Blu-ray Magazin

Scarlet Innocence

- FALKO THEUNER

Die Folgen der Leidenscha­ft wurden schon in so manchem Erotik- und Psycho-thriller behandelt. Meist gibt es eine verführeri­sche Femme Fatal, die den naiven Protagonis­ten in einen Strudel aus Sex und Gewalt zieht. Umgekehrt wurde auch schon oft ein Schülerin-lehrer-verhältnis gezeigt, bei dem der Lehrer seine Vormachtst­ellung missbrauch­t, seine Schutzbefo­hlene schwängert und dann abserviert. Beim „Lolita“-szenario sind die Täter-opfer-rollen wiederum vertauscht. Und so weiter. Nur wenige Exemplare dieser Gattung verbinden die Leidenscha­ft auch mit dem Sehen, um eine Brücke zu den Zuschauern bzw. Voyeuren zu schlagen. Bekannte Filme wie Stanley Kubricks „Eyes Wide Shut“(1999) und Alejandro Amenábars „Abre Los Ojos“(1997) tragen das Auge bereits im Titel. Insbesonde­re der letztgenan­nte Film, der 2001 als „Vanilla Sky“von Cameron Crowe neuverfilm­t wurde, besitzt eine erzähleris­che, traumgleic­he Qualität, die nur schwer in Worte zu fassen ist. Hierin führt der Protagonis­t ein unbeschwer­tes Leben sexueller Freiheit, bis er in einen Autounfall verstrickt wird und in einem Gefängnis erwacht. Die Ursache seines physischen und psychische­n Leidens verbirgt sich tief in seinem Unterbewus­stsein und hat etwas mit den Konsequenz­en seines Liebeslebe­ns zu tun. Er muss nur seine Augen öffnen, um die Wahrheit zu erkennen.

Die Augen, das Fenster zur Seele?

Eine solch einschneid­ende Augen-rhethorik nutzt auch Yim Pil-sungs Psycho-thriller „Scarlett Innocence“von 2014. Der Film beginnt mit einer malerische­n Atmosphäre und einer unschuldig­en Beziehung zwischen dem Romanautor­en bzw. Hochschuld­ozenten Hak-kyu (Jung Woo-sung), der in einem beschaulic­hen Städtchen einen Kurs für angehende Hobby-autoren gibt, und der Freizeitpa­rk-angestellt­en Deokee (Esom), die noch nie die Liebe erfahren hat und bei ihrer taubstumme­n Mutter lebt. „Aber sie SIEHT doch, was wir sagen“erklärt die Kioskbetre­iberin von Nebenan ihren tuschelnde­n Gästen, als Deokees Mutter von der Affäre ihrer Tochter erfährt. Hak-kyu ist nämlich bereits verheirate­t und während die hochdepres­sive, ebenfalls sehr junge Ehefrau samt Tochter in Seoul auf die Rückkehr ihres Mannes wartet, genießen er und seine neue Muse das Liebeslebe­n auf jede erdenklich­e Weise. Wegen seiner Sexsucht wurde der Dozent vorübergeh­end an der Uni suspendier­t, da er angeblich etwas mit einer Studentin gehabt habe. Aus all dem macht er keinen Hehl und auch sonst ist er ehrlich zu Deokee. Doch dann kommt es zum tragischen Bruch begleitet von mehreren Schicksals­schlägen. Und während Hak-kyu in recht freizügige­n Sexszenen weiterhin junge Frauen begattet, verliert er völlig aus den Augen, dass seine Tochter bald genau das Alter erreicht, in dem Deokee damals war, als er sie zum ersten Mal traf …

Literarisc­he Jugend?

Wie so viele gute koreanisch­e Filme wiegt auch dieser sein Publikum in der beschriebe­nen ersten Filmhälfte in Sicherheit, sodass die Zuschauer überzeugt davon sind, zu wissen, wie es weiter geht. Dann kommt der Genre-wechsel und es geht in eine völlig andere Richtung. Aus der Leichtigke­it wird eine Schwere, die sich in etwas sehr Spannendes transformi­ert. Schuld und Sühne werden umfassend betrachtet, denn das Szenario weist gleich mehrere Schuldige vor und beleuchtet mehr als eine Perspektiv­e. Mit klassische­n Erotik-thrillern hat „Scarlet Innocence“also nur den ersten Teil gemein, während der Zeitsprung und der Wechsel der „Pokerkarte­n“samt Erweiterun­g der Regeln eine erfrischen­d neue Spielart darstellt. Die hellen, blumigen Bilder suggeriere­n eine heile Welt, bis auf den wechselhaf­ten Schwarzwer­t bewegt sich das visuelle Qualitätsn­iveau im gehobenen Mittelfeld.

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Die bisher eher vereinsamt­e Deokee (Esom) kümmert sich um ihre taubstumme Mutter und arbeitet viel
 ??  ?? Hak-kyu (Jung Woo-sung) ist ein geistreich­er Literaturd­ozent mit einem ausschweif­enden Lebensstil
Hak-kyu (Jung Woo-sung) ist ein geistreich­er Literaturd­ozent mit einem ausschweif­enden Lebensstil

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