Blu-ray Magazin

Inland Empire

- TONY MENZEL

Horror

OT: Inland Empire L: US J: 2006 V: Studiocana­l B: 1.85 : 1 T: DTS-HD MA 5.1 R: David Lynch D: Laura Dern, Justin Theroux, Jeremy Irons LZ: 180 min FSK: 12 W-cover: k. A.

VÖ: 29.06.23 ×3 Extras: 7/10

Viele Regisseure beginnen ihre Karrieren mit einem experiment­ellen Indie-film, werden erfolgreic­h und drehen Mainstream-blockbuste­r. David Lynch begann seine Filmkarrie­re experiment­ell und beendete sie noch experiment­eller. Für „Inland Empire“warf der Surrealist 2006 alle Konvention­en über Bord, nahm sämtliche Zügel selbst in die Hand und erschuf ein dreistündi­ges Puzzle, dessen Lösung er selbst nicht kannte. Das Erste, wovon er sich verabschie­dete, war die Filmkamera. Statt Zelluloid fand er seine neue Liebe, einen niedrig aufgelöste­n Digital-camcorder. Ein Drehbuch gab es nicht, Dialoge wurden Minuten vor Drehbeginn geschriebe­n. Die gesammelte­n Aufnahmen von zwei Jahren sowie Szenen aus seiner Webserie „Rabbits“schnitt er letztendli­ch beim „Final Cut“zu einem semisinnvo­llen Ganzen zusammen. Selbst die Musik steuerte Lynch zu großen Teilen selbst bei. Größtentei­ls selbstfina­nziert, übernahm Lynch später auch die Dvd-veröffentl­ichung des Films.

Kreative Kontrolle und KIS

Für die Neuveröffe­ntlichung arbeitete er mit „Janus Films“an einer Restaurati­on des Bildund Tonmateria­ls. Hierfür wurde das ursprüngli­ch hochgerech­nete Hd-material in SD zurück konvertier­t und anschließe­nd mit einer KI in 4K hochgerech­net. Bedenkt man, dass das Material in SD gefilmt wurde und das auch noch mit einer preiswerte­n Kamera, sieht die Restaurier­ung gar nicht schlecht aus, kann aber natürlich nicht mit anderen 4K-upscales verglichen werden. Die Details geben viel her, vor allem in den heller beleuchtet­en Szenen, Nahaufnahm­en sind scharf, während weiter entfernte Objekte schnell an Details verlieren. Die Camcorder-ästhetik ist beabsichti­gt und trägt zur unheilvoll­en Atmosphäre bei, ist aber anfänglich extrem gewöhnungs­bedürftig. Aber Lynch ist eben Künstler durch und durch. Sein Einsatz von Licht und Schatten, von schneller oder langsamer abgespielt­em Filmmateri­al, seine Kamerafahr­ten und speziell designten Räume laden so sehr zum Staunen ein, dass man das Ganze unabhängig von technische­n Aspekten nur als schön bezeichnen kann. Untermalt wird das mit einzigarti­gen Sounds wie den fast ständig anwesenden „drones“und anderen Effekten sowie immer wieder eingestreu­ten Musiknumme­rn, teils aus seiner eigenen Diskografi­e. Besonders bei der Restaurier­ung des Tons hatte Lynch viel Kontrolle. Die Dialoge im Originalto­n sind nun besser verständli­ch (die deutsche Tonspur war dies bereits und dürfte keine Änderungen erfahren haben).

Viele Extras, leider nicht alle

Die fasziniere­nde Entstehung von „Inland Empire“kann zu Teilen in der Dokumentat­ion „Lynch (One)“begutachte­t werden, die auf der zweiten Blu-ray enthalten ist. Immer wieder wünscht sich der Regisseur, er hätte ein Drehbuch und hinterfrag­t seine Entscheidu­ng, alles zu improvisie­ren. Dann wiederum kann man bezeugen, wie er mit seinem künstleris­chen Auge in kürzester Zeit einen Raum in ein Kunstwerk verwandelt. Mit dabei ist außerdem ein kurzes Interview und 74 Minuten an zusätzlich­en Szenen. Einige Extras aus der „Criterion“-veröffentl­ichung wie „Lynch2“und ein Special mit Laura Dern und Kyle Maclachlan haben es leider nicht zu uns geschafft. Lynchs (bisheriges) Abschlussw­erk ist zwar bei Weitem nicht sein bester Film, doch er wächst mit jeder neuen Sichtung. Auch außerhalb des Kinos hielt sich der Künstler beschäftig­t. Zwei Alben, Kurzfilme und natürlich „Twin Peaks: The Return“füllen das Lynch-portfolio. Seinen täglichen Youtube-wetterchan­nel gab er erst kürzlich nach dem Tod seines langjährig­en Stammkompo­nisten Angelo Badalament­i auf. Gerüchte, er sei an Sets in L.A. gesehen worden, häufen sich derweil. Es bleibt abzuwarten, ob „Inland Empire“tatsächlic­h sein letzter Film gewesen sein soll.

 ?? ??
 ?? ??
 ?? ?? Vor 17 Jahren veröffentl­ichte David Lynch seinen bisher letzten Film. Diese Zeit hat allerdings kaum ausgereich­t, um aus dem dreistündi­gen Kunst-experiment schlau zu werden ... ganz Lynch eben
Vor 17 Jahren veröffentl­ichte David Lynch seinen bisher letzten Film. Diese Zeit hat allerdings kaum ausgereich­t, um aus dem dreistündi­gen Kunst-experiment schlau zu werden ... ganz Lynch eben
 ?? ??
 ?? ?? Nahezu alles an diesem Film ist improvisie­rt, vom Drehbuch über den Set-aufbau usw.
Nahezu alles an diesem Film ist improvisie­rt, vom Drehbuch über den Set-aufbau usw.
 ?? ?? Für „Inland Empire“versammelt­e Lynch Größen wie Laura Dern und Jeremy Irons (im Bild)
Für „Inland Empire“versammelt­e Lynch Größen wie Laura Dern und Jeremy Irons (im Bild)

Newspapers in German

Newspapers from Germany