UNIT 42 STAFFEL 2
Wäre die Antwort auf alles 42, dann hätte Brüssels Sondereinheit für Cyberkriminalität eigentlich nur noch die Aufgabe, die richtigen Fragen zu stellen. So in etwa: Was macht man, wenn in einem Live-feed gerade jemand Unbekanntes im Sterben liegt? Wie geh
Die belgische Krimi-serie ist eines dieser Juwelen, die ein Krimi-fan meist nur durch Zufall entdeckt und sich fragt, weshalb sie nicht bekannter ist? Das Krimi-genre ist jetzt natürlich nicht gerade ein Bereich, der im deutschen Fernsehen unterrepräsentiert ist. Und „Unit 42“wirkt nun mal auf den ersten Blick wie ein typischer Artgenosse von „Die Brücke“, „Wilsberg“, „Tatort“und Co. Wer sich beeilt, kann die Episoden sogar noch bis 22. August in der Zdf-mediathek streamen. Mit seinem enorm sympathischen Ermittlerteam, die natürlich auch privat ihr Päckchen zu schleppen haben, besitzt es einige der besten Zutaten der genannten Kultserien, unterscheidet sich inhaltlich aber enorm. Alle Fälle haben nämlich einen direkten Bezug zur Onlinewelt. Beispielsweise verschwinden eine bekannte „Blog-mum“und ihre elfjährige Tochter spurlos, nachdem sie für eine Haustier-aktion in ihrem kommerziellen Blog bei einem unbekannten User Wellensittiche fotografieren wollte. Zugleich taucht das Foto der Kleinen in einem „Pädophilen-tauschkatalog“im Darknet auf. Unabhängig vom laufenden Fall fragt man sich automatisch: Wie legal ist eigentlich die enorme Einbindung ihrer minderjährigen Tochter in ihre Blogger-tätigkeit? Oder es kommt während eines anonymen Cybersex-dates mit online verbundenen „Hilfsmitteln“und Webkameras zu einem brutalen Coitus Interruptus. Während die eine Sex-partnerin verblutend vor dem Laptop liegt, sendet der andere panisch den Link des Live-feeds an die Polizei. Nun zählt jede Sekunde.
Mord und Datenmissbrauch
Bei den Mitgliedern der Unit 42 hat sich seit dem Ende der ersten Staffel nicht viel getan. Sam Leroy (Patrick Ridremont) leitet immer noch das Team, Bob Franck (Tom Audenaert) ist immer noch für die meist schmutzige Indizienbeschaffung zuständig und der gute Nassim Khaoulani (Roda Fawaz) darf sich nun ganz allein in fremde Systeme hacken. Wie jetzt? Darf Profihackerin Billie Vebber (Constance Gay) wirklich nicht mehr mitspielen, nur weil sie zuletzt illegal Informationen beschafft hat, um ihrem Freund aus der Patsche zu helfen? Wenn es nach Sam geht, soll sie für den Rest ihres Lebens in der Abteilung „Netzpatrouille“versauern. Dass sie sich derweil über die internen Sicherheitskameras auf den neuesten Stand hält und in brenzligen Situationen auch mal Nassim heimlich zur Hilfe eilt, darf lediglich der Teamleiter nicht mitbekommen. Wollen wir hoffen, dass sich die Fronten im Laufe der Staffel klären werden, damit sich die vier auf die anstehenden, haarsträubenden Fälle konzentrieren können. Die taubstumme Gerichtsmedizinerin Alice Meerks (Danitza Athanassiadis) ist ebenfalls wieder mit von der Partie. Zwischen Ihr und Sam hatte es in der Vorstaffel mächtig gefunkt. Das scheint nun aber wieder erkaltet zu sein. Was da wohl passiert ist? Zusammenarbeiten können die beiden professionellen Beamten allerdings weiterhin sehr gut. Für Sam ist es alleinerziehender Vater immer noch sehr schwer. Dass seine pubertäre Tochter Emmy (Nola Tilman) inzwischen Frauenarzttermine und Aufklärungsgespräche zur Pille wahrnimmt, geht dem alten Herrn doch etwas zu schnell. Zudem ignoriert er erneut die allgemin bekannte Warnung, Arbeit und Privatleben besser zu trennen, als er ein Tete-a-tete mit einer alten Bekannten aus der Vorstaffel eingeht. Und das könnte ihn so richtig in die Bredouille reiten. Billies geheimes Programmierprojekt mit ihrem Freund Antoine (Michaël Erpelding) läuft aus dem Ruder, als ihr zwielichtiges Domizil plötzlich von ihrer alten Hacker-clique in Beschlag genommen wird, die das „Projekt“erweitern will. Was anfänglich noch wie eine lustige Guerilla-aktion klingt, artet zu großflächiger Selbstjustiz aus. Da erscheinen Bobs und Nassims private Probleme schon kleiner, da der eine unter der Schwangerschaft seiner Frau leidet (was muss da erst die Frau durchmachen) und der andere seinen konservativen Eltern noch nichts von seiner Homosexualität erzählt hat, während sein Partner schon seit langem die Schwiegereltern kennenlernen möchte.
Durchzockte Nächte
Was die Serie so ungemein gut macht, ist einerseits die Aktualität der behandelten Themen, die natürlich auch ein wenig Aufklärungsarbeit leistet, welche gruseligen Verbrechen online so alles möglich sind. Andererseits sind die Westen der Protagonisten nie blütenweiß, da sie auch nur Menschen sind und den Tätern im Netz im Ansatz ähnlich sein müssen, um diese überhaupt erwischen zu können. Drama und Humor sind darüber hinaus sehr gut dosiert und stehen der enormen Spannung und der Glaubwürdigkeit der Show nicht im Wege. Die Darstellerleistungen sind herausragend, besonders was die beiden Gesichter der Serie Constance Gay und Patrick Ridremont angeht, die das gegensätzliche Dreamteam der ehemaligen Rebellin und des ehemaligen Gutmanns einander ergänzend spielen, so würde sich ihre berufliche und freundschaftliche Partnerschaft wie Schrödingers Katze in einem permanenten Zwischenzustand der Existenz und Nicht-existenz befinden. Staffel zwei forciert dieses Gefühl noch weiter, womit sich das Duo auch stärker von den gefühlt unendlichen Massen anderer Krimi-duos abhebt. Vertrauen sie einander oder sind sie Gegenspieler? 42! Das Nerd-tum hat sich die Serie übrigens bewahrt. Freilich wird es nur in homöopathischen Dosen verwendet, aber es hilft, sich besser in die Charaktere hineinzuversetzen.