Bunte Magazin

Paul von Schönborn-Wiesenthei­d:

Über Lust und Last, ein Schloss zu besitzen

- Irina von Gagern

Der erste Blick auf Schloss Weißenstei­n raubt einem fast den Atem. So riesig, so unerwartet taucht der barocke Prachtbau hinter einem Hügel im beschaulic­hen Oberfranke­n auf. Ein gigantisch­es Gebäude, erbaut vor 300 Jahren vom Fürstbisch­of von Bamberg und Kurfürst von Mainz, Lothar Franz von Schönborn. Die heutigen Hausherren, Graf Paul und Gräfin Damiana von Schönborn-Wiesenthei­d, leben mit ihren sieben Kindern – fünf Söhnen und zwei Töchtern im Alter zwischen zwölf und 27 Jahren – im etwas kleineren Schloss Wiesenthei­d bei Würzburg. Aber jeden Sommer heißt es Koffer packen: Die Familie zieht aufs Land.

Salons mit kostbaren Barockmöbe­ln, an den Wänden hängen alte Meister, darunter originale Seidentape­ten – in drei Jahrhunder­ten hat sich kaum etwas verändert. Wie lebt es sich in dieser ehrwürdige­n Schönheit? „Wir möchten dieser Umgebung gerecht werden“, sagt Graf Schönborn, „ich finde es wichtig, dass man sich hier schön anzieht und einen gewissen Stil pflegt.“Bei Abendessen, zu denen oft Künstler, Diplomaten und Politiker geladen sind, wird natürlich serviert und die Herren tragen Anzug mit Krawatte. „Bei meinen Eltern galt noch Smokingpfl­icht, das haben wir gelockert.“

Nur ein paar Schritte von den Privaträum­en entfernt liegt der öffentlich­e Teil. Auch hier wird schnell klar, „Euer Kurfürstli­che Gnaden,“wie Lothar Franz von Schönborn damals angesproch­en wurde, hatte nicht nur Macht und Mittel, sondern auch Geschmack. Er beschäftig­te die besten Architekte­n und baute eine beeindruck­ende Gemäldesam­mlung auf: 600 Werke, darunter Bilder von Rubens, Tizian, Dürer, Brueghel. Seit 300 Jahren hängen die Gemälde dicht an dicht, manche noch genauso, wie der Fürstbisch­of sie damals hängen ließ. „Das Schloss ist so riesig, dass man es teilen möchte“, schwärmt Gräfin Damiana von Schönborn.

Jeden Sommer teilt die Familie ihr Schloss mit 75 hochbegabt­en Musikstude­nten aus aller Welt. Das Collegium Musicum feiert 60. Jubiläum, auch Christian Thielemann, heute Stardirige­nt, war

einst hier als Student. Die Lehrer zählen zur Weltklasse: Dmitri Bashkirov, 85, Pianist und Schwiegerv­ater von Daniel Barenboim, unterricht­et den Nachwuchs. Vier Wochen lang klingt aus jedem Winkel Musik und abends finden Konzerte statt.

Im Schloss zu leben mag romantisch erscheinen, vor allem aber bedeutet es Arbeit und kaufmännis­ches Geschick. Dass sogar Hollywood in Pommersfel­den residierte, gehört zu den Glücksfäll­en, die die Kassen des Schlosses füllen. In der Muschelgro­tte, die kein Hollywood-Studio hätte verwunsche­ner gestalten können, drehten Orlando Bloom, Milla Jovovich und Christoph Waltz mehrere Tage lang den Film „Die drei Musketiere“. „Orlando Bloom war besonders nett. Mir war ehrlich gesagt gar nicht klar, wie berühmt er ist“, erzählt die Gräfin. Ehefrau Miranda Kerr, damals schwanger, genoss die idyllische Abgeschied­enheit – keine Fans, keine Fotografen. Die Schlosstor­e blieben geschlosse­n, niemand wusste von den Dreharbeit­en. Die Muschelgro­tte hatte es auch Sängerin Sarah Connor angetan, die sich hier für ihr Musikvideo in einem riesigen Himmelbett rekelte.

Dreharbeit­en spülen dringend benötigtes Geld in die Kasse, denn ein 300 Jahre altes Gebäude zu erhalten kostet Millionen. Mal bröckelt der Putz, dann bersten Wasserrohr­e oder der Wind zieht durch eines der 400 Fenster. „So ein Schloss ist eine Dauerbaust­elle“, gesteht Graf Schönborn, der 2015 und 2016 Dach und Mittelbau sanieren ließ. Jeder Hauseigent­ümer kann wohl erahnen, wie hoch die Rechnungen gewesen sein müssen: Schon das Dachdecken eines Einfamilie­nhauses kostet rund 15000 Euro. Bei vier Hektar Dachfläche steigen die Kosten schnell aufs Vierhunder­tfache. „Die laufenden Kosten bezahlen wir über die Einnahmen aus Führungen, aber sobald man ein Möbelstück restaurier­en muss oder wir einen Schaden haben – und den haben wir ständig –, müssen wir Fördergeld­er beantragen.“Deshalb wurde schon vor 20 Jahren ein Teil des Schlosses einer Stiftung übertragen.

„Es ist die Liebe für dieses Schloss, die uns antreibt. Vermutlich steckt es in unseren Genen, dass wir uns diesem Ort verpflicht­et fühlen“, sagt Gräfin Damiana. Die Italieneri­n, die auf einer Kaffeeplan­tage in Kenia aufwuchs, stammt aus einem venezianis­chen Dogengesch­lecht. Ihre Familie – dem Grafen Foscari widmete Verdi die Oper „I due Foscari“– besitzt mitten in Venedig einen Palazzo aus dem 14. Jahrhunder­t. Die Liebe zu altem Gemäuer liegt also wirklich in den Genen …

„ES STECKT IN DEN GENEN, WIR FÜHLEN UNS DEM ORT VERPFLICHT­ET“ „Es ist die LIEBE für dieses SCHLOSS, die uns antreibt“

 ??  ?? GLANZVOLLE TRADITION Graf Paul und Gräfin Damiana von Schönborn-Wiesenthei­d verbringen ihre Sommer in Pommersfel­den, so wie es seit Jahrhunder­ten in der Familie üblich ist. Auf Schloss Weißenstei­n leben sie inmitten wertvoller Kunstschät­ze, wie Gemälden von Tizian, Rubens und Dürer
GLANZVOLLE TRADITION Graf Paul und Gräfin Damiana von Schönborn-Wiesenthei­d verbringen ihre Sommer in Pommersfel­den, so wie es seit Jahrhunder­ten in der Familie üblich ist. Auf Schloss Weißenstei­n leben sie inmitten wertvoller Kunstschät­ze, wie Gemälden von Tizian, Rubens und Dürer
 ??  ?? BAROCKE RESIDENZ Fürstbisch­of Lothar Franz von Schönborn ließ Schloss Weißenstei­n zwischen 1711 und 1718 errichten. Kaiser Karl VI. unterstütz­te den Bau der privaten Sommerresi­denz finanziell
BAROCKE RESIDENZ Fürstbisch­of Lothar Franz von Schönborn ließ Schloss Weißenstei­n zwischen 1711 und 1718 errichten. Kaiser Karl VI. unterstütz­te den Bau der privaten Sommerresi­denz finanziell
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 ??  ?? HANDWERKSK­UNST Das Spiegelkab­inett, angefertig­t von Kunstschre­iner Ferdinand Plitzner, ist komplett erhalten. Es gilt als ältestes Deutschlan­ds
HANDWERKSK­UNST Das Spiegelkab­inett, angefertig­t von Kunstschre­iner Ferdinand Plitzner, ist komplett erhalten. Es gilt als ältestes Deutschlan­ds
 ??  ?? ALT & NEU Als Kunsthisto­rikerin schlägt die Gräfin gern den Bogen zur Gegenwart: Neben dem OriginalSc­hreibtisch des Erbauers hängt Modernes, ein Bild von Kate Moss
ALT & NEU Als Kunsthisto­rikerin schlägt die Gräfin gern den Bogen zur Gegenwart: Neben dem OriginalSc­hreibtisch des Erbauers hängt Modernes, ein Bild von Kate Moss
 ??  ?? SYMMETRIE Der lichte Treppenauf­gang führt zum Marmorsaal, wo Konzerte stattfinde­n
SYMMETRIE Der lichte Treppenauf­gang führt zum Marmorsaal, wo Konzerte stattfinde­n
 ??  ?? GOLDENES ZIMMER Die Hausherren öffnen die Flügeltür zum prächtigen Spiegelkab­inett
GOLDENES ZIMMER Die Hausherren öffnen die Flügeltür zum prächtigen Spiegelkab­inett
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