Sonne und Beton
Schwilldekohle! Sofod! Orschlagdschbhindert! Vschtehste?!! Wannkrischmeingeld?!!! – OK, Untertitel für Hörbehinderte an! Geldforderung ansonsten Dresche, verstanden. Das wäre vielleicht nicht passiert, wenn Lukas (Levy Rico Arcos) in die Schule gelassen worden wäre. Doch ohne Schülerausweis kommt er nicht rein. Und den hat er verloren. Nach Hause kann er auch nicht, folglich ruft er seinen Kumpel Gino (Rafael Luis Klein-heßling) an, der den trotteligen Julius (Vincent Wiemer) mitbringt, welcher durch „unbedachte Informationsweitergabe“beim versuchten Gras-kauf im Park eine Bandenschlägerei zwischen zwei konkurrierenden Dealern provoziert. Dazwischen die Jungs. Lukas, der bereits viel Prügel einstecken musste, entflieht der Situation panisch, wird aber vom Schläger Hamudi (Derman Eker) in der U-bahn entdeckt. Dieser erzählt ihm eine hanebüchene Geschichte über 200 geklaute Euro, die ihm Lukas jetzt schuldet und in Form von 500 Euro zurück zahlen soll. Morgen, 15 Uhr. Als das Ultimatum verstreicht und der Schüler logischerweise keine 500 Euro aus dem Hut zaubert, gibt es weitere Drohungen, denn der Erpresser und seine „Freunde“besuchen Lukas’ Familie direkt zuhause. Ein Plan muss her! Da schlägt der Klassenneuling Sanchez (Aaron Maldonado-morales) den anderen drei Jungs vor, die gerade erst angeschafften Schul-computer zu entwenden, die den Schülern Edv-unterricht ermöglichen sollen. Und so dreht sich der „Scheißestrudel“immer weiter.
Soziale Hackordnung
Felix Lobrechts Romanvorlage ist deshalb so beliebt, weil er relativ authentisch bleibt und kaum etwas überspitzt. Er arbeitete eigene Erfahrungen seines Schul- und Familienalltags Anfang der 2000er ein und präsentiert eine Milieustudie, die verschiedenste Missstände und Mechanismen offen legt. Das gelingt auch dem Film, den der Mittdreißiger im Vergleich zu seinem Roman sogar als noch gelungener empfindet. Zerrüttete Familien, Wohnen in der Platte, permanent drohende Gewalt auf dem Schulweg, überforderte, machtlose Lehrer, maskuline Primitivität – wie leicht könnte man hier in Klischees verfallen, doch David Wnendts („Er ist wieder da“) Film bleibt wie Lobrechts Drehbuch auf dem Boden der Tatsachen, streut hier mal einen mitfühlenden, Taschentuch-reichenden Obdachlosen ein (die traurige Zukunft Lukas?), dort den ermutigenden Lehrer. Soll Lukas eher dem erfolglosen Vater („Der Klügere gibt nach!“) oder seinem Gangster-bruder („Der Klügere tritt nach!“) folgen? Keine dieser Perspektiven erscheint hoffnungsvoll.
Die im Film gezeigte Schule in Berlin Gropius-stadt lässt sich auf jeden Ort in Deutschland übertragen, an dem es Sozialwohnungen gibt, wo Lehrer in der Kakophonie des Schülergekreischs untergehen und wo der einzige Rückzugsort für Teenager aus zerrüttetem Hause die Clique auf der Straße ist.
Materialismus durch Armut
Dass sich der Film nicht nur als reines Unterhaltungsformat versteht, sondern auch in der realen Welt etwas bewegen will, zeigt bereits die Blu-ray und Dvd-aktion, durch die 50 Cent je verkauften Mediums an „GANGWAY e.v. – Straßensozialarbeit in Berlin“gehen. Aber auch ohne das rüttelt er sein Publikum wach, macht es empathischer und sensibler, ohne den Entertainmentaspekt zu verlieren. Dafür sorgen die direkt aus der Gegend gecasteten Jungdarsteller mit ihrer natürlichen Art. Die Problematik mit der authentischen Sprache wurde zu Beginn des Textes ja schon angedeutet. Ansonsten könnte noch die Bildschärfe besser sein, während die farbliche Tristesse sicherlich gewollt ist. Als Extras gibt es kurze Clips zur Story, zum „Reality Check“, zu den Dreharbeiten sowie zu den Musikvideos.