The Goldsmith
Es ist ein Bildnis der heiligen Lucia von Syrakus, welches die drei Einbrecher hätte stutzig machen sollen. Einer Legende nach habe die Jungfrau, um ihre Ehe mit Gott zu wahren, ihrem weltlichen Verlobten ihre Augäpfel geschickt, um später von der Mutter Gottes schönere Augen zu erhalten. Auf ihren Bildnissen hält die Patronin der Armen und Blinden daher häufig ihre entfernten Sehorgane, eine Reliquie, die auch im neuen „The Nun II“eine Schlüsselrolle spielt. In dem „Home-invasion ... And Revenge“-thriller „The Goldsmith“verbirgt ihr Bild einen Monitor, über den der alte Goldschmied und seine Frau das Treiben in ihrer abgeriegelten Werkstatt beobachten können. Ihre aktuellen „Gäste“sind die drei Jugendfreunde Arianna (Tania Bambaci), Stefano (Mike Cimini) und Roberto (Gianluca Vannucci), die den Insider-tipp erhalten haben, in der abgelegenen Hütte sei eine Werkstatt voller Goldschmuck. Als das dort ansässige alte Ehepaar schlafen geht, brechen sie ein und entdecken nach etwas Gewaltanwendung tatsächlich den erhofften Raum, welcher kurz darauf zur Mausefalle wird. Es folgt eine Art „Big Brother“bühnenstück, bei dem der alte Schmied Antonio (Giuseppe Pambieri) Geheimnisse offen legt, die die Freundschaft der Drei auf eine harte Probe stellt. Das Erkennen des wahren Selbst scheint ihm und seiner Frau Giovanna (Stefania Casini) ein Anliegen zu sein. Ansonsten würde er auf diesen Teil verzichten und die Handlung würde sofort zum unangenehmsten Teil springen.
Ein Coppola kommt selten allein
Wenn man genau hinsieht, ist „The Goldsmith“ein zutiefst moralisches Horror-stück, das sich eines pfiffigen Erzählkniffs bedient. Legen die drei Gauner ihre Perspektive der Geschichte dar, weicht das Gezeigte (augenscheinlich die Wahrheit) vom Erzählten ab. Die Lüge kann also nur derjenige als solche entlarven, der sehen kann. Ebensowenig sollte der Prolog bei der Interpretation berücksichtigt werden, in dem das damalige Kinder-trio von einem Pfarrer verfolgt wird, nachdem sie die Kirche bestohlen haben. Teenage-arianna zückt ein Messer und begeht ihren ersten Mord. Widerfährt ihnen nun etwa eine höhere (von Gott herbeigeführte) Gerechtigkeit im christlich-moralischen Sinne? Oder zeigt dieser Rückblick lediglich, wie skrupellos Arianna wohl heute sein könnte? Die Augenrhetorik ist also ganz klassisch wie in E. T. A. Hoffmanns Kunstmärchen „Der Sandmann“mit großer Bedeutung aufgeladen und durch bestimmte Motive wie etwa das Bildnis Lucias, den extrem starken Brillengläsern des Goldschmieds und der Darstellung der echten Augen im Film integriert. Das Nichtzeigen spielt hier gleichfalls eine große Rolle, weshalb die blutigen Details zunächst vor den Augen des Zuschauers verborgen bleiben. Zudem wird die Liebeshandlung Ariannas und Stefanos bewusst ausgeblendet. Und die zwei außenstehenden Kontakte Robertos schauen den ganzen Film über einen Porno, während sie auf ihren Einsatz warten. Es gibt im Film keine Kameraperspektive, die einen Blick auf das gut hörbare Geschehen gewährt. Spiegelnde Strafen sorgen dafür, dass kein Gewaltakt ohne Bedeutung bleibt.
Das Ende ist skurriler Natur und könnte dem Skizzenbuch Tim Burtons entsprungen sein. Auch wenn die Handlung gerade wegen der ersten Hälfte unnötig langgezogen erscheint und der Film am Ende nicht wirklich belohnt, ergibt unter dieser Deutung doch alles Sinn. Ein unüblich starkes Banding, eine ins gelblich Grüne tendierende Farbgebung sowie viel zu helles Schwarz mindern den Genuss am sonst sehr scharfen Bild. Hier führte exzessive Farbfilterung zu ungewollten Nebenwirkungen. Gesunde Hauttöne sucht man vergebens, doch diese Kälte ist immerhin intendiert, da sie zum Horroraspekt passt.