Future Boy Conan
Zwar hat sich die Versorgungslage für deutsche Anime-fans über die letzten Jahrzehnte deutlich gebessert, trotz eines reichhaltigen Angebots auf den diversen Streaming-portalen und zahllosen Blu-ray-veröffentlichungen aktueller Titel nagen aber Freunde klassischer Animes am Hungertuch. Anders als in Frankreich oder den USA gibt es in Deutschland offensichtlich keinen Markt für ältere Animes. Chancen auf eine Veröffentlichung dürfen sich nur Titel ausrechnen, die von früheren Tv-ausstrahlungen bekannt sind und für die bereits eine Synchro existiert. Umso größer ist die Freude, dass nun mit „Future Boy Conan“eine Anime-serie ihre deutsche Erstveröffentlichung erhält, für die speziell auch eine brandneue Vertonung in Auftrag gegeben wurde, und deren erste Blu-ray nun vorliegt, auf der sich die primären sieben Episoden befinden. Ganz ohne bekannte Namen kommt aber auch „Future Boy Conan“nicht aus, handelt es sich doch hierbei um eine frühe Regiearbeit von Ghibli-gründer Hayao Miyazaki („Prinzessin Mononoke“). Dessen Handschrift ist auch in dieser 26-teiligen Serie aus dem Jahre 1978 unverkennbar, nimmt sie doch nicht nur Designs, sondern auch Story-ideen späterer Miyazakiklassiker vorweg. Produziert wurde die Serie von Nippon Animation, ein Studio, das für hohen Produktionsaufwand und Verfilmungen westlicher Literaturklassiker bekannt ist (z.b. „Marco“oder „Eine fröhliche Familie“). Miyazaki war auch an mehreren dieser Produktionen beteiligt, weswegen es nicht verwundert, dass „Future Boy Conan“diesen Serien vom Erscheinungsbild ähnelt. Auch hier wurde eine westliche Vorlage adaptiert, nämlich der Jugendroman „The Incredible Tide“
von Alexander Key („Die Jagd zum magischen Berg“). Handlung und Charaktere des Romans wurden großteils übernommen, die deutlichen politischen Verweise beim Setting (Industria ist dort klar nach dem Vorbild der Sowjetunion gestaltet) wurden jedoch getilgt.
Mit Macht, ohne Zauberstein
Die Handlung setzt über ein Jahrzehnt nach dem Ende des Dritten Weltkriegs ein, welcher die Erde in großen Teilen zerstört und überschwemmt zurück ließ. Auf einer kleinen Insel lebt der junge Conan mit seinem Großvater in dem Glauben, die letzten Menschen auf Erden zu sein. Diese Überzeugung muss weichen, als Conan am Strand ein junges Mädchen namens Lana findet und kurz darauf auch noch ein Flugzeug mit bewaffneten Soldaten landet, welche Lana mit Gewalt entführen. Dabei wird der Großvater tödlich verletzt. Conan, der nicht nur bärenstark, sondern auch recht erfinderisch ist, macht sich daraufhin mit einem selbstgebauten Boot auf, Lana zu befreien. Auf der nächsten Insel findet er allerdings erstmal den wilden Jungen Jimsy, der sich der Suche anschließt. Als Schiffsjungen auf dem Segler „Barracuda“gelangen sie nach Industria, der
hochtechnisierten und verschmutzten letzten Metropole der Welt, die von einem skrupellosen Komitee autokratisch regiert wird.
„Future Boy Conan“ist ein unterhaltsames Action-abenteuer, dessen flottes Erzähltempo und hervorragende Zeichnungen und Animation über manch alberne Eskapaden und die recht generische Geschichte hinweg trösten. Tonal vergreift sich der Anime jedoch immer wieder. Obwohl für ein junges Publikum gedacht, werden hier – und durchaus auch von Sympathieträgern – Kinder gefoltert und mit dem Tode bedroht. Die Serie stellt solche Szenen in einem heiteren Tonfall dar, der einen befremdet zurück lässt. Wäre der Endzeit-aspekt der Geschichte dominanter, fiele das nicht auf, aber die Welt ist hier eher bunt anstatt grimmig gestaltet. Trotz erkennbarer Schwächen ist „Future Boy Conan“eine Entdeckung wert, insbesondere für Miyazaki-fans. Es bleibt die Hoffnung, dass weitere Klassikerveröffentlichungen folgen.