Andy Warhols Dracula
(4K-mediabook)
Gilt der Akt des Blutsaugens in den meisten Vampirgeschichten als Code für Sex, erweitern Regisseur Paul Morissey und Drehbuchautor Pat Hackett in ihrer „Dracula“-variante das Konzept um einen politischen Diskurs. So versinnbildlicht der von Udo Kier gespielte Graf die Obrigkeit der Klassengesellschaft, welche die Arbeiterschicht aussaugt, ohne selbst eine Rolle für das System zu spielen. Wie ein Drogensüchtiger leidet der rumänische Gast der Familie Di Fiore unter Entzugserscheinungen. Der Mangel an Jungfrauenblut ließ ihn nach Italien ziehen, wo die Töchter noch konservativ, kirchlich erzogen werden. Am Jungfernstatus der vier Töchter des Hauses wird aber schon mächtig gesägt. So nutzt der im Gegensatz zum Grafen kräftig gebaute, gut aussehende Arbeiter Mario (Joe Dallesandro) jede Gelegenheit, die Frauen zu bespringen und verhindert somit die Genesung des kranken Adligen. Draculas Methode dagegen ist nicht die (sexuelle) Gewalt wie bei Mario, sondern das Umschmeicheln, Befragen und die direkte Beeinflussung nach dem Biss. Welches Männer-modell ist also das geringere Übel? Das egozentrisch parasitäre (Dracula, Markis de Fiore) oder das kommunistisch brutale (Mario)? Auch wenn eines davon am Ende siegt, sind doch alle Männer in diesem Stück ein Frauen misshandelnder Graus. Nach dem ähnlich
besetzten „Andy Warhols Frankenstein“(1973), dessen Kerntherma Sozialgenetik war, ist dies der zweite Versuch, klassische Filmmonster zu politisieren und diese mittels offenherziger Nacktheit und Sex-szenen zu skandalisieren. Für den Test erreichte uns ausschließlich die Bluray der 3-Disc-edition.