Britta Seeger:
So tickt die mächtige DaimlerVorstandsfrau
Die Familie hatte Hunger: elfjährige Drillinge, der Ehemann und Britta Seeger, die damals gerade ihren Job als Geschäftsführerin von Mercedes-Benz in Südkorea angetreten hatte. „Wir waren in einem Restaurant auf einer koreanischen Insel und es gab leider keine Speisekarte mit Bildern. Das war eine Herausforderung. Als Ausländer kann man in Korea anfangs weder etwas lesen noch verstehen. Außerhalb von Seoul spricht kaum jemand Englisch.“
Britta Seeger ist es nach kurzem Zögern doch noch gelungen, ihrer Familie etwas zu essen zu bestellen. „Ich habe mir einen Kellner geschnappt, bin mit ihm von Tisch zu Tisch gelaufen und habe auf die Teller der anderen Gäste gezeigt.“Hat es wenigstens geschmeckt? „Ganz ehrlich, nicht alles. Aber solche Erlebnisse schweißen als Familie unheimlich zusammen. Wir lachen heute noch darüber“, erzählt Britta Seeger im BUNTE-Gespräch.
Zweieinhalb Jahre lenkte die Betriebswirtin Daimler in Seoul, als erste Frau an der Spitze eines ausländischen Unternehmens in Südkorea und als erste Asien-Chefin in der Unternehmensgeschichte. 2015 wechselte sie nach Istanbul als Chefin von Mercedes-Benz in die Türkei, wieder war sie die erste Frau in dieser Top-Position. Bereits ein Jahr später folgte die Berufung in den achtköpfigen Vorstand der Daimler AG: Britta Seeger, dreifache Mutter, 47 Jahre alt, geboren in Bonn, aufgewachsen in Stuttgart-Fellbach, verantwortet seit dem 1. Januar 2017 den weltweiten Vertrieb und das Marketing von Mercedes-Benz Cars.
Sie liebt Autos. „Ich bin leidenschaftlicher Cabrio-Fan. Mit drei Kindern ist das natürlich schwierig. Deshalb genieße ich es, dass ich auch die S-Klasse fahren kann. Am Wochenende nutze ich gern unsere Smarts von car2go. Ich bin auch ein großer Verfechter von Plug-in-Hybriden und Elektroautos.“Wann wird Mercedes mehr Elektroautos verkaufen als Modelle mit Verbrennungs-
motor? „Am Ende des Tages ist alles davon abhängig, wie viele unserer Kunden elektrisch betriebene Fahrzeuge kaufen werden. Unser Ziel bei Mercedes ist es, bis zum Jahr 2025 zwischen 15 und 25 Prozent Elektroautos abzusetzen.“
Über zwei Millionen Autos hat der Stuttgarter Automobilriese vergangenes Jahr verkauft, Britta Seeger und ihr Team (mehr als 30 000 Mitarbeiter) sollen dafür sorgen, dass der Absatz weiter wächst. „Darüber mache ich mir überhaupt keine Sorgen“, sagt sie. „Wir haben viele kreative Köpfe und hervorragende Händler, die einen super Job machen. Zudem bin ich davon überzeugt, dass der Wunsch nach Mobilität bei den Men- schen immer da ist. Er steckt in uns drin wie das Bedürfnis nach Nahrung. Nur die Art und Weise ändert sich. Deshalb haben wir bei Mercedes-Benz es uns zum Ziel gesetzt, die Wünsche unserer Kunden zu erfüllen.“
Manchmal, wenn sie auf Dienstreisen Zeit hat, stoppt sie bei einem MercedesHändler, stellt sich (natürlich inkognito und unangemeldet) in den Verkaufsraum und hört zu, wie sich Verkäufer mit Kunden unterhalten. „Jeder von uns sollte grundsätzlich neugierig sein und sich damit auseinandersetzen, welche Themen dem Kunden wichtig sind. Als Vertriebschefin bin ich die Schnittstelle zwischen Unternehmen und Kunden. Deshalb höre ich ihnen zu und nehme Kritik wie Anregungen gleichermaßen ernst.“
Neue Ideen kommen ihr auf Langstreckenflügen oder beim Joggen. „Als ich in Südkorea war und diese Elf-Stunden-Flüge nach Stuttgart hatte, war mein Team immer sehr gespannt. Sie wussten, dass ich beim Fliegen besonders kreativ bin und bei meiner Landung viele neue Ideen im Gepäck haben würde.“
Als Chefin sei es ihr „unheimlich wichtig, dass wir gemeinsam Dinge auf den Punkt bringen, schnell entscheiden und voranbringen und jeder die Hand heben darf, wenn es Schwierigkeiten gibt. Ich höre zu und nehme mir für jeden Zeit“, sagt sie. „Vor allem aber möchte ich authentisch sein. Ich möchte vermeiden, dass Kollegen sich Gedanken darüber machen, was sie womöglich falsch gemacht haben könnten, wenn ich mal nicht gut drauf bin. Deshalb lasse ich sie an meinen Gedanken und Empfindungen teilhaben.“
Britta Seeger ist nahbarer, herzlicher und bodenständiger als viele Vorstandsmitglieder großer Konzerne und wahrscheinlich ist das eines ihrer Erfolgsgeheimnisse. Sie lacht viel, ist interessiert und man fühlt sich in ihrer Nähe sofort wohl. Sie trägt fast immer Hosen („Im Kostümchen fühle ich mich verkleidet.“), keine High Heels, sondern Sneaker oder flache Schuhe, liebt Lederjacken und kleidet sich am liebsten von Kopf bis Fuß in Schwarz oder Weiß. „Das ist praktisch und geht morgens schnell, weil jedes Stück miteinander harmoniert.“Wann findet sie Zeit zum Einkaufen? „Ich shoppe sehr
WENN ES ZU HAUSE EIN PROBLEM GIBT, LÖSEN WIR ES GEMEINSAM IN KOSTÜMCHEN FÜHLE ICH MICH VERKLEIDET
effizient. Ich gehe samstagmorgens gezielt in fünf bis sechs Stuttgarter Modegeschäfte und kaufe ein. Das reicht mir dann wieder für eine Weile. Ich bevorzuge hierbei den Einzelhandel, da ich das Einkaufserlebnis und die Beratung wirklich schätze.“
Sie mag es nicht, wenn man hervorhebt, wie sie es als Frau geschafft hat, Karriere zu machen. „Es kommt immer auf die eigene Persönlichkeit an, unabhängig ob Mann oder Frau, die einen guten Chef ausmacht. Ich hatte zum Glück immer Chefs, die danach entschieden haben, wer am besten für den Job ist – so handhabe ich es in meinem Team auch. Meine Chefs haben mir vertraut, dass mein Mann und ich es zu Hause mit unseren Drillingen schon hinbekommen werden. Und dass ich auch als Mutter einen tollen Job machen kann. Deshalb habe ich größtes Verständnis, wenn meine Mitarbeiter mal früher Feierabend machen, um mit ihrem Kind ein Eis essen zu gehen, oder wenn die Besprechung eben erst später anfängt, weil der Kindergarten vorher noch nicht geöffnet hat.“
Kollegen, vor allem Männer, fragen sie oft, wie sie das hinbekommt mit Karriere und Familie. „Ich versuche ihnen positiv vorzuleben, dass es sehr wohl funktionieren kann, wenn beide Ehepartner es wirklich wollen. Wir managen unsere Familie gemeinsam“, antwortet sie. „Wir sind ein starkes Team und wir haben zum Glück tolle Kinder, die unseren Lebensstil mittragen. Angefangen bei Ganztageskindergarten, Ganztagesschule und dem Umzug ins Ausland. Ich halte nichts davon, das Jahr auf hundert Tage im Voraus zu verplanen. Wir nehmen das Leben, wie es kommt. Wenn es ein Problem gibt, lösen wir es gemeinsam.“
Darf ein Daimler-Vorstand auch Urlaub machen? „Absolut!“, sagt Britta Seeger. „Ich halte das sogar für total wichtig. Wenn man beruflich so viel unterwegs ist, muss man sich als Familie auch Fixpunkte schaffen.“Gefragt, welchen Traum Britta Seeger noch hat, sagt sie: „Dass der VfB Stuttgart Deutscher Fußballmeister wird.“Sie ist ein großer Fußballfan. „Meine ganze Familie. Mein Mann hat zwei Dauerkarten für den VfB. Die Kinder und ich wetteifern bei jedem Spiel darum, wer ihn begleiten darf.“