AB AUF DIE KUSCHELCOUCH!
Vorgelesen zu bekommen ist wohl die gemütlichste Art, Abenteuer zu erleben. An Mamas oder Papas Schoß gelehnt, wird ein Buch aufgeklappt und schon geht es los: zu fremden Kindern, die ganz ähnlich sind und doch anders, in Welten, in denen Tiere sprechen können, und sogar bis ins weit entfernte All. Wir haben die schönsten Vorlesebücher des Jahres zusammengetragen.
Es ist sehr wichtig, Kindern vorzulesen. Vorlesen eröffnet Kindern so viele Welten! Es lässt sie Dinge erleben und erfahren, die sie in ihrem eigenen Alltag nicht erfahren können. Meiner Ansicht nach unterstützt Vorlesen Kinder darin, offen, neugierig und kreativ zu sein.“Corinna Küpper ist Programmleiterin beim Hamburger Ellermann Verlag, der sich ganz auf Vorlesebücher spezialisiert hat. Bei der Auswahl wird unter anderem darauf geachtet, dass die Geschichten eine gute Länge haben, um sie möglichst an einem Stück zu lesen. Die Schrift muss auch im Dämmerlicht gut erkennbar sein und die Bücher dürfen nicht zu schwer in der Hand liegen. Am Wichtigsten ist, laut Küpper, aber eines: „Die Vorlesebücher müssen Spaß machen. Und zwar nicht nur den Kindern, sondern auch den VorleserInnen!“
Viel Spaß bringt auf jeden Fall der erste Band von Kalle Komet, einer im Ellermann Verlag erschienenen neuen Serie von Susanne Glanzner. Passenderweise beginnt die Geschichte abends vor dem Einschlafen. Der fünfjährige Paul will lieber noch etwas erleben, statt seine Augen zu schließen. Glücklicherweise bekommt er Besuch vom grünhaarigen Kalle Komet, der ihn mit seiner Rakete auf eine Spritztour durchs Weltall entführt. Die beiden Jungs sausen durch eine Welt, in der man MARSmallows angeln und durch die gefährliche Niesschnuppen fliegen kann. Wenn Kalles beste Freundin Krissie Kristall niest, fällt nämlich eine Sternschnuppe vom Himmel. So geht das Orange des Regenbogens kaputt. Ausgerechnet Paul von der Erde hat den besten Einfall, wie man es retten kann. Die Illustrationen von Anja Grote geben der
rasanten, quietschvergnügten Geschichte irgendwo zwischen „Der kleine Prinz“und „Peterchens Mondfahrt“den passenden glitzerbunten Anstrich.
Ene mene mink mank pink pank, das Hausbuch der Kinderreime und Gedichte, ist nicht nur ein großer Vorlesespaß, es ermuntert auch zum Weiterspielen. Neben Gedichten, die sämtliche Bereiche der kindlichen Lebens- und Vorstellungswelt wie Jahreszeiten, Essen und Trinken, Märchen, Tiere, Geburtstag oder Gefühle berühren, enthält es auch Kapitel, in denen Zungenbrecher, Abzählverse, Fingerspiele, Kniereiter, Sing- und Tanz- sowie Kitzel- und Körperspiele versammelt sind. Auch für die Großen kniffelig können Sprachrätsel wie dieses sein: „Ich weiß ein kleines weißes Haus, hat weder Fenster noch Tore, und will sein kleiner Wirt heraus, muss er die Wand durchbohren.“Was könnte das wohl sein? Na klar: das Ei!
TIERE ALS HAUPTFIGUREN
Der kleine hölzerne Junge Pinocchio saß schon bei Kindern verschiedener Generationen auf der Bettkante. Pipì, der kleine rosarote Affe ist hingegen eine unbekanntere, aber nicht weniger liebenswerte Figur seines Schöpfers Carlo Collodi. Pipì lebt mit seiner Familie im Wald Hullabaluh. Er ist der jüngste von fünf Affenbrüdern und hat als einziger ein rosafarbenes Fell. Außerdem ist er so frech, tollkühn und neugierig, dass es ihm einfach nicht gelingt, ruhig in seinem Nest zu sitzen. Pipì büxt aus und trifft auf das unglaublich alte Krokodil Schnapper, den reichen Menschenjungen Alfred, der ihn in Frack und Schuhe steckt, den grausigen Räuber Trockenkehle und zwei seltsame Affenvölker, die ihn zum Kaiser krönen. Mit einer Fee mit türkisfarbenen Haaren taucht auch eine alte Bekannte aus „Pinocchio“in der verrückten Geschichte auf, die Axel Scheffler humorvoll illustriert hat.
Sprechende Tiere sind auch in weiteren Büchern die Stars: Die Koalabären Koko und Kiri, die Igelkinder Max und Mara, die kleine Katze Nina und die Mäuse Tim und Tanja sind nur einige Figuren aus dem Universum von Erwin Moser. Die Welt, die er seit über 30 Jahren geschaffen hat, ist voller Orte des Zaubers und der Gemütlichkeit, in die sich Kinder in Gedanken kuscheln können. Ob das nun eine fliegende Kiste, ein multifunktionaler Regenschirm oder der ausgehöhlte Stamm eines knorrigen Baumes ist. Das große Erwin Moser Vorlesebuch Man kann jetzt herrlich träumen versammelt zehn der schönsten Geschichten des österreichischen Bilderbuchkünstlers. Auch in Donnerwetter, sagte Fuchs von Kristina Andres leben sehr verschiedene
Tiere in schönster Eintracht beisammen. Die von der Autorin selbst liebevoll illustrierten kurzen Geschichten erzählen von dem Paar Fuchs und Hase und sind durchdrungen von viel schrulliger Poesie. So kommt es vor, dass Fuchs und Hase in ihrem gemeinsam bewohnten Häuschen mit einer Tüte Mais so viel Popcorn produzieren, dass es zum Fenster hinausquillt. Dass Hase freiwillig im Kühlschrank friert, damit ihm ein Winterfell wächst. Und dass sie einen Platz ausfindig machen, von dem aus sie „Stulle mit Wolke“essen können.
Engel, Hase und Bommelmütze lautet der Titel eines zauberhaften Weihnachtsbuchs, das in diesem Jahr im NordSüd Verlag erschienen ist. Ein alter Hase ist darin der Erzähler. Er wechselt sich ab mit einem tollpatschigen, frechen Engel, der eine große Bommelmütze trägt. Ihren Erzählreigen kann man wie einen Adventskalender verwenden, denn sie haben genau 24 Geschichten mitgebracht. Von Papa Bär, der ein Bett für den Winterschlaf sucht, über den Großvater, der seinem Enkel erklärt, wo die Sterne herkommen, bis hin zu der Begebenheit, wie der Weihnachtsmann zu seinem Gehilfen Knecht Ruprecht kam. So unterschiedlich wie die Geschichten sind auch ihre Autoren und Illustratoren, unter denen sowohl der RegenbogenfischErfinder Marcus Pfister als auch der große russische Schriftsteller Leo Tolstoi sind.
HELDEN DES ALLTAGS
Scheinbar mitten aus dem Alltag gegriffen und doch darüber hinausweisend sind Bücher über Kinder, die selbstbewusst ihren eigenen Ideen folgen und die Welt der Erwachsenen gehörig umkrempeln. In Verkühl dich täglich! von Melanie Laibl gründen fünf Kinder einen Verein gegen den Zwang, sich warm anziehen zu müssen. Die originelle Story basiert auf einer wahren Begebenheit aus dem Wien der 1930er-Jahre. In moderner und temporeicher Sprache erzählt Melanie Laibl von spielerischem Widerstand und dem schönen Gefühl, sich gemeinsam für etwas einzusetzen.
Eddi Error von Anne Böhme führt mitten hinein in das chaotische und lustige Leben einer vierköpfigen Familie. Diese bekommt überraschenderweise Zuwachs: Der Vater bringt einen Aufräumroboter vom Flohmarkt mit. Eddi Error bringt weniger Ordnung, dafür aber jede Menge Spaß. Vor allem für den kleinen Niels, der mit ihm Burgen baut, Leute erschreckt, Büsche zum Verstecken zurechtstutzt und neue Freunde findet. Ein tolles dickes Vorlesebuch für Freunde von „Pumuckl“oder „Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt“. Beide Bücher wurden von Susanne Göhlich mit fröhlich frechen Illustrationen versehen.
Wie wichtig das Vorlesen ist, kann man auch anhand einer Studie ablesen, die jedes Jahr von der Stiftung Lesen, der Wochenzeitung DIE ZEIT und der Stiftung Deutsche Bahn durchgeführt wird. In den letzten drei Jahren brachte die Befragung unter anderem folgende Ergebnisse: 2016 gaben neun von zehn befragten Kindern an, dass es ihnen gut gefällt, wenn ihnen vorgelesen wird. Regelmäßiges Vorlesen wirkt sich später auf die schulischen Leistungen der Kinder und auch auf das Sozialverhalten aus. Wurde Kindern regelmäßig vorgelesen, sind diese häufiger darum bemüht, andere in die Gemeinschaft zu integrieren. Leider besagt die aktuelle Studie von 2017: Jedem dritten Kind wird zu Hause nicht oder zu selten vorgelesen. Also liebe Eltern, ab auf die Kuschelcouch und hinein ins Abenteuer!