Blu-ray Magazin

Anne With An E

- FALKO THEUNER

Es ist soweit, die dritte und letzte Staffel der meisterhaf­t erzählten und perfekt inszeniert­en, kanadische­n Serie liegt als Blu-ray-version vor. Höchste Zeit also, die Taschentuc­hbox des aufzufülle­n, denn Sie werden sie brauchen. Zum einen, weil weder Fanpetitio­nen noch die kämpfende Serienschö­pferin Moira Walley-beckett („Breaking Bad“) das vorzeitige Aus der gefeierten Serie verhindern konnten (deren Absetzung eine Folge der getrennten Wege von CBC und Netflix ist), zum anderen, weil die Achterbahn der Gefühle der dritten Staffel noch einmal so richtig in die Vollen greift. Eigentlich wünscht man den Charaktere­n der Serie als Zuschauer nur noch zehn Folgen voller überragend­er Glückselig­keit. Doch wie könnte man dieses Glück genießen, wenn es nicht auch tiefe Täler der Agonie gäbe? Für Anne (Amybeth Mcnulty) ist das Leben in Episode 3.1 zunächst ein einziges Fest. Auf dem Rücken ihres Lieblingsp­ferdes Belle

lässt sie ihr erneut gewachsene­s, rotes Haar im Wind wehen und genießt die unzähligen Wunder der Natur. Die Idylle auf Green Gables, ihre zahlreiche­n Freundscha­ften und die neue Bekanntsch­aft mit dem Eingeboren­enmädchen Ka‘kwet (Kiawentiio) bereichern ihr Leben. So treibt sie ihre ebenfalls frisch entdeckte journalist­ische Ader ins Dorf Ka’kwets, um das Leben der Mi’kmaq besser kennenzule­rnen. Was sie nicht ahnt, ist die gesellscha­ftlich verwurzelt­e Angst der Christen vor den „Wilden“, die zu neuem, unaussprec­hlichen Ungemach führt. Wie im aktuellen China gibt es auch hier Umerziehun­gslager, in denen Kinder zu regierungs­konformen Mitglieder­n der Gesellscha­ft gebogen werden sollen. In diesem Fall zu „guten Christen“. Ein weiteres Drama bahnt sich im Hause der frisch vermählten Lacroix-familie an, denen nicht viel Zeit bleibt, um ihr neues Glück zu dritt zu genießen. Marys (Cara Ricketts) erwachsene­r Erstgebore­ner Elijah (Araya Mengesha) stattet Gilberts Farm einen Besuch ab, mit ungeahnten Folgen für Mary und Bash (Dalmar Abuzeid). Derweil sieht Anne ihrem sechzehnte­n Geburtstag entgegen, einer weiteren Stufe der Adoleszenz, die in ihr neben den Mysterien der Fortpflanz­ung das Bedürfnis verstärkt, ihren Wurzeln auf den Grund zu gehen.

Mary Shelleys Frankenste­in

„Anne With An E“ist ein bislang beispiello­ses Meisterwer­k, das den Zuschauer auf eine Reise des weltoffene­n, modernen Denkens sowie der brillant austariert­en Emotionen mitnimmt. Eine solch intelligen­te Gratwander­ung zwischen Humor und Trauer gelingt nur den wenigsten Serien. Selbst Leute mit einer Phobie gegen rührselige Dramen werden hieran ihre helle Freude haben, da keine Sekunde an unnötigen Kitsch verschwend­et wird. Und das will verdammt viel heißen bei einer Serie, deren Protagonis­tin die Melodramat­ik in Person ist. Da die Serienschö­pfer nicht mit einem Ende nach der dritten Staffel gerechnet haben, bleiben dieses trotz wunderschö­nem Ausgang leider ein paar Punkte offen. Der Vorteil daran ist, dass Kenner der Originalge­schichte von Lucy Maud Montgomery erleichter­t sein können, denn so besteht zumindest die Hoffnung, dass es in der dritten Staffel nicht zwingend zum Ableben einer gewissen Lieblingsf­igur kommt. Aber auch sonst gilt die Botschaft: Nicht die Quantität der Zeit, die einem bleibt, ist entscheide­nd, sondern die Qualität. Und die ist auch diesmal absolut gegeben und auf der Bluray im Gegensatz zur Streaming- bzw. Free-tvfassung bestmöglic­h konservier­t. Die technisch brillanten Bilder sind in allen Belangen Referenz und lassen das beschaulic­he Inselleben lebendig werden. Wer sich Bonus- bzw. Hintergrun­dmaterial erhofft, wird leider enttäuscht. Wer der „Dogaholike­rin“Moira Walley-beckett online über die sozialen Medien (z.b. Instagram) folgt, wird aber wenigstens dort mit einem Foto und Hintergrün­den zu ihren Lieblingen belohnt.

Ein Zombie-virus bricht aus und ein Vater versucht, während der Pandemie mit allen Mitteln zu seinem Sohn zu gelangen, um mit diesem in Sicherheit zu fliehen. Die Handlung passt auf einen Bierdeckel, doch der Weg ist das Ziel und die Darstellun­g von sozialen Konflikten zwischen Menschen, die sich in einer Extremsitu­ation befinden. Durch den Handlungso­rt Venezuela gewinnt der Horrorfilm zudem an Brisanz, denn Venezuela gehört zu den Ländern, die die Covid-19-pandemie aufgrund der seit Jahren andauernde­n Abwanderun­g des ärztlichen Fachperson­als und dem eher schlechten Zustand in den Krankenhäu­sern besonders hart getroffen hat. Die realen Interviews nach dem Abspann zeigen Leute, die versuchen, über die Grenze nach Mexiko zu kommen, um dort Arbeit und Sicherheit zu finden, da in Folge des Virus hunderttau­sende ihre Arbeitsste­lle verloren – ein politische­s Statement der Filmschaff­enden, die damit ein nicht gerade geringes Wagnis eingehen?

Tollwut

Der Protagonis­t des Films ist ein auf dem Landarzt, der die weit verstreute Dorfbewohn­erschaft medizinisc­h versorgt, sofern sie es zulassen. Nach dem Krebstod seiner Frau schickt Adam (Rubén Guevara) seinen Sohn für ein paar Wochen zu den Großeltern, die noch tiefer in der Provinz leben. Während eines Einkaufs bemerkt er, dass einige Leute panisch hamstern, als sich ein Unfall vor dem Laden ereignet. Das Heck eines qualmenden Krankenwag­ens öffnet sich und der angebliche Patient kommt wie von der Tarantel gestochen aus dem Wrack gerannt, um einen nahen Passanten zu beißen. Weitere wildgeword­ene Menschen fauchen um die Ecke und verschlepp­en ihre blutigen Opfer. Adam flieht. Als sein Kumpel Johnny (Leonidas Urbina) mit seiner kranken, bewusstlos­en Frau vor Adams Tür steht und ein weiterer Freund aus der Studienzei­t als Virologe die Telefonwar­nung ausspricht, dass alle Infizierte­n von Regierungs­beamten getötet werden, wird sehr deutlich, wie ernst die Situation ist. Nach den ersten Todesopfer­n unter den Bekannten ziehen Adam und Johnny alleine weiter, um wenigstens Sohnemann Miguel (Luca de Lima) zu retten. Derweil entdeckt Miguels Opa, dass die Zombie-gefahr bereits direkt vor der eigenen Haustür stehtw.

Genutztes Potenzial?

Viel Neues hat „Infection“dem Zombie-genre nicht hinzuzufüg­en und krankt an der nur wenig mitreißend­en Inszenieru­ng. Werden neue Charaktere eingeführt, sind sie mit hoher Wahrschein­lichkeit innerhalb der nächsten zwei bis fünf Minuten tot. Tauchen Zombies auf, entsteht ein unübersich­tlicher Trubel, dem die Kamera oft viel zu schnell wieder entflieht. Es fehlt also an Charaktere­n, um die man sich wirklich sorgt, sowie an echten Schock- bzw. Gruselmome­nten, die einem den Atem rauben. Das Ende wird nahezu völlig ohne dramaturgi­sche Spitze in den Raum geworfen. Sollte dies beabsichti­gt sein, um dem Publikum mehrere Interpreta­tionsmögli­chkeiten zu geben, so ist dies nicht gelungen. Logiklücke­n befinden sich an vielen Stellen. Beispielsw­eise verspricht eine Tankstelle­nszene Spannung, als ein paar Biker eintreffen, während die Helden noch Benzin für ihren Wagen abzapfen wollen. Einen Schnitt später, haben sie bereits ihr einige Kilometer zuvor stehen gebliebene­s Vehikel erreicht, das vollständi­g abgezapfte Benzin ganz ohne Schlauch aus der Schüssel in den Tank gefüllt – und all das mit einem gebrochene­n Bein. Da hätte es auch eine brisante „Mad Max“-szene quasi als Streit ums wertvolle Benzin oder einfach nur so geben können. Schade, hier wurde einiges verschenkt. Wer dennoch einen großen Bedarf an einem immerhin authentisc­h gefilmten Untoten-thriller hat, bekommt hiermit ein durchschni­ttliches Gattungsex­emplar.

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 ??  ?? Anne freundet sich mit dem Eingeboren­enmädchen Ka’kwet an
Anne freundet sich mit dem Eingeboren­enmädchen Ka’kwet an
 ??  ?? Matthew (R.H. Thomson) steht dieses Mal zwischen den Streithähn­en Anne und Ziehmutter Marilla
Matthew (R.H. Thomson) steht dieses Mal zwischen den Streithähn­en Anne und Ziehmutter Marilla
 ??  ?? Die Zombies in „Infection“sind wie in „28 Days Later“von der schnellen Sorte. Sie reagieren empfindlic­h auf Geräusche, was sich als Ablenkungs­manöver nutzen lässt, aber auch zum Verhängnis werden kann
Die Zombies in „Infection“sind wie in „28 Days Later“von der schnellen Sorte. Sie reagieren empfindlic­h auf Geräusche, was sich als Ablenkungs­manöver nutzen lässt, aber auch zum Verhängnis werden kann
 ??  ?? Adam ist Arzt mitten in der Provinz, als die Seuche die Bewohner befällt
Adam ist Arzt mitten in der Provinz, als die Seuche die Bewohner befällt
 ??  ?? Kurz nachdem der Virus ausbricht, lässt die Regierung auf alle Infizierte­n das Feuer eröffnen
Kurz nachdem der Virus ausbricht, lässt die Regierung auf alle Infizierte­n das Feuer eröffnen

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