Die kleine Horror-schule: Satanic Panic
Viele Horrorfilme, sogar die ersten Versuche von Film-urgestein Georges Méliès, besitzen eine markante Gemeinsamkeit: Den Teufel. „Satanic Panic“ist hierbei mehr als nur geflügeltes Wort, denn es beschreibt eine real existierende Form von moralischer Massenhysterie, wie sie vor allem in den USA der 1970er und 1980er aufgetreten war.
Der Teufel war schon immer in gewisser Weise Bestandteil der Kunst und da macht auch die Filmkunst keinerlei Ausnahme, führt sie doch womöglich zu einem noch spielerischeren Ansatz, denn der Gehörnte ist hier nicht als mahnendes Symbol inszeniert, sondern oft als eine Art kreativer Antagonist, vor dem es kein Entkommen gibt. Gerade für das Horrorkino ist dies ein wichtiges Mittel, denn die übernatürliche Bedrohung und die Ausweglosigkeit ist ein entscheidender Faktor für das Genre und findet im Teufel eine spannende Steigerung.
Denkt man im Horrorkino an den Teufel, so sind es vor allem Filme wie „Der Exorzist“(1973 von William Friedkin) oder auch „Das Omen“(1976 von Richard Donner), die einem in den Sinn kommen. Doch tatsächlich geht die teuflische Reise bereits viel früher los: 1922 wurde der schwedische Film „Hexen“von Benjamin Christensen veröffentlicht, der nicht nur auf Hexerei und den Teufel eingeht, sondern dabei eine spannende Melange aus Dokumentarfilm (was zu dieser Zeit durchweg innovativ war) und Spannungsfilm bot. Zu seiner Zeit war dies ein absoluter Skandalfilm, da er nicht nur laszive Hexenriten zeigte, sondern auch gewalttätige Handlungen abbildete, die in den 1920er Jahren entgegen aller Sehgewohnheiten waren. Aus dem eigentlich als Lehrfilm gedachten Werk wurde ein Aufschrei der katholischen Kirche in verschiedenen europäischen Ländern und schließlich erfolgte auch in Deutschland 1924 das Aufführungsverbot. Zwei Jahre später veröffentlichte Friedrich Willhelm Murnau seinen Film „Faust – eine deutsche Volkssage“, in dem selbstverständlich auch die Teufelsfigur des Mephistopheles präsent war. Murnau orientierte sich mehr an der ursprünglichen Faust-sage und ging weniger auf die Adaption von Goethe ein, was ihm seinerzeit viel Kritik einbrachte – die Filmkenner gestehen dem Werk von Murnau heutzutage jedoch mehr Eigenständigkeit zu, was auch berechtigt ist. Der Teufel tritt hier allerdings, wie es die Sage vorgibt, als Verführer, Schmeichler und Schalk auf und gibt dem ansonsten oft dämonisch geprägten Bild vom Teufel eine Facette, die auch im Film späterer Epochen häufiger zu sehen ist.
Verführer, Vater, Vigilant
Eine offene optische Darstellung des Teufels war allerdings tatsächlich recht selten und oft wurde der Teufel oder „Satan“auch nur als Begriff verwendet, um gewissermaßen eine Schockwirkung zu entfachen wie etwa bei Roger Cormans „The Masque Of The Red Death“(1964), welcher in Deutschland unter dem reißerischen Titel „Satanas – Das Schloss der blutigen Bestie“vertrieben wurde. Mit dem Teufel hat der Film als solches nur indirekt zu tun, da Hauptdarsteller Vincent Price hier in seiner Rolle als Prinz Prospero einen Satanisten spielt, der quasi im Auftrag des dunklen Herrschers der Hölle agiert – ansonsten hält sich der Film recht gut an die Vorlage von Edgar Allen Poe. Vier Jahre später wurde der Teufelskult cineastisch nahezu perfektioniert: 1968 brachten die Hammer Studios in England unter der Regie von Terence Fisher „The Devil Rides Out“, unter dem deutschen Titel „Die Braut des Teufels“, in die Kinos, was bereits ein unglaublich dichter, satanisch durchströmter Gruselfilm war. Und dazu brachte Roman Polanski sein frühes Meisterwerk „Rosemary’s Baby“in die Kinos und löste damit eine frühe Variante der bereits angesprochenen „Satanic Panic“in Amerika aus. Worum geht es in „Rosemary’s Baby“? Zunächst um das Idealbild einer amerikanischen Familie
in der Großstadt. Neu eingezogen in einen modernen Häuserblock fehlt es Rosemary und Guy Woodhouse erst einmal an nichts – nur ein Kind könnte das junge Paar noch vollends glücklich machen. Das amerikanische Idealbild einer Familie der 1950er und 1960er Jahre wird vervollständigt mit der Schwangerschaft Rosemarys – doch ist nicht Guy der Vater, sondern der Teufel höchstselbst. Schnell wurden die Stimmen laut, die in Polanskis Werk und vor allem in seinem Ende eine Proklamation des Satanismus sahen. Man bedenke, dass die „Church Of Satan“von Anton Lavey erst ein paar Jahre zuvor gegründet wurde und dies machte vielen Amerikanern Angst. Ein Jahr nach „Rosemary’s Baby“verübte die Manson-familie eine Reihe Morde, die in der Öffentlichkeit durch undurchsichtige Aussagen seitens Charles Manson und seiner Anhänger in die Nähe des Satanismus gerückt wurden. Motive des Horrorfilms schienen plötzlich bittere Realität zu werden. Unter den Opfern der Mansonfamilie befand sich auch die schwangere Sharon Tate, Roman Polanskis Ehefrau. Und lediglich vier Jahre nach dem Tate-mord wurde einer der bösartigsten und kontroversesten Filme der gesamten Kinogeschichte auf die Leinwände gebracht.
Okkultismus-kino der 1970er Jahre
Im Jahr 1971 schrieb William Blatty die Vorlage, zwei Jahre später erfolgte die Kinopremiere: „Der
Exorzist“revolutionierte das Horrorkino auf seine eigene extreme Art und Weise. Die Reaktionen auf den Film waren ebenso extrem: Verschiedene, vor allem kirchliche Organisationen verachteten das Werk und riefen zum Boykott auf. Die Presse überschlug sich aufgrund der Tatsache, dass die Hauptdarstellerin, die damals 14 Jahre junge Linda Blair, ein vom Teufel besessenes Kind spielte und sich derart obszön verhält, dass kein verantwortungsbewusster Mensch dies gutheißen könne. Während der Kinovorstellungen kippten reihenweise Besucher um und mussten außerhalb der Kinosäle behandelt werden, im Durchschnitt verließen zehn Prozent der Zuschauer pro Vorstellung frühzeitig die Kinosäle – und dennoch schaffte es „Der Exorzist“, einer der besten Horrorfilme und auch genreunabhängig zu einem der besten Filme überhaupt zu werden. Die vielschichtige Dramaturgie, die glaubwürdigen Charaktere und die allgegenwärtige Präsenz des Dämonischen – des Teufels – machen den Film einzigartig. Bei der Oscar-verleihung 1974 war er in zehn Kategorien nominiert, bekam die Auszeichnung für das beste Drehbuch und den besten Ton und sahnte auch international diverse Preise ab. Und trotz all der verschiedenen Reaktionen auf den Film zeigt er in nahezu medizinischer Genauigkeit die Besessenheit eines jungen Mädchens durch den Teufel – hier, genauer gesagt, durch den Dämonen Pazuzu.
„Der Exorzist“war quasi der Funken, der die bereits brodelnde Masse aus Okkultismus und der Faszination für das Satanisch-teuflische zum Explodieren brachte, denn in den späten 1960er und vor allem 1970er Jahren war das Kinozeitalter des Teufels. Drei Jahre nach „Der Exorzist“folgte Richard Donner mit „Das Omen“, das ein ebenso teuflisches Motiv mit sich brachte. Auch wenn der Film nicht an das Niveau seines motivischen Vorgängers heran reichen konnte, war die Geschichte um den Sohn des Teufels, der von einem Diplomatenpaar aufgezogen wurde, ebenfalls sehenswert. Gerade Gregory Peck, der auf der einen Seite als Botschafter Robert Thorn selbst für die Wahl des Ziehsohns verantwortlich war, auf der anderen Seite als energischer Bekämpfer des Antichristen in Erscheinung tritt, macht in dem Film eine gute Figur und wertet ihn dadurch gehörig auf. Auch hier gab es einen Oscar, denn Jerry Goldsmith erhielt die begehrte Trophäe für die beste Filmmusik. Das Musikstück „Ave Satani“, das als Titelstück und auch immer wieder auftretendes Thema im Film zu hören ist, gleicht quasi einer musikalischen Verneigung vor dem Gehörnten und hatte einen großen Anteil an der Atmosphäre, die den Film so furchteinflößend machte. Auch die ersten Filmplakate, die dem Publikum im Rahmen von Testvorführungen gezeigt wurden, riefen großen Schrecken hervor – die „Satanic Panic“in den USA und
auch in Europa zeigte langsam ihre Wirkung, denn mittlerweile war kaum ein Thema so erschreckend und gleichzeitig faszinierend wie der Teufel. 1977 wurde schließlich „Der Exorzist II – Der Ketzer“unter der Regie von John Boorman in die Kinos gebracht. Allerdings konnte der Film an den ersten Teil nicht anschließen – weder inhaltlich noch finanziell war er eine würdige Fortsetzung. „Das Omen“erlangte ebenso mehrere Fortsetzungen, die zwar die Geschichte um den Antichrist Damien weiter spinnen, allerdings auch hier nicht an die Intensität und den Erfolg des ersten Teils anknüpfen konnten. Erwähnenswert ist hier jedoch der dritte Teil „Barbara’s Baby – Omen III“, bei dem der damals noch junge Schauspieler Sam Neill die Rolle des erwachsenen Damien Thorn übernimmt und den Film tatsächlich etwas besser macht, als das schwache Drehbuch eigentlich erlaubt. Gerade die Monologe von Damien, die er anklagend gegenüber dem „Nazarener“, dem Sohn Gottes, hält, sind sehenswert. Bei „Der Exorzist III“(1990) verlief es deutlich besser als bei anderen Nachfolgern, was aber vermutlich daran lag, dass „Exorzist“autor William Blatty seine eigene Roman-fortsetzung verfilmte, was dem Ganzen mehr Dichte und gelungene Horror-szenen verlieh. Der Teufel wurde allerdings weiter ausgeklammert.
Moderne Teufelei
In den weiteren Jahren war der Teufel als Antagonist oder auch als Motiv weiterhin im Horrorkino präsent und ist bis heute nicht weg zu denken. Vor allem in den 1990er Jahren kam er wieder in Mode und mit dem schneller werdenden Effekt-kino des Jahrzehnts wurde auch der Ziegenfuß lebhafter. In Taylor Hackfords „Im Auftrag des Teufels“(1997) verkörpert Al Pacino eine verspielte, sexuell aufgeladene und extrem eloquente Variante Satans und versucht, seinen Filmpartner Keanu Reeves in sein Reich aus Korruption, Gier und Macht zu locken. Mit wesentlich mehr Action und deutlich weniger Eloquenz geht Arnold Schwarzenegger 1999 unter der Regie von Peter Hyams in „End Of Days – Nacht ohne Morgen“gegen den Höllenfürsten vor. Der Film glänzt mit typischer Arnie-action und kombiniert diese mit diversen okkulten Horror-elementen, was sogar ganz gut gelingt. Kurzweilige Unterhaltung für einen Abend ist auf jeden Fall gegeben, auch wenn die Story um den Teufel am Ende doch zu platt wirkt. Einige Jahre später sorgte „Der Exorzismus von Emily Rose” (2005, R: Scott Derrickson) für einigen Wirbel, rühmt sich der Film doch damit, auf einem wahren Fall zu beruhen. In Grundzügen wird hier tatsächlich die Leidensgeschichte der deutschen Studentin Anneliese Michel gezeigt, die 1976 verstarb, nachdem sie mehr als 60 Exorzismen über sich ergehen lassen musste. Der Fall erregte seiner Zeit massive Aufmerksamkeit und wird in „Emiliy Rose“gewissermaßen amerikanisiert und mit diversen Horroreffekten angereichert. Mit der tatsächlichen Lebensgeschichte der deutschen Studentin Anneliese Michel hat der Film allerdings nicht viel gemeinsam. Das Spiel mit dem Exorzismus ist auch in Filmen wie „The Rite – Das Ritual“(2011, R: Mikael Håfström) präsent und die dort vorhandenen dämonischen Mächte werden als Inkarnation des Teufels inszeniert. Der Teufel ist also in vielen Filmen eine Macht, die es zu bekämpfen gilt und gerade das Horrorgenre nutzt hierfür gerne den katholischen Brauch des Exorzismus, um dies bildgewaltig darzustellen. Besonders erwähnenswert ist an dieser Stelle vielleicht auch Roman Polanskis „Die Neun Pforten“(1999), in dem Johnny Depp als Bücher-detektiv einem Buch auf der Spur ist, das vom Teufel persönlich geschrieben wurde. Zwar bedient sich der Film nur rudimentär an verschiedenen Genre-elementen, trotzdem ist der Teufel auch hier, gerade durch seine Abwesenheit, besonders präsent. Eine besonders unterhaltsame Interpretation des Satans ist auch Peter Stormare in „Constantine” (2005, R: Francis Lawrence) gelungen, der gerade die spielerische Seite des „gefallenen Engels” gut präsentiert. Von Panik ist hier keine Spur zu sehen, eher ein schelmisches Grinsen und ein gehobener Coolness-faktor sind die Signatur von Stormares Luzifer-spiel, ähnlich wie in Neil Gaimans als Serie verfilmte „Lucifer“darstellung, die sogar Sympathien hervorruft.
Panic?
Der Teufel gehört von Beginn an zum Horrorkino und ist, gleich einem diabolischen Pakt, auf ewig mit diesem verbunden. Auch wenn sich in der Gegenwart gewisse Ansichten und Erkenntnisse geändert haben, so sind böse Satanisten und die Besessenheit durch den Teufel immer noch beliebte Motive – auch wenn die Realität oft gänzlich anders gestaltet ist. Der Teufel bietet jedoch gerade im Horrorkino eine unglaublich facettenreiche Varianz an Bildern und Darstellungsmöglichkeiten, wie ganz aktuell die erfolgreich fortgeführte „Conjuring“-reihe beweist, mit der sich der folgende Beitrag befassen wird.