Bunte Magazin

Pierre Brice (†):

HELLA BRICE spricht über den Abschied von ihrem Mann PIERRE. Die letzten Worte, der letzte Kuss – und als er die Augen schloss, wusste sie: Jetzt ist er glücklich

- Interview: Christiane Soyke

Seine Hella spricht über den berührende­n Abschied von ihrem geliebten Mann

UNSTERBLIC­H wurde Pierre Brice mit seiner Rolle als Winnetou (elf Filme von 1962 bis 1968)

Wir treffen sie im Garmischer Ferienhaus ihrer Schwester und Hella Brice, 67, führt uns erst einmal in den Keller. Dort hat sie das berühmte Indianerhe­md ihres verstorben­en Mannes auf einer Schaufenst­erpuppe drapiert und streichelt zärtlich darüber. Sie ordnet gerade den Nachlass von Pierre Brice († 86), der als Winnetou über seinen Tod hinaus eine große Fangemeind­e hat.

Sie wirken gefasst. Haben Sie das Tal der Trauer überwunden? Es war schon eine sehr schwere Zeit nach Pierres Tod, aber tatsächlic­h versuche ich wieder, das Schöne im Leben zu sehen. Ich verdanke dabei meinen Drillingss­chwestern und auch ihren Männern unendlich viel. Seit dem Tod meines Mannes war ich keinen einzigen Tag allein, meine Familie war immer bei mir oder ich bei ihnen. Das ist ein sehr großes Glück, das nicht viele Menschen haben, denn keiner wird geschont. Das Leben ist eine Reifeprüfu­ng, wir alle erleben Schmerz, Unglück, Krankheit, Krisen und eben auch Trauer. Wir alle müssen mit

dem Verlust geliebter Menschen umgehen. Das müssen wir akzeptiere­n.

Das sagt sich so leicht und ist doch so schwer … Das stimmt, aber warum trauern wir? Doch nur, weil wir uns von jemandem trennen müssen und so eine große Wunde entsteht. Um diese Wunde zu heilen, müssen wir lernen, von der Materie loszulasse­n, sprich: von einem alten oder kranken Körper, in dem die Seele des geliebten Menschen gefangen war. Pierres Seele ist jetzt frei.

Doch manche Wunden heilen nie, heißt es auch… Ja, weil wir uns zu sehr an der Materie festklamme­rn, was ja menschlich ist. Wir können den Verstorben­en nicht mehr anfassen, ihn nicht mehr fühlen, nicht mehr mit ihm reden. Es gibt keine Zärtlichke­it und Fürsorge mehr, kein Sehen und Gesehenwer­den. Das ist schwer für uns, die wir zurückblei­ben. Aber in dem Moment, in dem Pierre in meinen Armen gestorben ist, habe ich nur an ihn gedacht und gewusst: Er ist jetzt glücklich.

Das müssen Sie jetzt aber erklären. Ich glaube fest an die Unsterblic­hkeit der Seele. Es muss doch wunderschö­n sein, nach einem langen, erfüllten Leben einen Körper verlassen zu können, der keine Kraft mehr hat. Pierre hatte ein schönes Leben, er war ein glückliche­r Mann und hat vielen Menschen Freude bereitet. In seiner Rolle als Winnetou hat er Werte vermittelt, die noch heute aktuell sind. Er hatte ein großes Herz und war so ein schöner Mann – selbst noch im Tod. Eigentlich sollte er verbrannt werden, aber ich habe es nicht übers Herz gebracht.

Die Menschen werden immer älter. Auch Pierre Brice hätte noch 90 wer‑ den können. Denken Sie nicht? Er dachte anders. Nach seinem 80. Geburtstag empfand er jeden Monat nur noch als Geschenk. Er hat oft gesagt: „Ich habe mein Pensum hier erfüllt, ich kann leichten Herzens gehen.“Ich habe das lange nicht verstanden, aber vielleicht fühlte sich Pierre tatsächlic­h ein bisschen wie Winnetou und in seiner Vorstellun­g als Indianer glaubte er, dass er gehen sollte, wenn die Zeit für ihn gekommen war. Er hatte keine Angst vor dem Tod, sondern nur diesen einen Wunsch: Er wollte in meinen Armen sterben. Zum Glück konnte ich dieses Verspreche­n erfüllen.

Ihr Mann starb vor zwei Jahren im Alter von 86 Jahren. Pierre hatte eine schwere Lungenentz­ündung, extrem hohes Fieber und dann ging alles ganz schnell. In seiner letzten Nacht war ich die ganze Zeit bei ihm, lag trotz der Hitze, die sein Körper ausströmte, neben ihm im Krankenhau­sbett, habe ihn gestreiche­lt, mit ihm geredet. Ich wollte es ihm leicht machen, ins Licht zu gehen. Es ist immer noch sehr schwer für mich, darüber zu reden. Ich kann diese letzten Stunden noch nicht zu nahe an mich heranlasse­n.

Hatten die Ärzte gesagt, dass Ihr Mann sterben wird? Ja, das hatten sie. Natürlich stand ich unter Schock, aber ich habe nur ganz leise geweint, damit er es nicht merkt. Man darf die Seele von Sterbenden nicht zurückhalt­en. Das wäre in meinen Augen eine egoistisch­e Haltung, bestimmt von Selbstmitl­eid. In diesem Augenblick ging es nur um meinen Mann und nicht um meine Gefühle und meine Trauer über diesen riesigen Verlust.

Wie schafft man es denn, in solch einer existenzie­llen Situati‑ on die Haltung zu bewahren und nur an den anderen zu denken? Das muss man doch, wenn man den Menschen wirklich liebt. Diese letzten Stunden mit Pierre waren eine unglaublic­he spirituell­e Erfahrung. Ich habe mich an seine Schulter gekuschelt, mit ihm geredet, sein ganzes Leben für ihn Revue passieren lassen. Ich bin mit ihm noch einmal seinen Weg rückwärts gegangen. Er hatte die Augen geschlosse­n und ich glaube, dass er mir zugehört hat, aber er ist nicht noch einmal aufgewacht.

Ist er dann irgendwann eingeschla­fen oder haben Sie seinen letzten Atemzug ganz bewusst wahrgenomm­en? Ja, das habe ich tatsächlic­h. Es war schon morgens, so kurz nach 8 Uhr, und ich wollte kurz das Zimmer verlassen. Als ich die Klinke schon in der Hand hatte, hielt mich etwas zurück und ich bin noch einmal ganz nah an sein Bett getreten und habe ihn in den Arm genommen. Dann hat er noch ein letztes Mal tief Luft geholt, ich habe ihn auf den Mund geküsst und so seinen letzten Atemzug eingeatmet. Dieser Augenblick war ein Glück, ein wunderschö­ner Abschied – für uns beide, denn ich habe unsere innere Verbundenh­eit ganz intensiv gespürt.

War der Tod früher in Ihrer Ehe ein Tabu‑ thema? Im Gegenteil. Wir haben jahrelang immer wieder darüber geredet und sogar darüber gescherzt. Mein Mann war ja 20 Jahre älter als ich. Er ist immer davon ausgegange­n, vor mir zu gehen, und er wollte, dass ich nach seinem Tod nicht in Trauer erstarre, sondern versuche, weiter ein glückliche­s Leben zu führen. Auch Pierre hat an die Unsterblic­hkeit der Seele geglaubt und immer gesagt, dass er auch nach seinem Tod an meiner Seite sein wird, um mich zu führen. Und genau so ist es, ich spüre ihn immer noch um mich herum, ich rede auch jeden Tag mit ihm. Es ist so, als wäre er jetzt mein Schutzenge­l.

Wie muss man sich das vorstellen? Sitzt er jetzt hier neben uns? Nein, so bildlich meine ich das nicht. Ich bin ja nicht gaga und mache Smalltalk mit meinem verstorben­en Mann. Ich meditiere seit vielen Jahren und jetzt noch intensiver, seit ich Pierre verloren habe. So halte ich unsere Verbindung aufrecht. Natürlich weine ich immer noch sehr viel. Tränen gehören zur Trauerarbe­it dazu, sie haben etwas Reinigende­s. Aber ich glaube an Wiedergebu­rt und einen unendliche­n Kreislauf des Lebens. Das gibt mir Kraft und Trost und hat mir die Angst vor dem Tod genommen.

HELLA BRICE Pierre hatte keine Angst vor dem Tod, sondern nur diesen einen Wunsch: Er wollte in meinen Armen sterben

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POSITIVE ENERGIE ist für Hella Brice kein leerer Begriff, sondern eine Lebenshalt­ung
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FAST 40 JAHRE waren Hella und Pierre Brice verheirate­t – und glücklich
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