Assassins – Brudermord in Kuala Lumpur
Politische Kritik an Nordkorea ist auch im Filmgeschäft meist ein brenzliger Fall. Da wundert es kaum, dass Ryan Whites Dokumentation über die Ermordung Kim Jong-nams für lange Zeit keinen Vertrieb finden konnte. Es ist aber nicht nur die politische Brisanz, die diesen Fall zu einem der ungewöhnlichsten Verbrechen werden ließ. Flughäfen in aller Welt gehören zu den am strengsten gesicherten, überwachten und kontrollierten Einrichtungen des öffentlichen Lebens. Schwer zu glauben, dass an so einem Ort ein Mord am helllichten Tag stattfinden konnte. Besonders dann, wenn das Opfer der ältere Bruder des nordkoreanischen Staatsoberhauptes und erster Sohn des verstorbenen Kim Jong-il ist. Doch genau so trug es sich am 13. Februar 2017 am „Kuala Lumpur International Airport“in Malaysia zu. Und weil Flughäfen eben auch voll mit Überwachungskameras sind, ist das Geschehen mehr als deutlich dokumentiert. Bereits in den ersten Minuten scheint der Fall klar zu sein. Zwei Frauen vergiften ihr Opfer per Berührung mit dem gefährlichen „Vx“-nervengift. Anschließend begeben sie sich auf die Toilette und lassen die Beweise verschwinden. Nachdem das getan ist, spazieren sie gemütlich durch den Haupteingang nach draußen. Als wäre es ein Tag wie jeder andere. Alle Indizien deuten auf eiskalten Mord. Aber „Assassins“wäre eben keine gute „True Crime“dokumentation, wenn nicht noch viel mehr dahinter stecken würde.
Zwei auf einen Streich
Die beiden Frauen werden kurze Zeit später inhaftiert und erwarten ihre Gerichtsverhandlung. Die Aussicht lautet Todesstrafe durch Erhängen.
Es gibt kaum etwas, das diesen Ausgang abwenden könnte. Dennoch scheint hier etwas nicht ganz zu passen. Sind die Frauen, wie sie sagen, wirklich auf einen makaberen Streich hereingefallen? In groben Schritten folgt der Film dem Verlauf der Verhandlungen. Im Mittelpunkt stehen neben Opfer und mutmaßlichen Tätern vor allem ein Journalist und die Anwälte, die auf ihre Art an dem Tathergang zweifeln und das beweisen wollen. White bewegt sich komfortabel im populären „True Crime“-genre und fokussiert sich so oft es geht auf den vorliegenden Fall. Die äußeren Umstände und Zusammenhänge werden dennoch ausreichend thematisiert. Das betrifft besonders die Familienverhältnisse der nordkoreanischen Regierungsfamilie. Der politische Druck ist auch während der Verhandlungen spürbar. So erscheinen die vier Hauptverdächtigen erst gar nicht vor Gericht. Sie wurden zuvor in einer Art Geiselaustausch aus dem Land und zurück nach Nordkorea geholt. Die mögliche Verbindung zwischen dem Attentat und Kim Jong-un ist schwer zu ignorieren und beinahe unmöglich zu beweisen. Dass der Regisseur sie dennoch anspricht, sollte man nicht unterschätzen. Schwer zu vergessen ist Seth Rogens „The Interview“, das 2014 zu politischem Druck seitens Nordkorea auf die USA und „Sony Pictures“führte. Dem folgten ernst zu nehmende Drohungen gegen alle teilnehmenden Kinos sowie ein massiver Hackerangriff auf Sony. Derlei Folgen bleiben „Assassins“bisher glücklicherweise erspart. Sicher bringt die Dokumentation auch nicht den gleichen Medienwirbel mit sich wie die Rogen-franco-komödie. Es hilft aber auch, dass alle vorliegenden Informationen sowieso Teil der öffentlichen Berichterstattung sind. Ryan White gelingt es, diesen viel zu unbekannten Fall mehr ins Licht zu rücken und alle Informationen auf spannende und übersichtliche Art aufzuarbeiten. Zwar lenkt er das Denken des Zuschauers in eine klare Richtung, macht das aber weder manipulativ noch politisch indoktrinierend. Er lässt die Indizien für sich sprechen und die haben einiges zu sagen. Beim Zuschauen wird man vom eigenen Umdenken überrascht sein, bis man schließlich mitfiebert. Außer vielleicht, man hat die Nachrichten aus Malaysia schon 2017 mitverfolgt.