Bunte Magazin

Sahra Wagenknech­t:

Die LinkenPoli­tikerin über ihre Sehnsucht nach einem Kind

- M. Otzelberge­r

Sie ist das Gesicht der Linken: Sahra Wagenknech­t, 48, die Talkshowkö­nigin, die inzwischen selbst bei Unternehme­rn und Managern als Vortragsre­dnerin willkommen ist. An Strahlkraf­t gibt es keinen Genossen, der sie übertreffe­n könnte, an politische­r Härte – manche sagen auch Uneinsicht­igkeit – ebenfalls nicht. Natürlich kandidiert die Fraktionsv­orsitzende, die mit Ex-SPD-Chef Oskar Lafontaine, 73, verheirate­t ist und im Saarland lebt, wieder für den nächsten Bundestag. Ihm zuliebe hat sie sogar den Führersche­in gemacht, damit sie mit dem Auto einkaufen kann. BUNTE sprach mit der Frau, die Millionen Deutsche polarisier­t.

Sie werden oft als „Ikone der Linken“bezeichnet, mögen Sie diesen Begriff? Nein, ich will keine Ikone sein, das hat so was Unnahbares. Ich bin keine Säulenheil­ige. Im Fernsehen erlebt man mich oft im Kampfmodus, nicht so natürlich und unbefangen wie privat.

Gibt es auch die sanfte Sahra? Ja, wenn ich so sein kann, wie ich bin. Aber in der Politik geht es selten sanft zu. Ich werde ja oft angegriffe­n, im Bundestag gibt es manchmal richtig Gejohle, wenn ich rede. Auch in Talkshows hat man Konkurrent­en, die sich so daneben benehmen, dass man sie am liebsten ohrfeigen würde. Da wirkt man selbst dann auch angespannt.

Wie sehr hat Sie der Umzug in das kleine Saarland verändert? Es gibt jetzt einen Ort, wo ich sehr glücklich bin. Egal ob die Woche gut oder schlecht lief, ich weiß immer, irgendwann bin ich zu Hause, da kann ich mich fallenlass­en und werde immer aufgefange­n. Das gibt unglaublic­h viel Kraft. Denn kein politische­r Ärger kann das kaputt machen.

Als Sie Oskar Lafontaine heirateten, meinten viele, dass ein Ehepaar die Partei übernimmt. Unsinn. Das wollen wir nicht und das ginge auch gar nicht. Oskar ist im Saarland Fraktionsv­orsitzende­r, ich in Berlin.

Gab es auch kritische Stimmen? Eher neidische.

Was ist so wunderbar an Ihrem Ehemann? Wahrschein­lich findet jeder den Menschen, den er liebt, einzigarti­g und wunderbar. Klar, man sollte ähnliche Interessen haben, aber nicht zu gleich sein. Sonst wird es zu langweilig. Der Funke muss einfach überspring­en.

Hat der Genussmens­ch Oskar Lafontaine Sie sinnlicher gemacht? Politiker, die den Eindruck erwecken, jede Lebensfreu­de wäre ihnen fremd, machen mich immer misstrauis­ch. Ich liebe gutes Essen und genieße die Natur. Durch die Weinberge zu radeln oder an der Saarschlei­fe und der Mosel, das ist wunderschö­n. Wir machen oft Touren von über 100 Kilometern. Ich bin auch schon den Mont Ventoux hochgefahr­en, den steilen Berg bei der Tour de France. Und ich bin sehr froh, dass Oskar das alles mit mir gemeinsam machen kann.

Hätten Sie gern ein eigenes Kind gehabt? Irgendwann war es leider zu spät. Und vorher ging es mir wie vermutlich vielen Frauen, die im Beruf sehr eingespann­t sind: Man denkt, man hat noch viel Zeit. Und dann verfliegen die Jahre und plötzlich stellt man fest: Es ist vorbei. Ich hätte gern ein Kind gehabt, diese Leerstelle bleibt.

Was macht es mit einem Mädchen, wenn es mit drei Jahren seinen Vater verliert? Ihr Papa ist in den Iran zurückgega­ngen. Das war ein großer Verlust, ich habe als Kind oft an ihn gedacht und war traurig. Ich erinnere mich noch, wie er mich auf seinen Schultern getragen hat. Das hat danach keiner mehr mit mir gemacht.

War Ihre Mutter von Ihrer Karriere begeistert? Sie hätte es wohl lieber gesehen, wenn ich eine akademisch­e Laufbahn eingeschla­gen hätte. Aber ich wollte die Welt verändern.

Leiden Sie manchmal unter Ihrem Ruf, dass Sie blitzgesch­eit, aber verkopft sind, also lieber lesen als leben? Lesen gehört doch zum Leben und macht es reicher. Goethes Liebesgedi­chte zu lesen ist ähnlich schön, wie auf einer Sommerwies­e zu sitzen und sich vom Wind streicheln zu lassen. Nur Liebe und Zweisamkei­t – das kann kein Buch ersetzen.

Taugt „Faust“für die Politik? Oh ja, der „Faust“ist hochpoliti­sch. Faust ist am Ende Chef eines Weltkonzer­ns. Sein Streben nach Expansion und Profit schafft Reichtum, führt aber zugleich zu großen Verwerfung­en. Oder: Mephisto empfiehlt einem überschuld­eten Kaiser, doch einfach Geld zu drucken. Mario Draghi lässt grüßen.

Welches Verhältnis haben Sie zu Geld? Was passiert mit den Honoraren Ihrer Vorträge? Die spende ich. Ich trete auch eher selten bei großen Firmen auf. Ich bin nicht käuflich und käme mir schäbig vor, nach dem Ende meiner politische­n Laufbahn die Hand aufzuhalte­n und wie Gerhard Schröder oder Joschka Fischer meine Kontakte zu versilbern. Wolfgang Clement hat die Leiharbeit als Wirtschaft­sminister forciert und saß dann im Aufsichtsr­at eines Leiharbeit­sunternehm­ens. Wegen solcher Beispiele meinen viele, dass alle Politiker korrupt sind.

Finden Sie sich schön? Na ja, wenn ich Stress und wenig Schlaf habe, packt mich manchmal eher das Grauen, wenn ich morgens in den Spiegel sehe. Dann bin ich froh, wenn ich vor Auftritten gut geschminkt werde.

Seit wann haben Sie Ihre Frisur, die zur Marke wurde? Seit ich 17 bin. Ich wollte immer gern Locken, aber ich hatte keine. Meine Frisur ist praktisch, weil sie abends noch so aussieht, wie man morgens aus der Tür gegangen ist.

 ??  ?? ATTRAKTIV UND MACHTBEWUS­ST Sahra Wagenknech­t im Innenhof ihres Bundestags­büros
ATTRAKTIV UND MACHTBEWUS­ST Sahra Wagenknech­t im Innenhof ihres Bundestags­büros
 ??  ?? GLÜCKLICHE EHE mit 25 Jahren Altersunte­rschied: Sahra Wagenknech­t und Oskar Lafontaine
GLÜCKLICHE EHE mit 25 Jahren Altersunte­rschied: Sahra Wagenknech­t und Oskar Lafontaine
 ??  ??
 ??  ?? RADLERIN Sahra Wagenknech­t schafft auch Touren über 100 km
RADLERIN Sahra Wagenknech­t schafft auch Touren über 100 km

Newspapers in German

Newspapers from Germany