WAS DARF ICH UND WAS STEHT MIR ZU?
Alles, was Anke Leitzgen mit ihren Sachbüchern anpackt, soll Kinder stärken, aufklären und sie zu selbstständigen und selbstbewussten Mitbürger/innen machen. Dabei präsentiert sie viele, interessante Themen: Kochen, Gärtnern, die Stadt entdecken oder spannende Experimente machen. Etliche ihrer Werke sind preisgekrönt und das zu Recht! In ihrem neuesten Buch geht es um das Thema Kinderrechte.
Können Sie sich erinnern, wann Sie das erste Mal etwas über Kinderrechte gehört haben? Schon als Kind?
Nein, aber ich hätte sie gebraucht. Denn wie alle Kinder hatte ich diesen starken Gerechtigkeitssinn, mit dem man bei vielen Erwachsenen jedoch auf Granit beißt. Und ich wusste schon damals, dass man mit guten Argumenten mehr erreicht als ohne.
Nur 16 Prozent aller Kinder in Deutschland kennen ihre Kinderrechte. Das ist deutlich
zu wenig. 1979 – im „Jahr des Kindes“– machte Polens Regierung den Vorschlag, dass
die Vereinten Nationen Richtlinien für die Kinderrechte entwickeln sollten. Hierzulande hat unser Parlament 1992 zugestimmt, dass die Kinderrechte auch in Deutschland gelten sollen.
Wie sind Sie auf die Idee zu diesem Projekt gekommen?
Ich habe an einem Dossier zum Thema „Wie glücklich sind unsere Kinder?“gearbeitet und dazu Prof. Dr. Sabine Andresen an der Goethe-Universität Frankfurt besucht. Sie ist eine der Projektleiterinnen der internationalen Studie „Children’s Worlds“. Die Studie untersucht das subjektive Wohlbefinden von Kindern zwischen acht und zwölf Jahren. Dabei zeigte sich, dass es einen Zusammenhang gibt: Je mehr Kinder in einem Land ihre Rechte kennen, desto besser geht es ihnen im Schnitt. Nach dieser Information gab es für mich kein Zurück mehr: Ich musste das Buch schreiben.
Was war Ihnen wichtig beim Konzipieren?
Mir war wichtig, dass es ein praktisches Buch wird, das zunächst immer von den echten Erlebnissen der Kinder ausgeht. An diese Geschichten habe ich dann die rechtlichen Informationen angedockt, sodass immer klar wird: Was mache ich denn damit? Überhaupt war mir wichtig, nicht nur die Rechte zu beschreiben, sondern auch mit der Hilfe von Experten den Kindern Ideen an die Hand zu geben, wie sie die Rechte in ihrem Leben umsetzen können.
Wie kann man sich die Arbeit mit den Kindern vorstellen?
Ich habe zwei Schulen mit einem Brief an die Eltern angeschrieben. Darin habe ich das Projekt geschildert und dass mich die schwierigen Geschichten von Kindern interessieren. Trennung der Eltern, Streit wegen der Schule, Schwierigkeiten aufgrund der Hautfarbe, Flucht, Probleme mit der Schule oder aufgrund von Behinderungen. Ich war überrascht darüber, wie viele Kinder und Eltern sich bei mir gemeldet haben. Spannend war auch, wie offen sie reden durften und wie unterstützend ihre Eltern dabei waren.
Haben Sie ein Vorbild für Ihr Engagement für Kinder?
Ich glaube, es ist mein Vater. Er hat uns Kinder immer genauso ernst genommen wie jeden Erwachsenen. Und: mich als Tochter genauso behandelt wie meinen Bruder. Er hat sich vermutlich nie gefragt, ob ich mich als Mädchen vielleicht nicht für Technik oder ferngesteuerte Modellflugzeuge interessieren würde. Das kam ihm gar nicht in den Sinn. Ich glaube, viel von dieser Haltung steckt in meinen Büchern: Sie sollen Kindern dabei helfen, selbstständig und selbstbewusst in der Welt unterwegs zu sein, weil sie viel wissen und können.
Welche Rolle spielen die eigenen Kinder für Ihre Arbeit?
Eine große. Ich habe mit ihnen natürlich noch einmal intensiv erlebt, was es heute heißt, Kind zu sein. Und mit welchen Schwierigkeiten Kinder jetzt zu kämpfen haben.
Eine Fee kommt vorbei und Sie haben drei Wünsche in Sachen Kinderrechte frei …
Dann würde ich mir für Deutschland wünschen, dass Erwachsene keine Angst vor den Kinderrechten haben, weil sie fürchten, dass Kinder dadurch übermächtig werden. Zweitens: Weltweit wünsche ich allen Kindern, dass es ihnen immer besser geht. So weit sind wir zwar noch lange nicht, aber noch nie ging es so vielen Kindern so gut wie heute. Und drittens würde ich mir von der Fee wünschen, dass sie weiterhin all jene unterstützt, die sich für Kinder engagieren. Denn da gibt es noch viel zu tun, auch bei uns: Die Arbeit für oder mit Kindern wird gesellschaftlich geringer geschätzt als die Arbeit für oder mit Erwachsenen. Und ich frage mich immer: Warum eigentlich?