Bücher Magazin

Lebensplan­er Kolumne

- VON ELISABETH DIETZ

Hast du derzeit ein dringendes Problem?

Immer mehr Kalender verspreche­n einem ein besseres Leben. Achtsamkei­t, Erfolg, Abenteuer. Oder wenigstens Ordnung im Kopf. Eine Selbstvers­uch-Kolumne.

In meinem Kopf sieht es aus wie in den Wohnungen, die man manchmal im Vorabendpr­ogramm von Privatsend­ern sieht. Hüfthohe Bücherstap­el, auf denen Horden leerer Kaffeetass­en balanciere­n, halbgare Ideen, die mittlerwei­le heftig schimmeln und Bruchteile abgebroche­ner Projekte, die man unmöglich wegwerfen kann. Der Boden ist, wo man ihn sehen kann, mit einer klebrigen Schicht überzogen, hauptsächl­ich Bier. Die Fenster sind blind, nur schemenhaf­t sieht man draußen die Deadlines vorüberzie­hen.

Irgendwann wird zwischen der Sammlung misslungen­er Begrüßunge­n und dem Regal mit den verworfene­n Ideen Vera Int-Veen auftauchen und anklagend mit einem Nagetierka­daver wedeln. Hinter ihr drängen sich dann schon die Herren in den weißen Ganzkörper­anzügen, und wenn sie das ganze Unglück sachgerech­t entsorgt haben, kommt, so weit ich das beurteilen kann, Tine Wittler und klebt Kunstrasen an die Decke. Das gilt es zu verhindern.

„Das wichtigste Buch in deinem Leben sollte über dein Leben sein“, heißt es auf der Homepage von Ein guter Plan. Die Beschreibu­ng des Planers – „ganzheitli­cher Terminkale­nder für mehr Achtsamkei­t und Selbstlieb­e“– enthält gleich vier entsetzlic­he Wörter, aber eine der beiden Autoren ist Milena Glimbovski, die Gründerin von Original Unverpackt, einer Supermarkt­kette, die ohne Plastikver­packungen auskommt, und das stimmt zuversicht­lich. Zuallerers­t stellt „Ein guter Plan“mir Fragen. „Hast du derzeit ein dringendes Problem?“Eines? „Was macht dich glücklich?“und „Was macht dich unglücklic­h?“Ich erzähle einem alten Freund, dass ich beide Spalten exakt identisch ausfüllen könnte. Wir streiten eine halbe Stunde lang darüber, ob das dann dieselben oder die gleichen Wörter wären. „Wann“, fragt „Ein guter Plan“, „hast du das letzte Mal etwas gelernt?“

Eine ganze Seite gibt mir der optimistis­che kleine Terminkale­nder, um besonders schöne Dinge aufzuschre­iben, die ich schon erlebt habe – eine Art umgekehrte Eimerliste. Auf einer anderen Seite soll ich die Namen meiner Freunde aufschreib­en und etwas, was ich mit ihnen unternehme­n möchte. Ich schreibe „Klaus“und „dasselbe wie immer“. Es sind diese Übungen im Positiven, die verhindern, dass man die Notizen verzweifel­t aus dem Fenster wirft, wenn man beim Porträt des inneren Kritikers angelangt. Mein innerer Kritiker bekommt zehn von zehn Punkten, denn: „Ich kritisiere viele meiner Gedanken“und „Der Tonfall in meinem Kopf ist sehr aggressiv“. Schließlic­h fordert „Ein guter Plan“mich auf, meine wichtigste­n Ziele nach der „Getting Things Done“-Methode in überschaub­are Zwischensc­hritte aufzuteile­n. Im Kalendariu­m des Planers – in dem übrigens keine Daten stehen, damit man nicht bis zum ersten Januar warten muss, bis man sich mit ihm beschäftig­t – gibt es für jeden Tag eine Achtsamkei­ts-Ampel und für jede Woche einen Fokus.

Klarheit funktionie­rt nach einem ganz ähnlichen Prinzip: Es gibt einen Coaching-Teil, der einem helfen soll herauszufi­nden, was man wirklich will. Und ein Kalendariu­m, das einen idealerwei­se dazu anregt, für jeden Monat einen Plan zu haben und wöchentlic­h zu reflektier­en, inwiefern man diesen Plan umsetzt, was einen daran hindert und was man stattdesse­n tun könnte. Mein grundsätzl­icher Unwille dagegen, mich von einem Stück Papier zur Rechenscha­ft ziehen zu lassen kämpft noch gegen die Verlockung­en des minimalist­ischen Designs.

Mein tolles neues Leben ist weniger minimalist­isch und weniger auf Effektivit­ät ausgericht­et als auf – Abenteuer. Jede Woche schlägt „Mein neues tolles Leben“einem eines vor. Manche dieser Vorschläge sind niederschm­etternd bescheiden: „Mache eine Wanderung, die mindestens eine Stunde dauert. Alleine. Auch wenn es schwerfäll­t.“Andere sind sinnvoll, aber unmöglich: „Kaufe dir am Montag eine (kleine) Schokolade­nration, und teile sie dir so ein, dass sie bis Sonntag vorhält. Du schaffst das!“Nein. Nein, das schaffe ich nicht. Wieder andere scheinen auf den ersten Blick charmant: „Schreibe drei Menschen, die du liebst, eine Karte und verschicke sie mit der Post. Auch wenn sie im gleichen Haus wohnen sollten.“Was ist mit Figuren wie meinem inneren Kritiker, die keine drei Menschen lieben, jedenfalls keine, die sich über eine Postkarte von ihm freuen würden? Und dann gibt es Aufgaben, bei denen ich nicht beobachtet werden wollen würde. „Wickle fünf 50 Cent Münzen in Papier, bemale das Papier und hänge sie in der Nähe einer Grundschul­e an einen Baum“? Vielleicht lieber nicht.

Was diesen Kalendern gemeinsam ist, ist gleichzeit­ig das Beste an ihnen: das Papier. Es leuchtet nicht. Es macht nicht „Pling!“Es schickt mir keine Benachrich­tigungen darüber, dass sieben Freunden eine Seite über nutzlose Roboter gefällt, und teilt mir nicht mit, dass #Bundestag trendet. Es unterbrich­t mich nicht. Vielleicht bleibt Zeit, in diesem Kopf ein wenig aufzuräume­n. Das schafft Platz für neue schlechte Ideen.

 ??  ?? SABRINA TIBOURTINE:
Mein tolles neues Leben
Eine der Guten, 116 Seiten, 14,99 Euro eine-der-guten.de
JAN LENARZ, MILENA GLIMBOVSKI: Ein guter Plan
Ein gutes Team, 240 Seiten, 24,90 Euro einguterpl­an.de
SANDRO DALLA TORRE: Klarheit Klarheit, 210...
SABRINA TIBOURTINE: Mein tolles neues Leben Eine der Guten, 116 Seiten, 14,99 Euro eine-der-guten.de JAN LENARZ, MILENA GLIMBOVSKI: Ein guter Plan Ein gutes Team, 240 Seiten, 24,90 Euro einguterpl­an.de SANDRO DALLA TORRE: Klarheit Klarheit, 210...
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