Silver Rockers
Im Grunde genommen ist das Rezept für eine Feel-good-komödie vor didaktischem Hintergrund extrem einfach: Man nehme eine Gruppe widerspenstiger Menschen, gebe ihnen ein vermeintlich unerreichbares Ziel sowie einen Mentor, der für diese Tätigkeit brennt, und am Ende haben alle einen dermaßen unerwartet großen Fortschritt gemacht, dass sie das Ziel sogar übertrumpfen oder andernfalls zumindest die Erkenntnis reift, dass der Weg das eigentliche Ziel war. Happy End! So funktionieren z. B. „Sister Act“und „Die Kinder des Monsieur Mathieu“im musikalischen Bereich, „Swimming With Men“und „Wir sind Champions“im Sportbereich sowie viele andere herzerwärmende Dramen mit humorvoller Note. Geschichten von talentierten Lehrern mit außergewöhnlichen Methoden wie etwa in „Der Club der toten Dichter“und in „Dangerous Minds“kommen beim Publikum ohnehin gut an. Und am besten ist es, wenn die Handlung auf wahren Ereignissen beruht. Der Unterschied zwischen all diesen Filmen liegt lediglich in den Details. Aber genau das ist eben auch das Entscheidende – die große Schwierigkeit für die Filmemacher, mittels Details Echtheit bzw. etwas Neues zu erschaffen. Dass „Silver Rockers“die genannten Kriterien sämtlich erfüllt, heißt noch lange nicht, dass er ein besonders gelungenes Bild der Entstehungsgeschichte des 2010 gegründeten, rockigen Senioren-chors „Salt and Pepper“(http://saltandpepper.fr) zeichnet. Dies gelingt dem Film erst durch seine Inszenierung, die grandiosen Darsteller (inkl. einiger Sänger und Sängerinnen des echten Chors im Hintergrund) und einer tollen Chemie zur „Leading Lady“des Films, Alexa (Mathilde Seigner). So
sind Seigners Live-band-auftritte vor der Kamera bereits glaubwürdig genug, um sie tatsächlich durch Europa touren zu lassen. Das ist nicht nur simuliert, die können richtig spielen und richtig singen. Als Freundin des 2017 verstorbenen französischen Rocksängers Johnny Hallyday, wird Seigner einiges aufgeschnappt haben.
Mick Jaggers Altersklasse
Die erfolglose Alt-rockerin nimmt notgedrungen die Möglichkeit wahr, für drei Wochen einen Senioren-chor zu leiten, der auf einem besonderen Event französische Kinderlieder zum Besten geben soll. Als inzwischen fünfte Chorleiterin (die anderen vier wurden erfolgreich vergrault) steht Alexa vor unüberwindbaren Problemen, denn die Rentner wissen weder, welcher Tonlage sie angehören, noch können sie zu einem gemeinsamen Miteinander motiviert werden. Erst als Alex bei einem ihrer Live-auftritte gefilmt wird, bricht das Eis und die gealterten Herzen fangen wieder Feuer – und zwar für ungebändigten Rock. Zahlreiche andere Baustellen bleiben trotzdem wie z.b. der konservative Sponsor mit seinen veralteten Vorstellungen, die Hüftsteifheit der nicht mehr ganz so frischen Körper, die Angst
vor dem Publikum sowie die fehlenden Englischkenntnisse der französischen Senioren. Zudem hat natürlich jedes Chormitglied eigene Probleme, die es zu lösen gilt. Begleitet von einem tollen Soundtrack mit Songs von u. a. Queen, The Clash und David Bowie lädt „Silver Rockers“sein Publikum zum lauthalsigen Mitträllern ein, Scham hat hier nichts zu suchen. Was den Live-aspekt der wirklich klasse gesungenen Lieder schmälert, ist leider die sehr zurückhaltende Dynamik der Audio-abmischung sowie der geringe Einsatz der Signalortung. Das wäre eigentlich obligatorisch gewesen, um die phänomenale Stimmung des überraschenden Finales auf die Heimkino-zuschauer zu übertragen. Stattdessen wurde die Musik weit nach unten gepegelt, vermutlich um dem Chor mehr Gehör zu verschaffen. Eine optimale Abmischung hätte beides geschafft. Das häufig eingesetzte weiche Licht verbreitet Melancholie, lässt aber auch das Bild verschwimmen, indem es Kontrast und Schärfe relativiert.