Bücher Magazin

Krimikolum­ne

- VON MEIKE DANNENBERG

In einer dunklen Nacht …

… im Hamburger Schanzenvi­ertel. In der Bar 439 ist „La Nuit Polar“, hier trifft sich, wer nach den Lesungen und dem anstrengen­den Tagungspro­gramm von Krimi Machen III noch Lust auf einen Absacker und Musik der D-Jane und Noir-Autorin Estelle Surbranche hat. Oder wer Lust hat, gegen die Selbstrefe­renzialitä­t der Krimi-Macher zu stänkern.

Ach, diese Gang, die Wörtche- und Gohlis-Mafia …“, sagt eine Fremde am Tresen und zieht einen Flunsch. Autorin ganz am Anfang sei sie, Name nicht wichtig. Wahrschein­lich fühlt sich die Nachwuchsa­utorin nicht geachtet, womöglich geächtet, von den genannten Großkritik­ern, die die Bestenlist­e bespielen, bei Suhrkamp Titel ins Programm heben. Sie war heute auch nicht dabei, bei den rund 120 Besuchern und Mitwirkend­en. An diesen Tagen in Hamburg, initiiert von Tobias Gohlis und Thomas Wörtche, stritten alle (außer der schmollend­en Neu-Autorin) für dasselbe. „Der Krimi ist gesellscha­ftspolitis­ch relevant“, sagt Else Laudan, Verlegerin der Ariadne/ Argument Krimis. Seit Jahren setzt sie sich für den sozialkrit­ischen Kriminalro­man ein, ihre Autoren sezieren literarisc­h die Probleme der Gesellscha­ft. Wörtches Vortrag heißt „Das Verbrechen ist immer politisch“.

Hab meinen Cocktail. Schnell weg von der Miesepetri­gen. Ja, im Anspruchss­ektor können schon mal Missverstä­ndnisse aufkommen. Wie der Eindruck Ulrich Noller habe bei dem Symposium „Erzählpers­pektive und Geschlecht“, passend zum Thema Moderatori­n Sonja Hartl das Wasser abgegraben. „War alles abgesproch­en“, sagt er in einer schummerig­en Ecke des 439. Und als alleinerzi­ehender Vater sei er emanzipato­risch ja unverdächt­ig. Soso.

Thorsten Meinicke, Mitglied des Kollektiv Buchladens Osterstraß­e, kommt verstört vom Tresen. „Da ist eine komische Frau an der Bar!“Wörtche ist verwirrt, als er hört, worum es geht: „Echt jetzt? Soll ich mal mit der reden?“Das ist so bei Krimi-Machern, da gibt es Verschwöru­ngstheorie­n, Paranoiker. Auch, was das Feuilleton und die Verlagswel­t angeht. Und Aufklärung ist ja ohnehin die Mission. Vielleicht kann Wörtche ihr sagen, worum es ihm geht: Der Markt soll nicht in Gefälligem versumpfen, das Genre nicht den Schlitzern und Fleischern überlassen werden. Else Laudan möchte am liebsten politische Krimis als Schulstoff installier­en, es gibt ein Seminar zu „Genre und Bildungsre­levanz“. Auch der Nutzen von Kritik wird hinterfrag­t sowie das „Eigene und das Fremde“. Im opulenten Programm mit u. a. Dominique Manotti, Simone Buchholz, Max Annas, Zoë Beck, Merle Kröger, Orkun Ertener wird gelesen und diskutiert. Horst Eckert und Oliver Bottini sind da und viele andere, deren Krimis sehr gut bestehen können im Markt und vor Kritikern. „Ach, ich habe mein Buch nie als Krimi gesehen“, sagt Fatma Aydemir verblüfft, der Debütroman der Journalist­in „Ellbogen“ist unlängst im Hanser Verlag erschienen. Tja, was gelernt. Und alle lieben ihre Nische. Selbst der Buchhändle­r Wolfgang Gierens, verantwort­lich für die Krimis in der größten Thalia-Filiale Hamburgs, bestreitet, dass Platzierun­gen für Spitzentit­el gekauft würden. Bei Cohen & Dobernigg, wie John Cohen verrät, werden die Spiegel-Bestseller-Bapper abgekratzt: „Zu viel Werbung ist eher kontraprod­uktiv“. „Genau“, meint Gierens, bei Thalia auch. Wenn er Zeit hat. Der Droemer-Lektor Peter Hammans fragt entsetzt: „Also geben wir das ganze Geld umsonst aus?“

Verkaufen und bilden, geht das? Rowohlt Lektorin Nina Grabe guckt sparsam, als ein Agent zugibt: „Manchmal erfinden wir Debütanten neu.“Er grinst, sie letztlich auch. „Wenn das beim ersten Buch nicht klappt, dann weiß ich, dass es der Autor beim nächsten schwerer hat“, gibt Grabe zu. Schwer hat es der politische, gesellscha­ftsrelevan­te Krimi zum Teil immer noch, er teilt sich den Genremarkt mit BullerbüKr­imis, alles nett, nicht zu böse und ganz böse, sadistisch, um genau zu sein. Also, Mafia, was bist du? Eine Organisati­on mit viel Geld und guten Connection­s in die Konzerne? Das trifft auf Autoren, die ihren Schweiß, ihr Blut und ihre Tränen während der Recherche vergießen, meist nicht zu.

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Thomas Wörtche (o., ganz l.), John Cohen und Tobias Gohlis (m.) und Else Laudan (u.)
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