Gran Turismo
Endlich gibt es mal wieder einen echten, vollwertigen Neill-blomkamp-film zu sehen, der nicht klammheimlich und mit Niedrigst-budget während der Covid-pandemie gedreht wurde. Nach seiner „Nummer 5 lebt“-hommage „Chappie“(2015) pitchte Blomkamp die Idee einer „Alien“-fortsetzung anhand bereits angefertigter Designs u.a. in sozialen Medien – jedoch ohne Erfolg. Dementsprechend konzentrierte sich der Regisseur erst mal auf seine Produktionsfirma Oats-studios und brachte mehrere, teils aufwendig getrickste Kurzfilme auf den Weg, welche als Ideengrundlage für abendfüllende Filme dienen sollten. „Demonic“(2021) war eines dieser Ergebnisse. „Gran Turismo“wurde hingegen als Auftragsarbeit direkt für „Playstation Productions“angefertigt und spielt dabei Blomkamps größte Stärken aus: Mit einem überschaubaren Budget von rund 60 Mio. Us-dollar schuf er einen modernen Motorsport-actioner, der mindestens nach dem doppelten Budget aussieht. Ein anderer Vorteil ist seine technische Kompetenz, mit der die Rennen besonders rasant und glamourös inszeniert wurden. Gedreht wurde mit 8K- und 6K-drohnen-kameras sowie mit Imax-equipment, weshalb sowohl die in 4K gemasterte Uhd-blu-ray als auch die Standard-blu-ray brillant aussehen. Diese Form des visuellen Hyperrealismus verkörpert auch die Playstation-exklusive Rennsport-simulation „Gran Turismo“. Anstatt jedoch eine Videospielverfilmung anzustreben, verfilmte man lieber die Geschichte eines realen „Marketing-gags“, den die Automarke Nissan im Jahre 2011 zusammen mit Sony initiierte: Jann Mardenboroughs Karrierestart als Rennfahrer über die „GT Academy“. Aus über 90000 Teilnehmern eines „Gran Turismo“-wettbewerbs ging Mardenboroughs als einer der wenigen Sieger hervor, sodass für ihn der Traum nahezu aller E-sportler wahr wurde. Er erhielt die Chance, sein Fahrtalent auf echten Rennstrecken unter Beweis zu stellen.
Fakt vs. Fiktion
Da sich der Film lediglich an den wahren Ereignissen orientiert, nimmt er sich diverse dramaturgische Freiheiten heraus wie etwa Mardenboroughs rein fiktiven Erzfeind Nicholas Capa (Josha Stradowski), Marketing-mann Danny Moore (Orlando Bloom) oder auch Chefingenieur Jack Salter (David Harbour). Auch der Ablauf der Rennen unter Nissan ist teilweise fingiert. Sein tragischer Unfall auf dem Nürburgring im Jahr 2015, bei dem das Fahrzeug vom Boden abhob und ein Zuschauer ums Leben kam, ist wiederum ein zentraler Dreh- und Angelpunkt des Sportdramas, dessen Handlungszeit früher angesiedelt ist. Trotzdem erscheint der Film ehrlicher als die meisten anderen Dramen dieser Art, die „auf wahren Geschehnissen“basieren. Die Botschaft lautet also nicht nur im Marketing-sinne: „Gran Turismo“sei so authentisch, dass das Spiel – Entschuldigung: die Simulation – Kids zu echten Rennfahrern ausbilden kann! Es wird auch mehr als deutlich gemacht, dass keine Simulation der Welt auf reale Situationen wie Unfälle, die Gkräfte, technische Defekte, andere individuelle Fahrer usw. vorbereiten kann. Schon gar nicht, wenn man nur ein einziges Leben besitzt und auch andere Menschenschicksale auf dem Spiel stehen. Diese Gratwanderung bekommt Neill Blomkamp hervorragend hin. Seine Action-szenen sind absolut realistisch und packend. Aber auch das menschliche Drama ist nachvollziehbar, sodass man die persönlichen Höhen und Tiefen des Protagonisten mitfühlt. Selbst wem der naiv erscheinende Ansatz „Vom E-sportler zum echten Sportler“aufstößt, der wird während des Schauens positiv überrascht sein, wie gut ebenjene Reibungsfläche ins Drama integriert wurde. Was bleibt, ist ein klassisches, etwas zu langes Rennsport-drama, welches auch ohne die „Gran Turismo“-marke funktioniert hätte, mit ihr allerdings aufgrund der brisanten Prämisse an inhaltlicher Qualität gewinnt.