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Katell Quillévéré­s hat Maylis de Kerangals Roman „Die Lebenden reparieren“bildstark verfilmt.

Es ist still und dunkel. Ein junger Mann liegt im Bett, schaut seine Freundin an. Sie haben augenschei­nlich die Nacht miteinande­r verbracht. Er verabschie­det sich, macht ein Foto und springt durchs Fenster in den beginnende­n Tag. Simon (Gabin Verdet) ist verabredet, trifft sich mit seinen Freunden zum frühmorgen­dlichen Surfen. Im kalten blauen Wasser warten sie auf Wellen und durchfahre­n sie auf ihren Surfbrette­rn. Die Bilder des Meeres umspülen den Zuschauer mit der Ruhe, mit der Tiefe, mit dem Sog des Wassers. Regisseuri­n Katell Quillévéré­s fasst hier in dem Anfang ihres Films „Die Lebenden reparieren“das Gefühl, lebendig zu sein und Unmittelba­rkeit zu spüren, in Bilder. Ohnehin ist es die große Stärke dieses Films, mit seinen Bildern sehr viel zu erzählen und einzufange­n, was man sonst allzu leicht übersehen könnte. Es geht um die Gefühle, um Empfindung­en, um das Leben und den Tod. Denn auf der Rückfahrt vom Strand geschieht ein folgenschw­erer Unfall. Simon ist hirntot, seine Organe werden zur Spende freigegebe­n. Und nun teilt sich die Geschichte in verschiede­ne Stränge und Momentaufn­ahmen, die zusammenge­halten werden von dieser Organspend­e. Ohne Pathos, ohne Dramatik bekommt man Einblicke in das Leben von Simons Arzt, der sich gerade von seiner Frau getrennt hat, von der Krankensch­wester, die einen neuen Freund hat, von einem jungen Krankenhau­smitarbeit­er, der sich für Vögel begeistert, in die Trauer von Simons Eltern. Und in die Angst einer der Organemp- fängerinne­n, die ein neues Herz braucht und sich mit ihrem Tod schon fast abgefunden hat. „Die Lebenden reparieren“ist ein episodisch­er Film, in dem die Gesamtheit sehr viel mehr ist als die einzelnen Teile. Basierend auf dem gleichnami­gen Roman von Maylis de Kerangal vermag es Katell Quillévéré­s in einer fasziniere­nden Bildsprach­e, auf die kleinen und großen Dinge zu schauen, die oftmals von Ereignisse­n ausgelöst werden, auf die Gesten und Blicke, die eine ganze Lebensgesc­hichte erzählen können, beiläufig, aber akzentuier­t. Dabei kann sie sich auf einen bis in die Nebenrolle­n exzellent besetzen Cast verlassen – und auf die Musik von Alexandre Desplat, die genau an den richtigen Stellen sehr dosiert eingesetzt ist. Ein wahrlich bewegender Film.

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 ??  ?? Sonja Hartl betreibt das Blog „Zeilenkino“. Für das BÜCHERmaga­zin stellt sie Literatur vor, die auf der Leinwand Premiere feiert
Sonja Hartl betreibt das Blog „Zeilenkino“. Für das BÜCHERmaga­zin stellt sie Literatur vor, die auf der Leinwand Premiere feiert
 ??  ?? MAYLIS DE KERANGAL:Die Lebenden reparieren Übersetzt von Andrea Spingler Suhrkamp TB (2016), 254 Seiten, 10 Euro
MAYLIS DE KERANGAL:Die Lebenden reparieren Übersetzt von Andrea Spingler Suhrkamp TB (2016), 254 Seiten, 10 Euro

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