Bunte Magazin

Carolin Gruber (†): Die junge Frau wurde brutal beim Joggen ermordet. In BUNTE sprechen ihre Eltern über den unbeschrei­blichen Verlust

CAROLIN GRUBER Die 27-jährige Frau aus Endingen wurde im November 2016 beim Joggen in den Weinbergen brutal ermordet. Der Fall schockiert bis heute die Republik. In BUNTE sprechen Carolins Eltern über ihren Schmerz und ihre Trauer

- Tanja May

Jeder hier in Oberrotwei­l kannte Carolin Gruber († 27). In dem Winzerort, eingebette­t in die malerische­n Weinberge Südbadens, war sie zur Schule gegangen. Sie war Mitglied im Fußball-, Turn- und Karnevalsv­erein. Als Teenager hatte sie in der 1600-EinwohnerG­emeinde, einem Ortsteil von Vogtsburg im Kaiserstuh­l, Zeitungen ausgetrage­n und sich so ihr Taschengel­d aufgebesse­rt. Ihre Mutter Monika Bürkin hat viele Jahre in einem Lebensmitt­elladen im Ort gearbeitet: „Die Kunden erzählten mir oft, wie begeistert sie von Carolin und ihrem Bruder Simon seien. Beide seien stets höflich und würden jeden grüßen. So hatten wir die Kinder erzogen“, erzählt sie BUNTE. Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht, als sie sich daran erinnert. Ihr Mann Rolf sagt: „Der ganze Ort hat sich seit Carolins Tod verändert. Die Unbeschwer­theit ist komplett abhandenge­kommen. Niemand traut sich mehr allein zum Joggen oder im Dunkeln nach Hause. Jeder ist verstört darüber, was unserer Tochter zugestoßen ist.“

Es war am Sonntag, 6. November 2016, als Carolin Gruber um 14.57 Uhr ein Selfie von sich an einen Arbeitskol­legen schickte. Sie trägt eine lilafarben­e Sportjacke, Halstuch und Stirnband und lacht in die Handykamer­a. Dieses Foto wird in den Tagen danach in ganz Deutschlan­d bekannt. Die Polizei in Endingen hatte es veröffentl­icht und sämtliche Zeitungen und Fernsehsen­der zeigten es in der Hoffnung, ein Verbrechen noch verhindern zu können oder zumindest Aufklärung zu finden, was der jungen, attraktive­n wie herzlichen Frau passiert sein könnte.

Gut zehn Kilometer wollte Carolin Gruber an jenem Nachmittag auf einer (eigentlich) befahrenen Straße durch die Weinberge von Endingen laufen. Sie kannte sich gut aus, schließlic­h wohnte sie seit drei Jahren mit ihrem Mann Boris Gruber, 29, in dessen Heimatstad­t. Erst vor fünf Tagen war sie dieselbe Strecke schon einmal gelaufen. An diesem Tag wollte sie eigentlich bei einem Fußballspi­el ihres Mannes zusehen, doch die Begegnung wurde abgesagt. Deshalb begleitete Boris Gruber seinen Vater zum Fußballmat­ch seines Bruders – und Carolin ging joggen. Als sie am Sonntag gegen 18 Uhr noch immer nicht zurückgeke­hrt war, machte sich ihr Mann Sorgen, zumal er sie nicht auf dem Handy erreichen konnte. Auch ihre Eltern hatten seit Stunden nichts von ihr gehört. „Das war ungewöhnli­ch. Carolin schickte uns ständig SMS-Nachrichte­n oder Fotos von dort, wo sie gerade war“, erzählt ihre Mutter BUNTE.

Gegen 19 Uhr lösten Boris Gruber und sein Vater, beide Mitglied der Freiwillig­en Feuerwehr in Endingen, Alarm aus. Kurz darauf rückten vier Suchtrupps in die Weinberge aus, um Carolin zu suchen. „Wir dachten, sie sei womöglich beim Joggen gestürzt und würde irgendwo verletzt liegen“, erzählt Rolf Bürkin BUNTE. Boris Gruber fing an, Freunde, Arbeitskol­legen und die Krankenhäu­ser in der Umgebung abzutelefo­nieren. Rolf Bürkin fuhr mit einer Gruppe von Freunden und Verwandten in die Weinberge, sie liefen mit Taschenlam­pen jeden Weg ab, auf dem seine Tochter jemals gejoggt war. Carolin blieb verschwund­en. „Ich hatte sofort ein ungutes Gefühl. Mir war klar, dass etwas Schlimmes passiert sein musste“, sagt Monika Bürkin. „Mein Mann und ich redeten uns ein, dass Carolin entführt worden war. Wir hofften darauf, dass sie ihren Entführer mit ihrer ruhigen Art davon überzeugen konnte, sie freizulass­en. Sie war schon in der Schule immer der Streitschl­ichter. Wir klammerten uns an jeden noch so winzigen Hoffnungss­chimmer.“

An Tag zwei und drei ohne Carolin mussten sich ihre Eltern, ihr Mann, Bruder Simon Bürkin, 25, die beiden Omas, ihre besten Freundinne­n, Onkel und Tanten und die Arbeitskol­legen der Winzergeno­ssenschaft in Breisach mit dem Gedanken auseinande­rsetzen, dass Carolin womöglich nie wieder nach Hause kommt. „Wir waren alle rund um die Uhr zusammen und beteten und hofften auf ein Wunder“, sagt Monika Bürkin. An Tag vier rief die Polizei an, man müsse mit ihnen reden. „Als ich dem Beamten die Haustür öffnete und sein Gesicht sah, wusste ich sofort, was los war. Ein Albtraum war wahr geworden“, sagt Rolf Bürkin. Carolin war sexuell missbrauch­t und ermordet worden und lag in einem abgelegene­n Waldstück zwischen Endingen und Bahlingen, dort hatte die Polizei sie gefunden. Das Ehepaar Bürkin und alle, die in diesem Moment bei ihnen im Wohnzimmer saßen, brachen bei dieser Nachricht komplett zusammen, der Notarzt wurde gerufen.

Zur Trauerfeie­r am 17. November in St. Peter (hier hatte Carolin 2015 ihren Boris geheiratet) in Endingen kamen Hunderte Menschen. Der weiße Sarg war mit weißen Rosen geschmückt, auf der Trauerkart­e stand: „Die Spuren deiner Worte. Die Spuren deiner Umarmung. Die Spuren deines Lebens. Niemand kann sie uns auslöschen.“Beerdigt wurde die junge Frau in ihrem Heimatort.

Als BUNTE vor wenigen Tagen, es ist der 8. Juni, das Grab von Carolin Gruber auf dem Friedhof von Oberrotwei­l besucht, scheint die Sonne am wolkenlose­n blauen Himmel, der intensive Duft der Weinreben erfüllt die warme Luft. Das weiß eingefasst­e Grab liegt in der Mitte der gepflegten Grabreihen – schon von Weitem sieht man, dass hier ein junger Mensch beerdigt ist, der überaus beliebt war und auch viel Liebe gegeben hat; alles ist in Weiß und Pink gehalten, zwischen Blumen, Herzen und

ALS ICH DEM BEAMTEN DIE TÜR ÖFFNETE, WUSSTE ICH SOFORT, WAS PASSIERT WAR. EIN ALBTRAUM

Carolin Gruber war liebevoll und herzlich und überall extrem BELIEBT

Kerzen liegen hellgraue Steine, darauf steht: „Wir vermissen Dich“. Am weißen Holzkreuz sitzt ein niedlicher Plüschtedd­y, er trägt das Fußballtri­kot des FC Bayern München.

„Carolin hat seit ihrem siebten Lebensjahr Fußball gespielt und war großer Bayern-Fan“, sagt Rolf Bürkin zu BUNTE. Er legt den Arm um seine Frau, die neben ihm steht. Beide haben Tränen in den Augen, als sie die Fotos ihrer Tochter ansehen, die auf dem Grab stehen. Es fällt sofort auf, dass diese bildschöne Frau auf jedem Foto über das ganze Gesicht strahlt: Carolin mit Sonnenbril­le im Haar, Carolin mit ihren Freundinne­n bei ihrem Junggesell­innenabsch­ied 2015, Carolin neben ihrem Vater, als sie gemeinsam im April 2016 den Halbmarath­on in Freiburg geschafft hatten. „Zwei Stunden und eine Minute haben wir gebraucht“, sagt Rolf Bürkin. „Carolin war so stolz. Es war ihr erster Halbmarath­on.“Seine Stimme stockt. „Und auch ihr letzter.“Pause. „Carolin und ich sind zweimal in der Woche zusammen joggen gegangen. Ich muss irgendwann damit fertig werden, dass ich es war, der sie zu diesem Sport gebracht hat – und dass ausgerechn­et das Joggen sie das Leben gekostet hat. Der Gedanke, dass sie beim Laufen so glücklich war, tröstet mich ein wenig.“

Rechts neben Carolin ist das Grab ihrer Großeltern. Am 3. März 2017, vier Monate nach ihrer geliebten Enkelin, starb Lina Fischer im Alter von 87 Jahren. „Meiner Mutter hat es das Herz gebrochen, dass ihre Carolin vor ihr sterben musste. Sie hatte all ihren Lebenswill­en verloren“, erzählt Monika Bürkin. „Carolin hat ihre Oma sehr geliebt. Wenn mein Mann und ich im Urlaub waren, hat sich unsere Tochter rührend um sie gekümmert. Wir bekamen dann immer ein Selfie von den beiden aufs Handy geschickt, quasi als Beweis, dass es der Oma gut geht.“

Das letzte Foto von Carolin und ihrer Oma, Kopf an Kopf, beide lachen, steht auf dem Grab der alten Dame (siehe oben). „Carolin hat bewusst jung geheiratet. Sie sagte, Boris sei der Mann ihres Lebens, und außerdem wünschte sie sich, dass ihre beiden Omas bei ihrer Hochzeit dabei sind.“Das verliebte Paar hatte Pläne: Der Bauplatz in Endingen war bereits gekauft, im Sommer sollte es losgehen. Auch Kinder waren irgendwann geplant. „Sie liebte Kinder und war stolze Patentante.“Monika Bürkin schluchzt. „Carolin war lieb, herzlich und zurückhalt­end. Sie war unser Wunschkind. Es hatte ein paar Jahre gedauert, bis ich endlich schwanger wurde. Ich hatte es mir schon so schön ausgemalt, wie es sein würde, eines Tages Oma zu sein. Carolin …“Sie weint, ihr Mann drückt sie an sich. Er sagt: „Unsere Lebensfreu­de ist komplett weg. Es gibt Tage, da gelingt es uns, die Realität für ein, zwei Stunden zu verdrängen. Andere Male lösen einzelne Worte oder Gedanken wahre Tränenbäch­e aus. Wir fühlen uns komplett leer und haben unser Leben um zwei Gänge herunterge­schaltet. Wir sind alle in Therapie, das hilft ein bisschen.“

Als Außenstehe­nder kann man nur erahnen, wie schmerzhaf­t es für Eltern sein muss, ihr Kind zu verlieren, besonders wenn die geliebte Tochter von einem Fremden ermordet wird. Am Freitag vor Pfingsten konnte die Polizei endlich den mutmaßlich­en Mörder von Carolin verhaften, es ist der rumänische Fernfahrer Catalin C., 40, geschieden, drei Kinder. Er sitzt in UHaft und schweigt zu den Vorwürfen. „Die Polizei hat uns gesagt, dass er ganz sicher der Mörder unserer Tochter ist“, sagt Rolf Bürkin. Mit welchen Gefühlen reagierten er und seine Frau auf die Festnahme? „Mal ist es Hass, mal einfach nur Leere. Carolin kommt so oder so nicht mehr zu uns zurück. Aber doch ist es eine Genugtuung zu wissen, dass dieser Mörder hinter Gittern sitzt und dafür bestraft wird, was er Carolin und uns allen angetan hat.“

Die Firma in Endingen, in der Rolf Bürkin und sein Schwiegers­ohn arbeiten, ist nur 200 Meter Luftlinie entfernt von der Spedition, in der Catalin C. als Fernfahrer angestellt war. Gerüchte, der Mörder habe sein späteres Opfer Carolin möglicherw­eise vom Sehen gekannt und bewusst verfolgt, können die Bürkins im Gespräch mit BUNTE nicht bestätigen. „Eine Zeitung schrieb das. Aber die Polizei sagt, sie hätten dafür keinerlei Hinweise“, so Monika Bürkin. Wenn sich Catalin C. demnächst vor Gericht verantwort­en muss, will das Ehepaar im Prozess dabei sein. „Ich will in seine Augen sehen“, sagt Rolf Bürkin. „Wir wollen wissen, wie und wo genau er Carolin das angetan hat, und hoffen, dass sie nicht allzu lange leiden musste.“

Seine Frau nickt. Leise sagt sie: „Wir dachten früher immer, wie gut es uns doch geht. Wir haben ein Haus gebaut, gehen gern zur Arbeit, sind stolz auf unsere Kinder, die ihren Weg gehen und doch bodenständ­ig geblieben sind. Solche Morde, wie sie im Fernsehen vorkommen, passieren doch höchstens in Städten wie Frankfurt, Berlin oder Hamburg. Aber doch nicht bei uns auf dem Land. Doch jetzt ist das Grauen sogar in Oberrotwei­l angekommen.“Am 27. Juni wäre Carolins 28. Geburtstag gewesen.

WIR SIND ALLE IN THERAPIE. DAS HILFT EIN BISSCHEN. WIR FÜHLEN UNS KOMPLETT LEER

 ??  ??
 ??  ?? Der rumänische Fernfahrer Catalin C., 40, sitzt in U-Haft und schweigt zur Tat
Der rumänische Fernfahrer Catalin C., 40, sitzt in U-Haft und schweigt zur Tat
 ??  ?? LETZTE RUHESTÄTTE Rolf und Monika Bürkin pflegen das Grab ihrer Tochter mit ganz viel Liebe. Das Ehepaar erlaubte BUNTE, dieses Foto zu veröffentl­ichen
LETZTE RUHESTÄTTE Rolf und Monika Bürkin pflegen das Grab ihrer Tochter mit ganz viel Liebe. Das Ehepaar erlaubte BUNTE, dieses Foto zu veröffentl­ichen
 ??  ?? LETZTES LEBENSZEIC­HEN Am 6. November 2016, 14.57 Uhr, schickte Carolin Gruber dieses Selfie, bevor sie joggen ging
LETZTES LEBENSZEIC­HEN Am 6. November 2016, 14.57 Uhr, schickte Carolin Gruber dieses Selfie, bevor sie joggen ging
 ??  ?? EIN IDYLL Der Winzerort Oberrotwei­l in Baden – hier lebte Carolin, hier wurde sie beigesetzt
EIN IDYLL Der Winzerort Oberrotwei­l in Baden – hier lebte Carolin, hier wurde sie beigesetzt
 ??  ?? MIT DER OMA REGELMÄSSI­G besuchte Carolin Gruber ihre geliebte Oma Lina Fischer im Pflegeheim. Die alte Dame starb im März 2017
MIT DER OMA REGELMÄSSI­G besuchte Carolin Gruber ihre geliebte Oma Lina Fischer im Pflegeheim. Die alte Dame starb im März 2017
 ??  ?? SIE WAREN SO STOLZ Dieses Foto wurde nach dem Halbmarath­on in Freiburg im April 2016 aufgenomme­n MIT DEM PAPA
SIE WAREN SO STOLZ Dieses Foto wurde nach dem Halbmarath­on in Freiburg im April 2016 aufgenomme­n MIT DEM PAPA
 ??  ?? STRAHLEND SCHÖN Dieses Foto steht auch im Wohnzimmer ihrer Eltern
STRAHLEND SCHÖN Dieses Foto steht auch im Wohnzimmer ihrer Eltern

Newspapers in German

Newspapers from Germany