La Exorcista
Im Fahrwasser des Gothic-horror-ablegers der „Conjuring“- Reihe „The Nun“(2018) entstand 2022 ein italienischer Exorzisten-reißer, welcher ebenfalls eine junge Nonne als Heldin in den Mittelpunkt stellt. „La Exorcista“alias Schwester Ofelia (María Evoli) hat einen smarten Schmiss an der Augenbraue, ist tough, belesen und lässt sich auch sonst nicht so leicht von irgendwem oder irgendetwas hinters Licht führen. Schon gar nicht von üblen Dämonen, die gerne ungeborene Kinder befallen. Solch einer hat sich in der hochschwangeren Sandra (Pilar Santacruz) eingenistet, kurz nachdem sich ihr Ehemann das Leben nahm. Deshalb setzt Padre Victor (Julio Bracho) alle Hebel in Bewegung, um die werdende Mutter und ihr Kind zu retten. Als Ofelia und Victors rechte Hand Fabian (Ramón Medína) an Sandras abgelegener Hütte eintreffen, finden sie bereits den verletzten Padre vor sowie die Schwangere, die sich an einem Lagerfeuer einen spitzen Ast in den Babybauch bohrt. Aus dem Affekt heraus beginnt Ofelia einen Exorzismus, der ratzfatz wirkt. Der Dämon entfleucht aus Sandras Körper und alles ist gut. Des lokalen Quacksalbers widersprüchliche Diagnose zur verletzten Frau lautet: „Nur ein paar Schürfwunden, sonst nichts. Würde sie gern in ein Krankenhaus bringen, aber sie braucht absolute Ruhe! Daher sollte sie im Haus bleiben.“
Ein Exorzismus wird zur Hexenjagd
Was Ofelia jetzt noch nicht ahnt, das Publikum aber sehr wohl: Die Sache ist noch lange nicht vorbei und geht erst jetzt richtig los. An dieser Stelle beginnt „La Exorcista“damit, sich von anderen Genre-kollegen abzuheben. Denn gemäß der Spielregeln, dass der Dämon lediglich zwei Sonnenuntergänge Zeit hat, um in den vorhergehenden Körper zurückzukehren oder alternativ eine andere Schwangere zu befallen, beginnt nun der Survival-horror-part. Der Dämon versucht darin mit allen Mitteln, sein Opfer aus der Reserve zu locken – eine Reminiszenz an „Schneewittchen“, in dem die böse Königin in unterschiedlichsten Formen und mit verschiedenen „Fallen“an die Tür des Zufluchtsortes klopft? Gleichzeitig verbündet sich die Dorfgemeinschaft gegen die vermeintliche Hexe Sandra.
36 Namen des Teufels
Wie in „Evil Dead“aus dem Jahr 1981 verfolgt das unsichtbare Böse in „La Exorcista“seine Opfer aus der Ego-perspektive, also in Form einer fliegenden Kamera. Und wie Ash Wlliams wird auch Ofelia in den Heldenstatus erhoben, mit dem sich kultige Fortsetzungen realisieren lassen würden, sollte sie denn den ersten Film überleben. Hierfür erhält sie eine mysteriöse Vergangenheit, deren Dämonen sie sprichwörtlich bis heute verfolgen.
Die Darstellung der dämonischen Präsenz ist durchaus gelungen, auch wenn sich der Plot eher für eine einstündige Serien-episode, denn für einen abendfüllenden, 102-minütigen Film eignen würde. Aber es gilt ja auch den 36. Namen des besagten Teufels herauszufinden, um Macht über ihn zu gewinnen. Und bereits dieses Unterfangen könnte schon allein eine eigene Episode ausfüllen. Interessanterweise tritt im italienischen „La Exorcista“nicht der christliche Glaube gegen das Heidentum an. Es sind die sehr wohl gläubigen Dorfbewohner, welche Ofelia das Leben schwer machen, indem sie ihre Methoden infrage stellen und das eigentliche Opfer Sandra als primäre Gefahrenquelle sehen. Also geht es mehr um die Gegenüberstellung von Glaube gegen Aberglaube, wenn man so will. Die Bildung Ofelias – sie zieht ein biblisches Schriftstück über die Schlangenform zu Rate – ermöglicht ihr einen anderen Blickwinkel auf das Geschehen, was ihr vor dem außenstehenden Film-publikum ein aufgeklärtes Image verpasst. Umso dramatischer entwickeln sich letztlich die haarsträubenden Ereignisse in der zu verteidigenden Hütte. Außerdem scheint bei all dem auch noch eine Form der Hexerei im Spiel zu sein.