Maria Furtwängler:
MARIA FURTWÄNGLER Die „Tatort“-Kommissarin ermittelte gemeinsam mit Wissenschaftlern die Verteilung der Geschlechter im deutschen Film und Fernsehen. Das Ergebnis ist ein Weckruf für die Verantwortlichen
Die „Tatort“-Kommissarin kämpft für mehr Rechte und Verantwortung für Frauen
Sie sind in der Minderheit, sie tragen wenig Verantwortung, und wenn sie schon mal in der ersten Reihe mitspielen, sind sie eher 30 als 60 Jahre alt: Frauen, wie sie im deutschen Film und Fernsehen gezeigt werden. Schauspielerin Maria Furtwängler gelang mit der MaLisa-Stiftung, die sie mit ihrer Tochter Elisabeth ins Leben rief, das Kunststück, die vier großen deutschen Sendergruppen (ARD, ZDF, RTL, ProSiebenSat.1) und die Filmförderer an einen Tisch zu bringen. Gemeinsam ließen sie die Verteilung der Geschlechter in ihren Programmen erforschen. Beauftragt mit der Studie wurden Prof. Dr. Elizabeth Prommer und Dr. Christine Linke vom Institut für Medienforschung der Universität Rostock.
Waren Sie überrascht von den Ergebnissen? Ich war absolut überrascht, insbesondere von den Zahlen im Kinderfernsehen. Nur eine von vier Figuren ist da weiblich und alles, was nicht mensch-
„EIN G20GIPFEL MIT ZEHN FRAUEN? DAS WÜRDE MIR GEFALLEN!“
lich ist, also Robben, Schwammköpfe, Hunde, ist zu 80 Prozent männlich. Ich finde es verstörend, dass bereits Kinder auf eine männliche Welt konditioniert werden.
Gibt es eine ungleiche Verteilung der Geschlechter nicht auch in anderen Medien? Ja, aber Fernsehen und Kino sind Gegenstand dieser Studie, der ja weitere folgen werden. Sie erreichen immerhin 80 Prozent der Deutschen täglich.
Beim G20-Gipfel waren nur zwei der 20 Weltenlenker Frauen. In einer idealen Welt wären es zehn? Ich glaube, das würde mir gefallen. Aber man sieht ja, wie schwer sich die deutsche Politik tut. Hätten die Parteien sich keine Quote verordnet, wären es noch immer maximal 15 Prozent Frauen im Parlament. Und wenn man sich die Vorstände des DAX 100 anschaut, da hat sich in den letzten fünf Jahren fast gar nichts getan. Deshalb finde ich aktuell den Erfolg von „Wonder Woman“hochinteressant. Der Film eröffnet den Möglichkeitsraum, dass eine Frau die Welt retten kann. Dass da mal eine Superheldin ist, das gibt Mädchen Kraft und Mut. Es werden viel zu wenige solcher Bilder geschaffen, dafür will ich ein Bewusstsein schaffen. Wir brauchen Bilder, um uns bestimmte Dinge vorstellen zu können.
In einer idealen Welt wären alle Rollen 50/50 verteilt? Das ist gar nicht meine Lebenseinstellung. Ich bin eine Befürworterin der Quote, aber die Quote ist eine Krücke, mit der man lernen kann, auf zwei Beinen zu gehen, und wenn das der Fall ist, kann man die Krücke auch wieder wegschmeißen. Ich glaube, dass die Gesellschaft von mehr Gleichberechtigung profitiert. So wie jedes Individuum für sich im besten Fall einen Ausgleich zwischen männlichen und weiblichen Anteilen anstreben sollte.
Was muss sich ändern? Ich maße mir nicht an, irgendjemandem zu sagen, was er zu tun und zu lassen hat. Unsere Studie ist eine Bestandsaufnahme, die es so noch nie gab. Zum ersten Mal haben sich öffentlich-rechtliche wie private Sender und Filmförderer zusammengetan, um sich den Spiegel vorhalten zu lassen. Das ist schon ein Zeichen, dass sich etwas bewegt hat. Jetzt kommen die Zahlen dazu, die müssen die Sender und Förderer für sich interpretieren. Interessant ist, wie deutlich die Zahlen der Studie belegen, dass Frauen jenseits der 35 graduell aus Film und Fernsehen verschwinden.
Ist Ihre Arbeit abgeschlossen? Es wäre absolut spannend, in spätestens fünf Jahren zu gucken, wie sich alles entwickelt hat. Das kann keine einmalige Geschichte sein, das muss ein stetiger Anzeiger für Wandel werden. Das wäre mein großer Wunsch. Außerdem plane ich, eine Datenbank mit Expertinnen auf verschiedenen Gebieten zu unterstützen, auf die Redaktionen zugreifen können. Die Studie ergab, dass auch das Erklärende im Fernsehen, Moderatoren wie Experten, sehr stark männlich ist. Amerikaner haben bereits Datenbanken wie SheSource, die dafür sorgen, dass in den Redaktionen nicht mehr gesagt werden kann: „Ja, zu dem Thema gibt es halt keine Frau, die sich auskennt.“
Sie sind verheiratet mit dem prominenten Medienunternehmer Hubert Burda, der auch die BUNTE verlegt. Diskutieren Sie mit ihm über diese Themen? Ich glaube, dass mein Mann durch mich und auch durch unsere Tochter, die eine neue Generation ist, die geballte Power bekommt. Außerdem hat er bei der Übertragung des Eigentums auf Sohn und Tochter gerade eine 50/50-Regelung geschaffen. Er hat sich an die Spitze der Bewegung gesetzt.
„FRAUEN JENSEITS DER 35 VERSCHWINDEN VOM BILDSCHIRM“