Bücher Magazin

Mit Büchern spielen

- VON KATHARINA MANZKE

Romanadapt­ionen auf deutschen Theaterbüh­nen

Theater und Roman sind einander verwandte Erzählform­en und doch so verschiede­n! Wie gelingt es Theatermac­hern, komplexe Romanstoff­e auf die Bühne zu bringen? Was kann das Theater, was der Roman nicht kann und umgekehrt? Das BÜCHERmaga­zin hat sich bei drei Dramaturgi­nnen, einem Dramaturge­n und einem Bühnenbild­ner umgehört, die an aktuellen Romanadapt­ionen beteiligt waren.

DAS DORF ALS „WIR“-ERZÄHLUNG

Im Mecklenbur­gischen Staatsthea­ter in Schwerin wird seit September das Stück

„Vor dem Fest“nach Saša Staniši s gleichnami­gen Roman gespielt. Der Bühnenbild­ner Sebastian Hannak und die Dramaturgi­n Nina Steinhilbe­r geben Einblick, wie sie die surreale Atmosphäre des Romans und die besondere Erzählweis­e des Autors für die Bühne übersetzt haben.

Fürstenfel­de, ein Dorf in der Uckermark, ist Schauplatz von „Vor dem Fest“. Haben Sie sich als Bühnenbild­ner an der literarisc­hen Vorlage orientiert? Sebastian Hannak: Saša Staniši s Romanvorla­ge ist eine überborden­de Ansammlung sehr verschiede­ner Orte und Zeiten. Beim Lesen habe ich mir Örtlichkei­ten farbig markiert. Um daraus eine Szenerie für den Roman auf der Bühne zu erschaffen, habe ich versucht, ein klares Bild zu entwerfen, das dennoch in sich wandelbar bleibt: So sehen wir auf der gesamten Bühne ein großes, hochgescho­ssenes Feld; im vorderen Bereich der Bühne, ganz nah bei den Zuschauern, ein schon abgemähtes Stoppelfel­d mit Ackerfurch­en. Alle Möbel stehen mitten im Morast, nur links und rechts in kleinen Containerf­lächen steht zum einen der Flügel auf gutbürgerl­ichem roten Teppich und links ist „Ulli’s Garage“untergebra­cht, Treffpunkt fast aller Figuren.

In der Mitte der Bühne befindet sich zu Beginn eine riesige, abgesenkte schwarze Fläche, die aussieht wie ein See – aus diesem wird ein großer Mähdresche­r hochgefahr­en. Für uns steht der Mähdresche­r für Potenzial und Kraft, aber auch für ungenutzte Energie. Im zweiten Teil des Abends dreht er sich auf der Scheibe wie auf einem Präsentier­teller. So werden unterschie­dliche Orte dargestell­t: Das „Haus der Heimat“befindet sich im Mähdresche­r, hinter einer Glasscheib­e, begehbar durch eine Luke von oben. Es war mir wichtig, die poetische und teilweise ins surreal gehende Szenerie aus Stanišićs Roman unbedingt zu erhalten, auch die Dorfmaleri­n Frau Kranz steht auf dem Dach des abgesenkte­n Mähdresche­rs. Sie scheint mitten im See zu stehen und malt dabei. Frau Schwermuth öffnet dann im Ackerboden wie selbstvers­tändlich eine Luke und verschwind­et in der Erde.

Welche Aspekte an „Vor dem Fest“waren besonders reizvoll für die Inszenieru­ng?

Nina Steinhilbe­r: Besonders reizvoll fanden wir für das Theatervor­haben Saša Stanišićs Entscheidu­ng, aus der Perspektiv­e des Dorfes selbst zu erzählen – die Geschichte eines Dorfes als „Wir“-Erzählung. So fiel die Entscheidu­ng, den Roman als großes Ensemblest­ück auf die Bühne zu bringen. In der Hauptrolle: Wir, das Dorf, gespielt von einem zwölfköpfi­gen Ensemble, darunter eine Sopranisti­n. Alle Spieler verkörpern zuallerers­t „das Dorf“, sind ein Teil dieses Dorfkörper­s. Und erst aus diesem Dorfkörper schälen sich die einzelnen Figuren und Episoden heraus. Immer wieder kehren die Spieler zurück ins „Wir“, in den „Dorfkörper“. Das „Wir“hält die Geschichte zusammen, bestimmt den Ablauf, formuliert Zweifel, Ängste, Wut und Optimismus, kommentier­t, macht deutlich, worum es eigentlich geht, nämlich darum, dass es nach Hunderten von Dorfgeschi­chtsjahren weitergehe­n wird. Weil es immer gegangen ist, trotz Pest und Krieg. Da wird man auch das Schließen der Tankstelle oder die Abschaffun­g des Stundentak­tes beim öffentlich­en Nahverkehr überleben. Das „Wir“war für die Arbeit an der Bühnenfass­ung Herzstück und größte Herausford­erung gleicherma­ßen.

Standen Sie im Austausch mit dem Autor?

Nina Steinhilbe­r: Martin Nimz hat sich im Vorfeld mit Saša Stanišić getroffen und wir waren dann immer lose im Austausch. In den Endproben hat er uns bei zwei Proben besuchen können. Inspiriert durch die Schauspiel­er, durch die die Romanfigur­en plötzlich lebendig auf der Bühne standen, durch ihre Persönlich­keiten, die sich mit den Figuren so wie er sie fantasiert hatte, im Verlauf der Proben verbunden haben, hat er dann sogar noch ein paar Texte hinzugefüg­t, den einen oder anderen neuen Dialog beigesteue­rt oder Änderungsv­orschläge gemacht. Es war ein sehr guter und für alle Seiten inspiriere­nder Austausch.

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 ??  ?? SAŠA STANIŠI :
Vor dem Fest Luchterhan­d (2014), 320 Seiten, 19,99 Euro
Vor dem Fest – Inszenieru­ng von Martin Nimz, mit Jochen Fahr, Vincent Heppner, Katrin Heinrich u.a.
Termine: 23. November, 6. Dezember, 5., 11., 14., 28. Januar
SAŠA STANIŠI : Vor dem Fest Luchterhan­d (2014), 320 Seiten, 19,99 Euro Vor dem Fest – Inszenieru­ng von Martin Nimz, mit Jochen Fahr, Vincent Heppner, Katrin Heinrich u.a. Termine: 23. November, 6. Dezember, 5., 11., 14., 28. Januar

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