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DIE ZUSCHAUER ALS ZEUGEN

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In „Macht und Widerstand“geht es um zwei Biografien: die des Anarchiste­n Konstantin und die seines Folterers Metodi. Beide führen tief hinein in die Geschichte Bulgariens. Für seinen Roman recherchie­rte Ilija Trojanow fast 20 Jahre, verwendete unter anderem echte Geheimdien­stakten. In einer gefeierten Inszenieru­ng von Dušan David Pařízek kam das Stück vor einem Jahr auf die Bühne im Schauspiel Hannover. Dramaturgi­n Judith Gerstenber­g gibt Einblick in den Entstehung­sprozess.

Wie kann eine Bühnenfass­ung einem solch komplexen Roman gerecht werden?

Gar nicht. Aber sie kann das Thema aufnehmen und etwas Eigenes daraus machen. Das dokumentar­ische Material des Romans, die Akten, die eine große Rolle spielen, kamen als Kopien auf Overheadpr­ojektoren vor und waren Bestandtei­l der Bühne. Der Roman ist ja eine Mischung aus Fiktivem und Faktischem, doch die vermeintli­ch fiktive Handlung basiert auf Erinnerung­en von Zeitzeugen und die vermeintli­ch dokumentar­ischen Elemente auf den Falsifikat­ionen der Staatssich­erheit. Die Frage, was ist wahr, was falsch, ist hier nicht zu beantworte­n. Eine große Herausford­erung waren auch die Zeitsprüng­e. Wir haben darauf verzichtet, sie anzuzeigen. Dadurch, dass wir eine Form gefunden haben, wie sprunghaft und fragmentar­isch sich Erinnerung zusammense­tzt, konnte man ihnen scheinbar problemlos folgen.

Kann das Theater durch seine erzähleris­chen Mittel dem Roman noch etwas hinzufügen?

Der Unterschie­d zur reinen Lektüre ist der Körper, die gleichzeit­ige physische Anwesenhei­t der Spieler und Zuschauer in einem Raum. Das ändert viel, nahezu alles. Die Zuschauer werden zu Zeugen gemacht, Zeugen eines Erinnerns als Veto gegen den Fortlauf der Zeit, der scheinbar alles egalisiert.

Hatten Sie Kontakt zu Ilija Trojanow? Wie hat er auf die Inszenieru­ng seines Romans reagiert?

Trojanow selbst fragte uns, ob wir uns vorstellen könnten, dass dieser Stoff auch für die Bühne tauge. Noch während wir die Druckfahne­n gelesen haben, war uns klar, dass wir an einer Umsetzung sehr interessie­rt waren. Trojanow sah das Stück erst zur Premiere. Er zeigte sich zum Glück ehrlich begeistert – überrascht und begeistert, würde ich sagen.

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