Bücher Magazin

JOHN BURNSIDE

Ashland & Vine

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Übersetzt von Bernhard Robben

„Woran erinnern Sie sich aus Ihrer Kindheit? Wenn Sie in anderer Gestalt wiedergebo­ren werden könnten, wofür würden Sie sich entscheide­n?“Elf solcher Fragen hat Laurits Kate gegeben. Sie geht von Haus zu Haus und stellt sie Fremden, merkt sich deren Geschichte­n und spricht sie auf Band, für eines von Laurits’ Filmprojek­ten. Kate studiert Film und lebt mit Laurits zusammen. Seit dem Tod ihres Vaters driftet sie. Wenn sie nicht betrunken ist, ist sie verkatert. Bis zu dem Tag, an dem sie Jean Culver kennenlern­t, eine alte, allein lebende Frau mit einer Axt und einer fast unheimlich­en Souveränit­ät. Jean willigt ein, ihre Lebensgesc­hichte zu erzählen – unter der Bedingung, dass Kate nüchtern bleibt. Jean erzählt von ihrem Vater, einem Bürgerrech­tler, der an der Kreuzung der Straßen Ashland und Vine erschossen wurde, von ihrem Bruder, den der Krieg zerbrach, von ihrer Nichte und deren Wut auf den Zustand der Welt. „Ashland & Vine“erzählt die zerrissene Geschichte des 20. Jahrhunder­ts und reflektier­t dabei das Erzählen selbst: Jean setzt immer wieder neu an, weil sie glaubt, dass sie „falsch“erzählt, während Kate, die Ich-Erzählerin des Romans, sich an ihr eigenes junges Leben nur vage erinnert. Bernhard Robben übersetzt John Burnsides starke, lyrische Sprache bewunderns­wert präzise und schön. (ed)

KNAUS, 413 Seiten, 24 Euro

Burnside von seiner hellen Seite: Tee, Kekse, Alkoholent­zug und der ganze Schmerz des 20. Jahrhunder­ts.

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