Edgardo Osorio:
Neuer Star am Schuhhimmel
Im Werbefilm liegen die Fashionistas reihenweise bei Edgardo Osorio, 30, auf der Couch. Der spielt darin einen Psychoanalytiker und die Damen beichten dem Mode-Sigmund Freud reuig ihre Schuhsucht. Dr. Schuh zeigt größtmögliches Verständnis. Zwar nimmt sich der Designer hier selbst auf die Schippe, aber eben das ist sein Erfolgsrezept: Osorio hört den Kundinnen zu und versteht ihre Bedürfnisse. Mit Folgen…
In den 90ern waren es Manolos, dann Louboutins, jetzt sind es die Pumps mit der kleinen Ananas unter der Sohle, die gehypt werden: Aquazzuras. Die Marke heißt nach dem „blauen Meer“vor Cartagena, Osorios kolumbianischer Heimat. Mit seinen Modellen „Christy“und „Sexy Thing“ist dem Designer gelungen, was in der Modewelt selten ist – die Erschaffung eines Klassikers, wie die „Birkin Bag“von Hermès einer ist.
Doch was macht echte Klassiker aus? Vor allem eins: Sie verstehen die realen Bedürfnisse, die Frauen an Mode haben, und orientieren sich am „use case“. Bei der „Birkin Bag“lief das 1983 so: HermèsChairman Jean-Louis Dumas traf Schauspielerin Jane Birkin auf einem Flug von Paris nach London. Als ihre Tasche riss, half er ihr, den Inhalt aufzusammeln. Birkin klagte, sie suche seit Jahren nach dem perfekten Weekender aus Leder, finde aber keinen, und beschrieb Dumas ihr Idealmodell. Die Geburtsstunde des TaschenKlassikers.
Ähnlich lief es bei Osorio: „Meine Freundinnen bemängelten, sie würden keine bequemen High Heels finden. Also schuf ich ,Sexy Thing‘. Der fühlt sich wie ein weicher Handschuh nur mit Absatz an und man kann ihn den ganzen Tag im Büro tragen.“Lerne: Ein Produkt kann noch so schön sein, wenn es an der Lebensrealität von Frauen vorbeidesignt ist, hat es nie das Zeug zum Klassiker.
Edgardo Osorio stammt aus einer wohlhabenden kolumbianischen Familie, der Vater ist im Baubusiness. Seine High-Society-Freundinnen fungieren gern als langbeinige Versuchskaninchen und als seine Musen, genannt „Aquazzura Girls“. Vielen hat er Modelle auf den Fuß geschneidert. Warum aber sind die steilen Teile so bequem? Pure Mathematik! In seinem Werk in Florenz beschäftigt der Detailliebhaber extra Statikspezialisten, die jeden Schuh berechnen! „Nur ein Millimeter kann den ganzen Schwerpunkt verändern.“Die Ananas wählte Osorio übrigens als Logo, weil sie ihn an seine Heimat erinnert und weil sie für Glück und Wohlstand steht: „Mir gefiel die Idee, auf einem Glücksbringer zu laufen.“Apropos: Laufen auf Stilettos ist eine Kunst. Was rät der Experte da? „Die Höhe schrittweise steigern. So habe ich es meiner Schwester auch beigebracht. Und zu Hause üben. High Heels beim Kochen oder Aufräumen tragen. Wenn das unfallfrei klappt, kommt der Straßentest.“
Abschließend die modische Gretchenfrage: Woher rührt die symbiotische Beziehung zwischen Frau und Fußkleid? „Schuhe lösen ein emotionales High aus. Man kann sie mit jeder Konfektionsgröße tragen und das Anprobieren ist viel unkomplizierter als bei Kleidern. Sobald man in sie hineinschlüpft, verändern sie die ganze Haltung. Marilyn Monroe entfernte bei ihren Stilettos immer eine Absatzkappe, um ihren Hüften diesen sexy Schwung zu verleihen.“
Schuhe sind somit nicht nur Mode, sondern subtile Instrumente im Geschlechtertanz. Osorio: „Ursprünglich waren Absatzschuhe ein männliches Symbol der Macht. Zu Zeiten König Ludwigs XIV. durften nur Herren seines Hofstaats rote, hohe Schuhe tragen. Das Privileg haben sich die Frauen erobert. Einige unserer höchsten Heels verkaufen wir an Managerinnen, die sie in Meetings tragen, um die Männer psychologisch einzuschüchtern.“