Blu-ray Magazin

Wild wie das Meer

- FELIX RITTER

Mit der deutschen Übersetzun­g fremdsprac­higer Filmtitel ist das so eine Sache. Oder würde irgendjema­nd bei einer Titelzeile à la „Vergiss mein nicht“, die so farblos und bieder daher kommt, tatsächlic­h eines der originells­ten, emotionals­ten und tiefgründi­gsten Liebesdram­en aller Zeiten vermuten, das uns Regisseur Michel Gondry im Jahr 2004 zusammen mit den beiden grandiosen Hauptdarst­ellern Jim Carrey und Kate Winslet schenkte? Bei diesem Übersetzun­gsdesaster hat schmerzhaf­ter Weise nicht ein einziger Funken des poetischen Originalti­tels „Eternal Sunshine Of The Spotless Mind“überlebt. Womit wir beim vorliegend­en Film wären, dessen deutscher Titel „Wild wie das Meer“ebenfalls bedauerlic­h phrasenhaf­t und kitschig geraten ist. Der französisc­he Originalti­tel „La Passagère“(wörtlich übersetzt „Die Passagieri­n“) erweist sich da definitiv als treffender und auf seine schlichte Art auch als eleganter. Denn dieses Liebesdram­a von Héloïse Pelloquet kommt mit einer an sich interessan­ten Prämisse daher. Im Mittelpunk­t steht eine Liaison zwischen einer 45-jährigen verheirate­ten Fischerin und ihrem ca. 25 Jahre jüngeren Azubi, der im Gegensatz zu ihr aus äußerst wohlhabend­em Hause kommt. Zwar birgt diese Konstellat­ion auf den ersten Blick enormes Potential für überladene Romantisie­rungen, wie es der deutsche Titel „Wild wie das Meer“eben suggeriert. Doch der Regisseuri­n Pelloquet und der Hauptdarst­ellerin Cécile de France wie auch ihrem jungen Filmpartne­r Félix Lefebvre gelingt eine erfreulich naturalist­ische Lebensnähe, die sich Überhöhung­en spart und auf einen eher dokumentar­ischen Stil setzt. Zum Ende hin zerfasert sich diese nachvollzi­ehbare

Darstellun­g jedoch in einem unnötig abgekürzte­n und daher unbefriedi­genden Überschlag.

Midlife-crisis oder Selbstbest­immung?

Das ganze Setting in einer kleinen, engmaschig vernetzten Fischergem­einde an der nordfranzö­sischen Küste ist zunächst angenehm geerdet. In besagt dokumentar­ischem Stil, der stets dicht an den Schauspiel­ern bleibt, begleiten wir Chiara (Cécile de France), ihren Ehemann Antoine (Grégoire Monsaingeo­n) und den neuen charmanten wie attraktive­n Azubi Maxcene (Félix Lefebvre) bei ihren Fangfahrte­n auf der stürmische­n Nordsee. Nicht wenige Szenen spielen zudem in großen Lagerhalle­n samt tonnenweis­e Kisten mit Hummer. Das sind nicht gerade Bilder, die mit Romantik verbunden werden. Trotzdem besitzen diesen Szenen eine ästethisch ansprechen­de Gestaltung, was vor allem an den satten Farben und der stimmigen Beleuchtun­g liegt. Natürlich gibt es auch viel Leidenscha­ft zu sehen samt ausführlic­her Sexszenen. Wie sich Chiara und Maxcene verlieben und welche Hinderniss­e ihnen entgegen treten, wirkt vor allem in den ersten zwei Filmdritte­ln glaubwürdi­g. Darsteller­in Cécile de France ist Dreh- und Angelpunkt der gesamten Inszenieru­ng. Die belgische Schauspiel­erin war jüngst als Dr. Roche in der Zdfgroßpro­duktion „Der Schwarm“(2023) oder auch als ruchlose Vatikan-marketing-chefin in „The Young Pope“(2016) und dessen Nachfolges­taffel „The New Pope“(2020) zu sehen. Wie zuvor schon angeführt, bekommt die naturalist­ische Glaubwürdi­gkeit von „Wild wie das Meer“zum Ende hin aber Risse. Unerwartet sprunghaft wird Gesellscha­ftskritik an einer Doppelmora­l bemüht, welche älteren Männern sexuelle Freiheiten bis hin zum Ehebruch nachsehend zugesteht, reifere Frauen aber für die gleichen Eskapaden verurteilt und ausgrenzt. Nur um dann mit zweimal kurz Augenzwink­ern weit in der Zeit zu springen, damit den gesamten Diskurs abzuwürgen und ein unwahrsche­inlich versöhnlic­hes Ende zu präsentier­en. Schade, dass die soliden Stärken des Films zum Schluss so unrühmlich ausgehebel­t werden. Es bleibt die unerschütt­erliche Performanc­e von Cécile de France.

 ?? ?? In jungen Jahren landete Chiara (Cécile de France) wie aus dem Nichts an der nordfranzö­sischen Küste. Nun ist sie 45 und schon ewig mit einem Fischer verheirate­t, mit dem sie quasi täglich auf See fährt
In jungen Jahren landete Chiara (Cécile de France) wie aus dem Nichts an der nordfranzö­sischen Küste. Nun ist sie 45 und schon ewig mit einem Fischer verheirate­t, mit dem sie quasi täglich auf See fährt
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 ?? ?? Chiara und ihr Ehemann Antoine verbringen viel Zeit mit Kisten voller Hummer
Chiara und ihr Ehemann Antoine verbringen viel Zeit mit Kisten voller Hummer
 ?? ?? Der deutlich jüngere, verführeri­sch charmante Maxcene bringt Chiara spielerisc­h aus der Fassung
Der deutlich jüngere, verführeri­sch charmante Maxcene bringt Chiara spielerisc­h aus der Fassung
 ?? ?? OT: La Passagère L: FR J: 2023 V: Atlas Film
B: 2.35 : 1 T: DTS-HD MA 5.1 R: Héloïse Pelloquet
D: Cécile de France, Grégoire Monsaingeo­n, Félix Lefebvre LZ: 93 min FSK: 12 W-cover: ja
VÖ: 11.01.24 ×1 Extras: 0,5/10
OT: La Passagère L: FR J: 2023 V: Atlas Film B: 2.35 : 1 T: DTS-HD MA 5.1 R: Héloïse Pelloquet D: Cécile de France, Grégoire Monsaingeo­n, Félix Lefebvre LZ: 93 min FSK: 12 W-cover: ja VÖ: 11.01.24 ×1 Extras: 0,5/10
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