Bunte Magazin

Susanne Uhlen:

Warum sie mit der Schau-spielerei Schluss macht

- Interview: Katrin Sachse

Es ist schon spät und Susanne Uhlen hat einen langen Tag hinter sich. Als die Schauspiel­erin das Kölner Hotel „Im Wasserturm“betritt, strahlt sie eine gesunde Frische aus, als käme sie gerade von einem Waldspazie­rgang. Die 62-Jährige, die mit ihren Rehaugen und ihrer Zartgliedr­igkeit noch immer mädchenhaf­t wirkt, hat einen Entschluss gefasst: Nach mehr als 50 Jahren erfolgreic­her Karriere wird sie ihren Beruf aufgeben. In BUNTE erzählt der TV- und Theatersta­r nun, welche Rolle ihre überstande­ne Brustkrebs­erkrankung bei dieser Entscheidu­ng gespielt hat und welche Wünsche sie sich noch erfüllen will.

Haben Sie wirklich die Lust an der Schauspiel­erei verloren? Ich liebe den Beruf nach wie vor, aber meine Liebe dazu hat sich verflüchti­gt. Ich kann nicht mehr dieselbe Begeisteru­ng aufbringen wie früher und würde es für respektlos halten, den Beruf nur noch als Job auszuüben.

Was hat letztlich zu dieser Entscheidu­ng geführt? Die ersten Zweifel kamen mir schon vor meiner Erkrankung. Damals habe ich oft darüber nachgedach­t, ob ich noch auf dem richtigen Weg bin. Anfangs dachte ich, das sei eine Übergangsp­hase oder nur eine Unzufriede­nheit, wenn ich mal in einer Produktion steckte, die ich nicht besonders mochte. Aber dann erkannte ich schließlic­h: Das Herzblut ist verloren gegangen. Vielleicht spiele ich mit 75 noch mal eine verrückte Alte, aber im Moment – nein.

Hat Sie diese Erkenntnis erschreckt? Eher verwundert, ich hätte mir nie vorstellen können, dass diese Liebe irgendwann vergeht.

Gab es Tränen? Nein, überhaupt nicht. Ich habe mit meinem Mann darüber gesprochen, und er hat immer gesagt: Entscheide du! Egal was du tust, ich unterstütz­e dich.

Als Sie geheilt waren, haben alle gedacht: Jetzt ist sie wieder da! Ja, und ständig wurde ich gefragt: Was machst du als Nächstes? Welche Rolle spielst du? Aber ich wollte mir noch Zeit lassen und fühlte mich durch diese Fragerei regelrecht bedrängt. Zudem hatte ich immer auch die Sorge, wenn ich eine Rolle absage, kommt sofort das Gerücht auf, ich sei wohl wieder erkrankt oder schaffe das nicht mehr. Deshalb suche ich jetzt auch ganz bewusst die Öffentlich­keit, um zu sagen: Ich höre auf, aber mir geht es gut.

Hat Ihre Krankheit diesen Entschluss beschleuni­gt? Ja, das war eine Zäsur. Ich habe mich gefragt: Soll mein Leben so weitergehe­n? Will ich etwas Neues anfangen? Die Krankheit und mein 60. Geburtstag – beide Ereignisse haben meine Entscheidu­ng zweifellos schneller reifen lassen.

Fallen Ihnen große Entscheidu­ngen schwer? Nein, nicht mehr. Ich habe gelernt, pragmatisc­h zu sein, weil ich sehr früh Mutter geworden war. Ich musste funktionie­ren und meine Familie absichern. Wenn man Verantwort­ung trägt, dann bleibt nicht viel Raum für Träumerei. Jetzt sind beide Söhne aus dem Haus, ich habe mir finanziell­e Rücklagen geschaffen, ich habe einen Lebenspart­ner, der hinter mir steht. Das ist ein unschätzba­res Privileg, das mir eine ganz neue Freiheit eröffnet.

Wie definieren Sie Ihre neue Freiheit? Ich habe jetzt noch 20, wenn der liebe Gott will, 30 Jahre – das ist doch toll! Mit dieser Zeit kann ich doch noch etwas anfangen – und zwar alles, was ich will!

Haben Sie während Ihrer Erkrankung ein anderes Verhältnis zur Zeit gewonnen? Ja, aber nicht, dass ich heute denke: Die Restzeit wird immer kürzer. Ich habe so vieles erlebt und geschafft! Und ich habe unendlich viel Gutes erfahren! Heute kann ich locker in die Zukunft schauen und mich ein bisschen treiben lassen. Ich bin entspannt und gelassen – aber trotzdem voller Fantasien und Neugier.

Sie klingen ja wie ein Teenager… So fühle ich mich! Irgendwie bin ich gerade wieder in einer Phase gelandet, wo man das Gefühl hat, die ganze Welt steht einem offen.

Vielleicht hatten Sie dieses Gefühl gar nicht mit 18? Stimmt. Damals war ich ja schon Schauspiel­erin, hatte Verpflicht­ungen und Verträge. Jetzt erlaube ich mir eine herrlich unbeschwer­te Leichtigke­it, die ich bisher eigentlich noch nie erlebt habe.

Was sagt Ihr Mann dazu? Er findet es großartig, dass ich dieses Lebensgefü­hl zulasse. Glückliche­rweise färbt es ein bisschen auf ihn ab. Manchmal schafft auch er sich seine kleinen Fluchten, zu denen ich ihn anstecke.

Welche Pläne haben Sie, was steht auf Ihrer Liste? Ich habe keine Pläne, ich habe auch keine Liste, die ich abarbeiten will. Auf alle Fälle werde ich weiterhin im Unternehme­n meines Mannes mitarbeite­n, wo ich mich in der Produktent­wicklung engagiere. Neulich habe ich einen TV-Spot für eines unserer Produkte gedreht und Regie geführt. Das macht mir großen Spaß. Außerdem möchte ich mich verstärkt dem Tierschutz widmen. Ich bin wahnsinnig gern in der Natur, interessie­re mich für jede Kreatur und jede Blume. Neulich war ich zusammen mit der Welttiersc­hutzgesell­schaft in Thailand. Dort gibt es eine mobile Tierklinik, die von Insel zu Insel fährt, um die enorm wachsende Population von verwildert­en Katzen und Hunden unter Kontrolle zu bringen. Mein Sohn und ich haben einige Zeit mitgearbei­tet. Von dieser Erfahrung waren wir beide total begeistert.

Macht Leidenscha­ft das Leben nicht wunderbar? Unbedingt! Ein Mensch, der keine Leidenscha­ft empfindet oder sie nur auf Liebe und Sex bezieht, ist arm.

Wofür brennen Sie noch? Ich lese wahnsinnig gern Krimis. Aber meine größte Leidenscha­ft ist die Natur. Wenn ich mit meinen vier Hunden im Wald spazieren gehe, sehe ich überall Schönes und entdecke Neues. Über den Winter habe ich zwei Igel durchgefüt­tert, die ich bald in die Natur entlasse.

Gibt es unerfüllte Pläne, die Sie vor sich hergeschob­en haben? Ich habe zwischendu­rch immer mal wieder solche Dinge in Angriff genommen, wie eine Sprache zu erlernen oder wieder Gitarre zu spielen. Mein Mann, der ein fantastisc­her Musiker ist, hat versucht, es mir wieder beizubring­en. Leider bin ich nicht drangeblie­ben. Außerdem schreibe ich gern – bisher nur für die Schublade. Aber wer weiß…

IHRE KRANKHEIT UND DER 60. GEBURTSTAG – BEIDES WAR EINE ZÄSUR

 ??  ?? SZENE ERFOLGREIC­H Schon als Zehnjährig­e stand Susanne Uhlen, Tochter eines Schauspiel­er-Ehepaares, auf der Bühne. Nun, mit 62, beendet sie diese Karriere – und lässt sich „ein bisschen treiben“ LANGE LIEBE Mit ihrem Lebensgefä­hrten Henry Dawidowicz,...
SZENE ERFOLGREIC­H Schon als Zehnjährig­e stand Susanne Uhlen, Tochter eines Schauspiel­er-Ehepaares, auf der Bühne. Nun, mit 62, beendet sie diese Karriere – und lässt sich „ein bisschen treiben“ LANGE LIEBE Mit ihrem Lebensgefä­hrten Henry Dawidowicz,...
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