Kater (Alexander Scheer), der Juri gleich zu Beginn ein mysteriöses Geschenk macht und eine besondere Bindung zu dem Plattenbau zu haben scheint. Auch der Rest der Bewohner weist nicht gerade vertrauenswürdige Verhaltensmuster auf. Dabei kriecht etwas durch die Mauern des Hauses, von dem jeder zu wissen scheint. Minimalistisch ziehen sich die Dialoge durch die gesamte Handlung. Gesprochen wird nur, wenn es unbedingt erforderlich ist und selbst dann reicht meist ein knappes „Doch!“, um sich der Interaktion auch schon wieder zu entziehen. Ohne Frage hat das Haus seine Bewohner fest im Griff, zerrt regelrecht an ihnen.
Kaum eingezogen, scheint ein Entkommen in immer weite Ferne zu rücken. Das Verschwinden eines Babys versetzt die Gemüter der Bewohner allerdings in Aufruhr und.
Düster und zäh
„Hausen“ist hier nicht nur ein Titel. Es ist Programm. Die Serienmacher kreieren eine düster, atmosphärische Welt, in der der eigentliche Hauptdarsteller das Haus selbst ist. Allein sein morastiger Keller lässt an das Innere eines Ubootes denken. Ein seltsamer schwarzer Schleim zieht sich durch die Rohre. Die Lüftungsschächte haben Ohren und die Zeit folgt hier augenscheinlich sowieso ganz eigenen Regeln. Das soziale Miteinander verschimmelt genauso wie die Gänge und Wohnungen und selbst die Beziehung zwischen Jaschek und seinem Sohn wird mit jedem Tag in diesem Gebäude brüchiger. Die Mieter verschwinden wortlos in ihren Wohnungen, ohne Blicke füreinander und sind doch Teil eines großen Ganzen, das sie fest im Griff zu haben scheint. Sozialkritik mit Mystik vermischt und mit Wänden so dünn wie Papier und so hungrig wie Treibsand. Doch bei aller schauriger Stimmung stellt sich die Frage, wohin das triste
Treiben der karikaturartigen Bewohner auf den Fluren führen mag? Zu ziellos und schleppend quälen sich die Akteure durch die Handlung, die irgendwo im schwarzen Morast stecken bleibt und trotz interessanter Ansätze erst ab Mitte der Serie Tempo gewinnt. Beim Finale war offenbar nicht klar, was genau da eigentlich im Haus herum spukt oder wie es zu Ende gehen soll. Eine andere Erklärung kann es dafür kaum geben. Genauso karg wie die Dialoge fällt auch die Farbpalette aus, die sich im Grunde auf ein Spektrum aus Blau- und Grünvarianten beschränkt. Punktabzug gibt es ganz klar bei der Verständlichkeit der Dialoge. Insbesondere bei den aus Lüftungsschächten dringenden Worten des Hauses sind teils Untertitel nötig. Die Blu-ray kommt als schickes Digipak im Schuber daher, in welchem sich als Extra noch ein 12-seitiges Booklet mit knappen Kommentaren der einzelnen Darsteller, einem Episodenguide, Interviews sowie Hintergrundinformationen zum Schauplatz befinden.
s ist 1939, die amerikanische Journalistin Nancy Campbell (Helen Hunt) kehrt von einer kleinen Einkaufstour in Deutschland nach Polen zurück. Kurz vor der Grenze entdeckt sie zwei erschossene Männer am Straßenrand. Sie betrachtet die Leichen, welche polnische Uniformen tragen. „Stehenbleiben!“Aus der Ferne beobachtet sie, wie deutsche Soldaten harmlose Wegelagerer exekutieren und in polnische Uniformen stecken. Ein paar Schritte weiter durchs Gehölz dringen Geräusche von Panzerketten an ihr Ohr. Durch das Dickicht erkennt sie einen riesigen Aufmarsch von Truppen sowie massives Kampfgerät. Die Nazis bereiten ihren Einmarsch in Polen vor, mit dem sie den Zweiten Weltkrieg auslösen werden. Der Zuschauer spürt förmlich die Unruhe dieser aufwühlenden Zeit. Den Leuten steht die Sorge ins Gesicht geschrieben. Als Dolmetscher hat der junge Harry Chase (Jonah Hauer King) alle Hände voll zu tun. Er muss für die britische Botschaft in Polen polnische Texte ins Englische übertragen und umgekehrt. Wenige Monate zuvor demonstrierte er noch in England mit seiner Freundin Lois (Julia Brown) gegen den erstarkenden Nationalsozialismus in Britannien. Und nun sitzt er selber an der polnischen Grenze, über die der Blitzkriegfeldzug der Deutschen hereinbrechen wird. Obwohl Harry der sich von ihm trennenden Lois beteuerte, dass nichts wichtiger sei als die Liebe zu ihr, gibt er sich nicht gerade als Kind von Traurigkeit. Seine neue Flamme Kasia (Zofia Wichlacz) stellt ihn bereits ihrer Familie vor, während sich ihr Vater und Bruder darauf vorbereiten, den Verteidigungskräften in Danzig anzuschließen. Und das obwohl die amerikanische Journalistin immer wieder versinnbildlichend wiederholt: „Die Deutschen haben Panzer, die Polen Fahrräder.“
Nancy Campbell, die eng mit Harry zusammenarbeitet, versucht derweil ihren Neffen Webster (Brian J. Smith) davon zu überzeugen, Paris zu verlassen. Sie fürchtet, dass auch Frankreich bald besetzt werden könnte. Doch Webster ist genauso dickköpfig wie sie und will weder das Pariser Nachtleben noch seinen Geliebten Albert (Parker Sawyers) zurück lassen.
Lois bleibt nicht untätig und verdingt sich als Sängerin, was ihr im Blut liegt. Weniger Erfolg hat da leider ihr Vater Douglas (Sean Bean), der als stadtbekannter Pazifist keine einzige Friedenszeitung an den Mann bringen kann. Alle schauen gebannt auf das Geschehen in Zentraleuropa, weshalb Nachrichten über Frieden kaum auf Interesse stoßen. Und dann greifen die Nazis Polen an. Nichts wird je wieder sein, wie es war.
Didaktisches Prestigeprojekt
Die BBC brauchte über zwei Jahre, um die sieben enorm aufwendig produzierten Episoden der ersten Staffel zu kreieren. Riesige Sets, enormer Kostüm-, Effekt- und Ausstattungsaufwand sowie eine Europa-umspannende Handlung forderten sehr viel Geld, Know-how und Zeit. Herausgekommen ist ein multiperspektivisches Drama mit großen Schauwerten, krassen Charakterentwicklungen und einer vielschichtigen, spannenden sowie dramatischen Handlung. Die anfängliche Romantik weicht dem Überlebenskampf und Beziehungskonflikten, die Angesichts des Kriegsgeschehens kaum noch eine Rolle zu spielen scheinen … oder bedeuten sie
doch alles? Die Multiperspektivik erhält einen zusätzlichen Spannungs-aspekt, sobald sich die deutsche Familie Rossler zum Gespann der Protagonisten hinzugesellt. Anstatt also einfach die Dämonisierungskeule auszupacken und alle Deutschen dieser Zeit zu verteufeln, eröffnet die Rossler-perspektive einen wichtigen, differenzierenden Blickwinkel, der zudem die Schrecken der Eugenik bzw. Euthanasie ins Spiel bringt. Ziel des Fsk-12-kriegs-dramas scheint es zu sein, insbesondere jugendlichen Zuschauern viele verschiedene Aspekte des damaligen Krieges zu zeigen, die sie weder von ihren Eltern, noch von ihren Großeltern erzählt bekommen, da die Kriegsgeneration der echten Zeitzeugen inzwischen nahezu ausgestorben ist. Dieser didaktische Ansatz hindert die Geschichte keineswegs daran, äußerst spannend und unterhaltsam zu sein. Ein Großteil der Zeit wird in die Darstellung des vom Krieg beeinflussten Zivillebens investiert. Um Harry entwickelt sich eine Art Agenten-plot, der ihn ins Feindesgebiet führt. Die jungen Frauen Lois und Kasia schließen sich dem Widerstand an. Und der offene Krieg wird unter anderem durch die Augen Toms, Lois‘ Bruder, sowie Grzegorz, Kasias Bruder, gezeigt. Die enormen Veränderungen, die jeder einzelne Charakter durchleben muss, zersprengen dabei nicht nur Liebschaften, sondern ganze Familien. Da die BBC bereits eine zweite Staffel angekündigt hat, überrascht das weitgehend offen gelassene Ende der siebenten Episode keineswegs. Wie die meisten Produktionen des britischen Staatsfernsehens ist die audiovisuelle Technik absolut auf der Höhe der Zeit. Der Rundumklang macht die Vergangenheit in nahezu jeder Szene lebendig. Im Sinne der Atmosphäre entschied man sich für eine entsprechende Farbkorrektur mit eher blassem Teint und düsterem, verringertem Kontrast. Der Schwarzwert leidet besonders in dunklen Szenen. Die Schärfe sieht gut aus, dennoch bleibt hier noch Luft nach oben.