Come Play
Der kleine Oliver (Azhy Robertson) hat das Autismus-spektrum-syndrom, welches eine eminente Entwicklungsstörung darstellt. Diese Krankheit äußert sich in einem reduzierten Interesse an sozialen Kontakten und kann auch die Sprachentwicklung beeinflussen. Oliver hat einen schweren Verlauf erwischt. Kein Wort kommt über die Lippen des Jungen, nur ermattendes Keuchen und Stöhnen. Oliver beschäftigt sich lieber mit seinem Smartphone und Tablet als mit seinen Schulkameraden und Eltern. Eines Tages erscheint eine App auf seinem Handy, die eine gruselige kleine Kindergeschichte enthält. In der Geschichte „Missverstandene Monster“geht es um die Kreatur Larry, die verzweifelt einen Freund sucht. Mit jeder Seite, die Oliver umblättert (oder eher wiped/wischt), kommt Larry einen Schritt weiter in unsere Welt, um seinen neuen Freund abzuholen.
Autor und Regisseur Jacob Chase kreierte „Come Play“nach seinem Kurzfilm „Larry“aus dem Jahr 2017. Man merkt die Liebe für sein Projekt, da
Chase sehr schnell auf den Punkt kommt und unnötiger Ballast erst gar nicht die Handlung beschweren lässt. Doch was ist jetzt das Besondere an „Come Play“? Wieder haben wir ein sozial distanziertes Kind, schon wieder eine schwierige Eltern-kind-beziehung und schon wieder eine Kreatur, die eine Familie durch ihre eigene Wohnanlage jagt. Der Teufel liegt hier im Detail. Jacob Chase wollte einen möglichst authentischen Monsterfilm drehen. Da seine Frau beruflich mit Kindern zu tun hat, die auch das Autismus-spektrum-syndrom aufweisen, hat Chase den Charakter Oliver aus diesen Erfahrungen geformt. Auch der junge Darsteller Azhy Robertson macht seine Sache richtig gut. Leider ist das Krankheitsbild des Jungen nur in der Einführung von Relevanz. Im späteren Verlauf der Handlung, wird sein Zustand zunehmend obsolet. Der Geschichte würde es an nichts fehlen, wenn Oliver ein gesunder, wenn auch einsamer Junge wäre. Denn nach der ersten halben Stunde wird klar, wer hier der wirkliche Star im Film ist: Larry!
Larry lässt das Spuken nicht
So sehr der Film am Anfang auf das Krankheitsbild von Oliver und die schwierige Beziehung mit seiner Mutter aufbaut, so sehr konzentriert er sich die restliche Stunde über auf das Monster und wie es die Familie terrorisiert – allerdings im Stile von „Alien“(1979). Zuerst sieht man nur Teile der grässlichen Kreatur, bevor man sie im dritten Akt in ihrer vollständigen, schaurigen „Schönheit“bewundern kann. Wenig ist hier auf jeden Fall mehr. Auch gibt es angenehmer Weise keinen hohen Bodycount. Es wird sich voll auf die Familie konzentriert. Die Kreatur mit dem banalen Namen Larry wurde, nach eigenen Aussagen des Monsters, aus der Medialisierung geboren. Da die Menschen heutzutage mehr mit Bildschirmen interagieren als untereinander, ist das missverstandene und einsame Monster entstanden und hält sich seitdem versteckt hinter allerlei Bildschirmen von Fernsehern, Smartphones und Tablets auf, immer auf der Suche nach einer weiteren einsamen Seele. Doch ist diese Aussage, die der Film vorgibt, mehr eine Predigt als etwas Bewiesenes. Bildschirmmedien oder Medien allgemein (man denke an die angebliche Lesesucht im 19. Jahrhundert) gibt es schon ziemlich lange. Menschen, die sich der Gesellschaft nicht zugehörig fühlen, nutzen Medien in einem größeren Maße als andere. Auch, dass Larry sich in der Menschenwelt über Glühbirnen fortbewegt, ergibt wenig Sinn. Hier soll in der realen Welt gezeigt werden, dass die Gefahr in Form des Ungeheuers in der Nähe ist. Denn der gute Larry wird nur über einen Kamerabildschirm sichtbar. Das gestaltet sich als ein gelungener Kompromiss, um das Monster zu verschleiern. Jedoch sollte es im Film nicht unbedingt erklärt werden.
Im Übrigen ist es kein Wunder, dass Larry keine Freunde hat. Wer die ganze Zeit lautstark herum poltert, kleine Kinder würgt, permanent Glühbirnen zerstört und mit seinen dreckigen Quanten auf dem Bett herum latscht, hat es generell schwer, soziale Kontakte zu knüpfen.