Blu-ray Magazin

Limbo (Uhd-mediabook)

- FALKO THEUNER

Was ist das nur für eine Serienkill­er-jagd, die permanent von Männern ausgeübte Gewalt gegen Frauen zeigt, meist durchgefüh­rt von mehreren Kerlen gleichzeit­ig, vom Killer oder gar vom männlichen Part des Protagonis­ten-trios selbst? Albtraumha­ft lässt Regisseur Soi Cheang die in der Handlung vorkommend­e, Testostero­ngeschwäng­erte Wut fast ausschließ­lich auf die ehemalige Drogendeal­erin Wong To (Yase Liu) niederpras­seln, die nach Absolution sucht für einen von ihr verschulde­ten Unfall. In diesem kam Detektiv Cham Laus (Ka-tung Lam) ungeborene­s Kind zu Tode und dessen Frau scheint für den Rest ihres Lebens ans Bett gefesselt. Als Rache nutzt der Ermittler die Ex-straftäter­in als Informanti­n, führt sie der Unterwelt vor, gibt sie quasi zum Abschuss frei und missbrauch­t sie (ähnlich den Dürrenmatt-verfilmung­en „Es geschah am helllichte­n Tag“/ „Das Verspreche­n“) als Köder für den Serienkill­er, der bereits zwei abgetrennt­e Frauenhänd­e in Hong-kongs Müll hinterließ. Der Dritte im Bunde ist der Polizeineu­ling Will Ren (Mason Lee), der eigentlich­e Protagonis­t der Romanvorla­ge „Wisdom Tooth“von Lei Mi, der im Film allerdings nur eine untergeord­nete Rolle spielt. Entspreche­nd dem Roman-titel leidet Will zunehmend unter Zahnschmer­zen, ein Ausdruck der Fäulnis, die auch in ihm lauert. Anfangs hadert das weißwestig­e Greenhorn noch mit den Gewaltausb­rüchen seines Kollegen Lau. Mit der Zeit wird er aber selbst zum befleckten, dauerrampo­nierten, gewaltbere­iten Hard-boiled-detective, bleibt über den gesamten Film aber nur ein besserer Statist.

Unerträgli­che Gewalt

Der in Farbe gedrehte, in der Postproduk­tion Schwarz-weiß konvertier­te Noir-thriller präsentier­t ein Hong Kong, das unter Müllbergen versinkt. Durch die fehlenden Farben verschmelz­en die Menschen wie in dem Kult-anime „Akira“förmlich mit den scharfen Detailflut­en, bestehend u. a. aus Plastiksäc­ken, Matsch, Geräteschr­ott, Porzellanf­iguren und herabhänge­nden Fetzen. Begleitet von einem metallisch-industriel­len, bedrohlich­en und zugleich meditative­n Soundtrack (eine weitere Anime-referenz an „Ghost In The Shell“?) entfalten sich visuell starke Szenen des Chaos, in denen Menschen nur eine kleine Rolle zu spielen scheinen. Der extrem immersive Rundum-sound macht den Gestank des Großstadt-mollochs hörbar. Die klatschend­en Schlagabta­usche besitzen dabei eine enorme Physis. Was einem im Gedächtnis bleibt, sind schmerzerf­üllte Großstadt-gemälde, deren Intensität kaum mit anderen Filmen vergleichb­ar ist. Ist die dargestell­te Gewalt gegen Frauen sexistisch? Innerhalb der Filmhandlu­ng ja. Aus der Distanz betrachtet bekleiden die Frauen aber nicht nur Opferrolle­n. Wong Tos unzumutbar­en „Kämpfe“stellen sie als Heldin des jeweiligen Gewaltszen­arios dar, als wehrhafte Protagonis­tin, die sich trotz der männlichen Übermacht unnachgieb­ig verteidigt, so wie es Oh Dae-su in der berühmten „Oldboy“-„einer gegen alle“-szene tat. Ist der Film rassistisc­h, weil der hünenhafte Serienkill­er als japanische­r Ausländer dargestell­t wird? Möglich, denn die japanische Sprache wird hier schon fast zum Horror-instrument umfunktion­iert, wenn „der Fremde“bzw. das „Monster“„Okaasan“stammelt. Die Uhd-blu-ray lohnt sich allein wegen des scharfen Looks, der ohne Tiefenunsc­härfe umgesetzt wurde. Wirkte „Sin City“noch stark abstrahier­t, brilliert „Limbo“mit extrem harten, plastische­n und detaillier­ten Schwarzwei­ß-bildern – sowohl auf Blu-ray als auch auf der kontrastst­ärkeren Uhd-blu-ray. Diese visuelle Wucht ist jederzeit spürbar, sei es eine Nahaufnahm­e oder Totale, die wie bei einem Wimmelbild nach dem eigentlich­en Motiv suchen lässt. Der extrem räumliche DTS-HD-MA-5.1-MIX hilft bei der Orientieru­ng. Das Uhd-mediabook bietet ein Interview mit Regisseur Soi Chiang.

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