Maurice der Kater
Terry Pratchetts Scheibenweltmärchen „The Amazing Maurice And His Educated Rodents“ist weder der beste noch der beliebteste Roman des britischen Kultautoren. Und doch gewann er 2001 die Carnegie Medaille und wurde als Radio-spiel und Musical auf weitere Medien übertragen. In Anbetracht dessen, dass bis auf die Neil-gaiman-kooperation „Good Omens“bislang nur (unter-)durchschnittliche Pratchettverfilmungen existieren, die ausschließlich fürs Fernsehen mit nur geringen Budgets realisiert wurden, lässt auch die deutsch-britische Cgi-animation „Maurice der Kater“kaum auf eine gelungene Adaption hoffen. Schon allein das Design stammt aus dem Standard-baukasten kostengünstiger Animationen und versucht offensichtlich, die „Shrek“-reihe nachzuahmen. Deren jüngste Spin-off-fortsetzung „Der gestiefelte Kater: Der letzte Wunsch“(2022) scheint ohnehin die bessere Pratchett-verfilmung zu sein, atmet sie doch den Geist und den Humor der Scheibenwelt-romane (ohne auf ihnen zu basieren) und scheut sich nicht vor angemessener Düsternis sowie erwachsenen Themen. Kostete dieses Dreamworks-großprojekt rund 90 Mio. Us-dollar, brachte es „Maurice der Kater“trotz mehrerer Filmförderungen auf ein geschätztes Budget von gerade mal 17 Mio. Us-dollar. Was soll man also von dieser kleinen Indie-produktion, die unter der Regie von Toby Genkel („Ooops! Die Arche ist weg…“, „Die Olchis – Willkommen in Schmuddelfing“) entstanden ist, erwarten?
Rattentod vs. Knochenratte
Man darf eine kleine Überraschung erwarten! Trotz der Aufhellung der düsteren Atmosphäre
(der Rattentod bekommt weniger zu tun als im Roman) und anderer Veränderungen bewahrt Genkels Interpretation den Kern des literarischen Werks. Und das liegt nicht zuletzt an Terry Rossios („Shrek“, „Aladdin“, „Fluch der Karibik“) brillantem Drehbuch, das gekonnt die Geschichte ausdünnt, ohne dass man etwas vermisst, und sich zugleich in den richtigen Momenten Zeit lässt, um eine dramatische Situation zu entfalten. Aber auch andere Faktoren machen die Liebe zum Detail deutlich. „Mr. Bunsys Abenteuer“– eine Geschichte in der Geschichte, welche die Kapitel des Buches mit kurzen, tierisch niedlichen Intermezzi einleitet – wurde zum Beispiel als klassischer Zeichentrickfilm im Stile von „Watership Down – Unten am Fluss“(1978) umgesetzt. Und diese spielt sich auf den Märchenbuchseiten ab, die von der Cg-animierten Hand der Erzählerin Malicia weitergeblättert werden. An anderer Stelle tauchen bekannte Scheibenweltcharaktere wie Rincewind, der Zauberer, oder auch Zweiblum, der erste Scheibenwelt-tourist, im Hintergrund auf. Eine Terry-pratchett-büste adelt den Film mit ihrer Anwesenheit, besonders, da sie vom Zähne fletschenden, mit den Augen funkelnden Maurice besetzt wird. Auch wenn
sich die meisten Roman-leser das Szenario visuell als erwachsene Kreuzung aus „Der Rattenfänger von Hameln“und „Mrs. Brisby und das Geheimnis von Nimh“vorgestellt haben dürften, gelingt es dem vorliegenden Kinderfilm, den ein oder anderen unheimlichen Moment ansprechend nachzubilden. Bastian Pastewkas Stimme verleiht dem verschlagenen Kater die Intelligenz und täuschend vertrauenswürdige Milde, die der sympathische Hochstapler braucht, um sowohl den Menschenjungen als auch das Rattenvolk hinters Licht zu führen. Horrorgestalten wie die Rattenfängerkonkurrenz und „Der Boss“liefern ordentlich Grusel, ohne die jüngsten Zuschauer zu traumatisieren.
Ein Überwerk ist die Sky-produktion jetzt zwar nicht, aber in jedem Fall eine gelungene Adaption und ein amüsanter Kinderfilm für Erwachsene. Mediabook-freunde dürfen sich übrigens über eine entsprechende Edition inklusive der DVD und Hintergrundinfos freuen.