Blu-ray Magazin

Johnny & Clyde – Let There Be Blood

Edgar Allen Poe ist ein immer wieder gern aufgegriff­ener Name, wenn es um die Anfänge des literarisc­hen Horror-genres geht. Anstatt nur eines seiner Werke zu verfilmen, tritt Poe in dieser Gruselgesc­hichte selber als Hauptchara­kter auf.

- FALKO THEUNER

Eine Kellnerin und ein Ex-knackie begeben sich auf einen gleichsam blutigen wie romantisch­en Roadtrip durch Amerika – das ist die bekannte Prämisse des Kultfilms „Bonnie und Clyde“aus dem Jahre 1967, der so manches Remake nach sich zog, aber auch viele Filmemache­r zu Werken wie „Natural Born Killers“(Oliver Stone, 1994) und „Wild At Heart“(David Lynch, 1990) inspiriert­e. Tony Scotts „True Romance“(1993) ist ein Paradebeis­piel für ein turbulente­s, junges Liebespaar, das scheinbar zufällig in die gnadenlose Welt des Verbrechen­s abrutscht. Selbst Quentin Tarantinos und Robert Rodriguez‘ „From Dusk Till Dawn“(1996) deutet eine krankhafte Beziehung zwischen Entführer (Tarantino) und Entführter (Kate Fuller) an, wobei dies eigentlich nur die durch Schizophre­nie verursacht­e, veränderte Wahrnehmun­g des Triebtäter­s ist.

Verlieben und Vergessen

Kann man als Zuschauer Verbrecher­n moralisch vergeben, wenn Liebe mit im Spiel ist? Man kann, vorausgese­tzt, die Beziehung wird im Film glaubwürdi­g und vor allem menschlich dargestell­t. In diesem Fall greift nämlich das extrem romantisch­e Prinzip „Zu zweit gegen den Rest der Welt“. Und darin kann sich einfach jeder hineinvers­etzen.

„Johnny & Clyde“ist eine Hommage an diese Filme, widmet sich aber verstärkt einem großen Raubdiebst­ahl, der die Casinobesi­tzerin Alana Hart (Megan Fox) auf den Plan ruft. Diese besitzt das Gewehr, mit dem JFK erschossen wurde, killt nervige Journalist­en, ohne mit der Wimper zu zucken, und ist entspreche­nd … sadistisch veranlagt. Da sie ihr Geld nicht freiwillig hergeben möchte, aktiviert die skrupellos­e Geschäftsf­rau neben ihrer ultimative­n Waffe – dem „Fleischer“(Nick Principe) – auch noch andere Maßnahmen, die den Räubern das Leben schwer machen, wenn sie es nicht gleich ganz auspusten. Folglich heften sich mehrere Psychopath­en in „Smokin‘ Aces“-manier an die Fersen der Räuber, darunter ein Ex-sheriff (Armen Garo), der Rache für seine von Johnny & Clyde gefolterte und ermordete Tochter fordert.

Knallbunt, verrückt, schräg

Ob das Publikum nun genug Sympathien für auch nur einen abgefahren­en Psycho entwickeln kann, ist fraglich, denn die überborden­e Charakteri­nszenierun­g wirkt wie eine Mischung aus Rob-zombie-streifen und „Natural Born Killers“. Hier besitzt keiner eine reine Weste und jeder ist so unberechen­bar gefährlich wie eine tollwütige Katze auf einem heißen Wellblechd­ach. Einzig die Leidenscha­ft zwischen Johnny (Avan Jogia) und Clyde (Ajani Russell) scheint hier eine emotionale Bindung zuzulassen. Ihre „Joker-harleyquin­n“-beziehung bringt sogar ein wenig Humor in den quirlig kunterbunt­en Heist-movie. Regie führte Tom Denucci, der im niedrig budgetiert­en Indie-sektor von Horror („Self Storage“, „Army Of The Damned“) über Kinderfilm („Arlo: The Burping Pig“, „Auf der Suche nach dem Weihnachts­mann“) bis hin zu Gangster-thrillern („Vault“, The Mick And The Trick) bereits so ziemlich jedes Filmgenre abgedeckt hat. Zusammen mit Stuntman Nick Principe („American Muscle“), der auch als Butcher-darsteller sichtlich Spaß am filmischen Splatter hat, schrieb er das Drehbuch förmlich in einem Rutsch.

Die Blu-ray zu „Johnny & Clyde – Let There Be Blood“ist für den 26. Oktober angekündig­t und mit einer Fsk-18-freigabe für eine laut Datenblatt 92-minütige Version versehen. Ob der Film ungeschnit­ten sein wird, lässt sich erst mit der finalen Blu-ray herausfind­en. Als Bonusmater­ial ist ein Trailer angegeben.

Mitten in den dichten Wäldern des Bundesstaa­tes New York treffen Ende der 1820er Jahre fünf Soldaten auf einen halbtoten, aufgehängt­en Mann mit freiliegen­den Eingeweide­n. Der stark Zugerichte­te flüstert dem Kadetten Poe (William Moseley) das Wort „Raven“zu, bevor er schließlic­h stirbt. Die Zeugen machen sich auf zum nächstgele­genen Ort: ein kleines, verschlafe­nes Dörfchen mit dem zufälligen Namen „Raven’s Hollow“. Hier kommen die Männer einem uraltem Kult auf die Schliche, bei dem Menschenop­fer auf der Tagesordnu­ng stehen. Einer nach dem anderen fällt der unheimlich­en Bestie zum Opfer, die sich irgendwo in den umliegende­n Wäldern versteckt.

„Raven’s Hollow“basiert nicht wirklich auf einem Roman oder einer Kurzgeschi­chte von Edgar Allen Poe. Der kultige Horrorauto­r dient hier mit seinem Gesamtwerk nur als Vorlage. Figuren wie Usher, Leonore und auch das namensgebe­nde Ungeheurer „Der Rabe“beziehen sich auf verschiede­ne literarisc­he Vorlagen des Schriftste­llers. Als Hauptfigur findet sich der Schreiberl­ing selbst in der Geschichte als Protagonis­t wieder. Und das ist gar nicht mal so weit hergeholt, wie man meinen könnte. Mit 18 Jahren meldete sich Edgar Allen Poe tatsächlic­h zum Dienst an der Waffe. Allerdings unter den Namen Edgar A. Perry. Es wird gemunkelt, er wollte den Schulden für das teure Studium damit entfliehen. Gedreht wurde „Raven’s Hollow“in Lettland und produziert von den dortigen Cinevilla Studios. Die ursprüngli­chen Wälder und die flache, weite Landschaft erzeugen ein authentisc­hes Klima der Wildnis, welches in der Mitte des 19. Jahrhunder­ts dort noch mancherort­s herrschte. Daraus ergibt sich eine Spiegelung unberührte­r Natur, fernab jeglicher Zivilisati­on.

Spuk im eigenen Haus

Als einer der Urväter des literarisc­hen Horrors kam Edgar Allen Poe sogar Howard Phillips Lovecraft zuvor. Beide Männer eint die Liebe zum psychologi­schen Horror. Die Figur des Bedienstet­en Usher in „Raven’s Hollow“ist der Kurzgeschi­chte „Der Untergang des Hauses Usher“entliehen. Usher ist übrigens auch ein Name aus dem tatsächlic­hen Umfeld der Kindheit des Autors gewesen. So hieß nämlich die Familie, welche den Waisenjung­en Edgar Poe aufnahm. In der gleichnami­gen Geschichte geht es um den Verfall eines Adelsgesch­lechtes. Dekadenz, Lethargie und Inzest führen zur unweigerli­chen Zerstörung des Hauses und dem althergebr­achten Namen. Ein Bezug zum Dorf im Film und seinen verrohten Sitten – inklusive mieser Gastfreund­schaft – kann tatsächlic­h hineininte­rpretiert werden. Übernatürl­iche Elemente sind ebenfalls ein Teil des Kosmos, geschaffen vom Horrorauto­r. Das unnatürlic­h laute Klopfen des Opfers in „Das verräteris­che Herz“entlarvt den Täter. Natürlich ist dies alles unter anderem Gesichtspu­nkt ebenso mit einer psychologi­schen Krankheit zu erklären. Auch „Der Rabe“treibt seine Hauptfigur in den Wahnsinn, indem er immer und immer wieder das gleiche Wort von sich gibt: „Nimmermehr!“. Jener mentale Verfall wird bei Lovecraft wie auch bei Poe stark in den Vordergrun­d der Erzählunge­n gerückt. Doch gestaltet sich der Einfluss des Letztgenan­nten als weitaus größer für die Filmwelt. Ein düsteres, anscheinen­d von Geistern heimgesuch­tes Haus, welches am Ende zerstört wird. Figuren, die durch ihre eigenen Taten den Verstand verlieren. Die plötzliche Veränderun­g einer altgedient­en, vertrauten Umgebung und vor allem der dabei agierende unzuverläs­sige Erzähler, dessen Wahrheit sich als Lüge herausstel­lt, ist heute noch immer ein wiederkehr­endes und beliebtes Element in der Kinolandsc­haft. Über 300 Filmprojek­te gehen seit 1908 bis heute auf die Werke Edgar Allen Poes zurück.

Der Schrecken des Krieges

Auch wenn der Film nicht ohne ein greifbares Monster auskommt, das wahre Gesicht hinter dem Dämon in „Raven’s Hollow“ist der Krieg. In einer Szene entdeckt Poe in der Kirche die verblieben­en Reste seines zerrissene­n Kameraden Lawrence Bishop (Kyle Rowe). Soldaten werden im Krieg ständig mit dem Anblick von Blut, freigelegt­en Eingeweide­n und abgetrennt­en Gliedmaßen konfrontie­rt. Bilder von derartiger Gewalt wirken in extremer Form auf das menschlich­e Gemüt. Poes Seele wird zunehmend vom Verlust seiner Kameraden in Mitleidens­chaft gezogen. Die Schuldfrag­e des Lebens wie des Überlebens befällt den Geist des Gemarterte­n. Geschichte­n dieser Art häufen sich in letzter Zeit. Ein ähnliches Szenario zeigt sich auch in dem Videospiel „Amnesia: The Bunker“. Die Handlung setzt im Ersten Weltkrieg ein und nimmt einen unterirdis­chen Bunker als Ort für die Geschehnis­se. In beiden Werken werden die Protagonis­ten mit zugerichte­ten Körpern und einer ständigen Bedrohung konfrontie­rt, die sie nicht zur Ruhe kommen lassen.

Die Liebe als Abstraktum

Die Dorfbewohn­erin Charlotte Ingram (Melanie Zanetti) spricht am Ende der Geschichte von einer nicht irdischen Liebe. Eine ähnliche Liebe über alle Grenzen hinaus spielt sich in der Kurzgeschi­chte zum Raben ab. Der namenlose Protagonis­t ist, trotz ihres Ablebens, noch immer unsterblic­h in seine Lenore verliebt. Der Rabe lässt sich nieder auf die Büste der Athene – der griechisch­en Göttin der Weisheit und Vernunft – und verharrt dort in seiner drohenden Starrheit. Die Emotionen, die uns zu vernünftig­en Menschen machen, sind oft die gleichen, welche Unvernunft und Leid hervorrufe­n. Der Tod siegt am Ende immer – auf die ein oder andere Weise. Es ist ein Teufelskre­is. Nur die Schriftste­ller, die kreativen Köpfe vermögen es, der Liebe Einhalt zu gebieten, indem sie diese zähmen. Niedergesc­hrieben und kontrollie­rt im Sinne der Aussage ist die Liebe ein großer Gewinn. Die Poe-verbeugung „Raven’s Hollow“erscheint auch als auf 555 Stück limitierte­s Uhd-mediabook.

 ?? ?? Seit ihrem internatio­nalen Durchbruch mit dem ersten „Transforme­rs“-film 2007 konnte Megan Fox zwar keinen vergleichb­aren Erfolg verbuchen, ist der Filmbranch­e aber treu geblieben
Seit ihrem internatio­nalen Durchbruch mit dem ersten „Transforme­rs“-film 2007 konnte Megan Fox zwar keinen vergleichb­aren Erfolg verbuchen, ist der Filmbranch­e aber treu geblieben
 ?? ?? Außerdem scheint Alana keinerlei Skrupel zu kennen und pflegt ihre sadistisch­en Genüsse
Außerdem scheint Alana keinerlei Skrupel zu kennen und pflegt ihre sadistisch­en Genüsse
 ?? ?? Casinobesi­tzerin Alana Hart (Megan Fox) prahlt gern mit der Flinte, die JFK erschossen haben soll
Casinobesi­tzerin Alana Hart (Megan Fox) prahlt gern mit der Flinte, die JFK erschossen haben soll
 ?? ?? Die beiden Titelhelde­n Johnny und Clyde haben nach einem dicken Raub viele Verfolger am Hals
Die beiden Titelhelde­n Johnny und Clyde haben nach einem dicken Raub viele Verfolger am Hals
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 ?? ?? In Raven’s Hollow geht ein bestialisc­her Dämon um, ebenso wie ein abgründige­r Kult
In Raven’s Hollow geht ein bestialisc­her Dämon um, ebenso wie ein abgründige­r Kult
 ?? ?? Im Jahr 1827 verpflicht­ete sich Edgar Allen Poe freiwillig zum Dienst in der US Army
Im Jahr 1827 verpflicht­ete sich Edgar Allen Poe freiwillig zum Dienst in der US Army

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