„Ich ERSTACH meinen besten Freund“
„Endlich hat mir seine Witwe vergeben“ MATTHIAS BEHR Der Fecht-Olympiasieger hat sich vom Trauma seines Lebens befreit – fast hätte es auch ihn selbst getötet
Dieses Geräusch! Es hat Matthias Behr, 62, lange verfolgt. Dieses Geräusch, als die Klinge seines Floretts brach und sich in das Gesicht seines besten Sportfreundes Wladimir Smirnow bohrte, durch die poröse Fechtmaske hindurch. Und auch die Schreie, die Olympiasieger Matthias Behr in dem Moment am 19. Juli 1982 in der Fechthalle von Rom ausstieß, haben sich in seine Erinnerungen eingebrannt wie der Anblick der blutbefleckten Waffe: „Nein! Nein! Nein! Bitte lasst es nicht wahr sein! Warum ich, mein Gott, warum nur ich?“Wenige Tage später starb Wladimir Smirnow, der Stich in seine Schläfe war tödlich.
Es war eine der größten Tragödien der Sportgeschichte. 35 Jahre lang trug Matthias Behr Schuldgefühle mit sich herum. Sein ganzes Leben hatte sich von einem Augenblick auf den anderen verfinstert. Er versuchte Kontakt mit der Witwe aufzunehmen – vergeblich. Und die Bilder in seinem Kopf wurde er auch nicht mehr los. Behr wurde depressiv, er fasste einen furchtbaren Entschluss: „2002 sah ich keinen Sinn mehr im Leben. Ich war auf einer Autobahnbrücke und schwang schon mein Bein über das Geländer, wollte ins Nichts springen, einfach erlöst sein von der Depression. Doch dann schickte mir der liebe Gott einen winzigen Funken Verstand. Ich stellte mir vor, dass ich auf ein Auto falle und un-
schuldige Menschen in Gefahr bringe. Das hielt mich im letzten Moment ab.“
Zita Funkenhauser, Zahnärztin der deutschen Olympiamannschaft und ebenfalls Olympiasiegerin im Fechten, ist seit 1993 die Ehefrau von Matthias Behr. Sie konnte ihm schließlich helfen, wieder gesund zu werden. „Seine Depression lag sicher auch an dem unverarbeiteten Tod von Wladimir Smirnow. Dieses Drama war sehr tief in seiner Seele verankert und schwebte in der Familie immer über uns. Ich wusste um dieses Problem, wenn man heiratet, heiratet man das ganze Paket mit. Matthias litt wahnsinnig darunter, dass er den Tod seines Freundes nicht mehr gutmachen konnte“, sagt Zita Funkenhauser. Auch sie hat es in ihrer Fechtkarriere häufiger erlebt, dass Klingen brachen. „Das ist nichts Ungewöhnliches. Nach dem Tod von Wladimir Smirnow wurden die Sicherheitsvorkehrungen beim Stahl der Klinge und den Masken verstärkt. Danach ist nie wieder ein Fechter auf der Planche gestorben. Das war das einzig Gute an diesem schicksalhaften Geschehen.“
Jetzt ist Matthias Behr, Leiter des Fechtzentrums in Tauberbischofsheim, vom Schicksal freigesprochen: „Die Witwe von Wladimir Smirnow hat mir bei einem Besuch in Kiew, der endlich möglich war, verziehen. Solange der Eiserne Vorhang bestand, waren meine Briefe offenbar abgefangen worden. Wir umarmten uns und sangen, das tat so gut. Auch sie war depressiv geworden, als sie mit zwei kleinen Kindern plötzlich allein dastand. Ich habe sie nach Deutschland eingeladen. Jetzt bin ich erlöst. Das Leben beginnt für mich noch einmal neu.“
ICH WOLLTE MICH SCHON UMBRINGEN, DANN SCHICKTE MIR GOTT EINEN WINZIGEN FUNKEN VERSTAND SEINE FRAU HALF IHM, WIEDER GESUND ZU WERDEN