Interpretationssache: ein Gedicht
Für das BÜCHERmagazin ist Dr. Björn Hayer stets auf der Suche nach der poetischen Kunst des Augenblicks und interpretiert in jeder Ausgabe ein ausgewähltes Gedicht.
WIE FALLENDE BLÜTENBLÄTTER VERGEHT AUCH UNSER DASEIN.
WAS HILFT, IST DAS SCHREIBEN, WOZU UNS DURS GRÜNBEIN ERMUNTERT
Man kennt Durs Grünbein als einen klassischen Dichter, geschult an den alten Meistern der Poesie. Dass sein neuer Band „Zündkerzen“so ganz der Mitte des Lebens entspringt, ist eine große Freude. Der Büchner-Preisträger entdeckt sich und sein Schreiben neu. Dem Thema seines Gedichts „Aus einem Buch der Schwäche“wohnt eine so klare wie tiefgreifende Frage inne: Was zeichnet die menschliche Existenz aus? Es gleicht einem Fahrstuhl, in dem wir durch die verschiedenen Phasen von der Jugend bis zum Alter fahren. Wir stolpern oder treffen, wenn wir nicht die richtige Tür öffnen, auch einmal falsche Entscheidungen. Wir kennen die Müdigkeit und werden uns im Laufe der Jahre über die Vergänglichkeit unseres Daseins bewusst. Blütenblätter fallen und dennoch gibt es stets ein neues „Und“, neue Ereignisse, die uns wiederum auf ungeahnte Weise herausfordern. Verfallen wir dann hin und wieder doch der Hybris, zu glauben, wir seien unsterblich, so führt uns die Schrift zurück auf den Boden der Realität. Sie zwingt uns dazu,
„uns einzudämm[en]“, dem vermeintlich Grenzlosen bzw. Beliebigen eine Form zu geben. Grünbeins „Zündkerzen“erzeugen somit schillernde Lichtblitze. Deren Helligkeit führt uns auf den Grund der Wahrheit zurück.