Seit Merkels Amtsantritt hat sich die Zahl der ARBEITSLOSEN halbiert
seit zwölf Jahren die Republik. Hier trifft BUNTE die Kanzlerin wenige Wochen vor der Bundestagswahl am 24. September auch zum großen Interview.
Ein Blick in das Kanzlerinnenbüro: Siebter Stock des Bundeskanzleramtes („Leitungsebene“), 142 Quadratmeter groß, fünf Zentimeter dicke Panzerglasscheiben schlucken jeden Laut von draußen. An den Wänden moderne Kunst (Nolde, Kokoschka) , auf dem Tisch Blumen und Kaffeetassen. Angela Merkels Arbeitstag beginnt regelmäßig um 8 Uhr mit der „Morgenlage“, dann bespricht sie mit ihren engsten Mitarbeitern an besagtem Konferenztisch die Tagesagenda: Termine innerhalb und außerhalb Berlins, Telefonate mit Staatschefs, Besucher. Der Arbeitstag der Kanzlerin reicht bis tief in die Nacht.
Immer wieder wirbeln unvorhersehbare Ereignisse und Entwicklungen die Planung durcheinander. Dann jagt eine Krisensitzung die nächste. Und es werden immer mehr! Denn Deutschland ist mittlerweile eine Insel der Stabilität in einer Welt, die zunehmend aus den Fugen zu geraten scheint. Trump, Brexit, Nordkorea – nur drei Probleme, die wie apokalyptische Reiter
Frau Bundeskanzlerin, rund 15 Millionen Fahrer von Dieselautos sind zutiefst verunsichert, wie es nun für sie weitergeht. Kommen jetzt auf Millionen Pendler und Familien erhebliche Mehrkosten zu, weil ihr altes Auto wertlos wird und sie vielleicht auf einen teuren Benziner umsteigen müssen? Ich verstehe, dass die letzten Wochen Verunsicherung ausgelöst haben. Die Autokonzerne haben schwere Fehler gemacht und viel Vertrauen verspielt. Da ist es nur angebracht, dass sie ihren Kunden Softwareumrüstungen und Umtauschmöglichkeiten anbieten, damit die Autos auf Deutschlands Straßen insgesamt umweltfreundlicher und moderner werden. Ein moderner Diesel, der die Euro-6-d-Norm erfüllt, ist ein umweltfreundliches Auto, weil es weniger CO2 ausstößt als vergleichbare Fahrzeuge.
Aber war es dann nötig, dem Diesel jetzt schon das Totenglöcklein zu läuten? Es geht um eine Weichenstellung für das ganze 21. Jahrhundert. Deutschland will bis 2050 mindestens 80 bis 95 Prozent der CO2Emissionen einsparen. Das geht nur mit emissionsfreien Antriebstechnologien wie Elektroautos oder der Wasserstofftechnologie. Herkömmliche Verbrennungsmotoren, egal ob Benzin oder Diesel, sind im Grunde Brückentechnologien, die wir aber
WIR LEBEN IN EINER ZEIT, IN DER VIELES IM UMBRUCH IST
noch längere Zeit brauchen werden. Deshalb müssen wir gleichzeitig mit aller Kraft alternative Technologien vorantreiben und herkömmliche Autos umweltfreundlicher machen – wie dies zum Beispiel beim Euro-6-d-Diesel gut umgesetzt wurde.
Also muss die BUNTE-Leserin, die vielleicht einen älteren Diesel fährt, nicht fürchten, bald nicht mehr in die Stadt fahren zu dürfen? Wir arbeiten ja gerade mit aller Kraft daran, solche Fahrverbote zu verhindern.
Ihr Vorgänger, Ex-Kanzler Gerhard Schröder, wirft Ihnen vor, Sie hätten dieses wichtige Thema nicht rechtzeitig zur Chefsache gemacht … Ich habe nach gründlicher Abwägung entschieden, dass der erste Dieselgipfel von den zuständigen Fachministern vorbereitet wird. Anfang September werde ich dann mit den betroffenen Kommunen über moderne Verkehrskonzepte sprechen und diese Ergebnisse werden in einen zweiten Dieselgipfel im Herbst einfließen.
Frau Merkel, am 24. September stellen Sie sich zum vierten Mal als Kanzlerin zur Wahl, warum wollen Sie sich diesen Knochenjob noch einmal antun? Wir leben in einer Zeit, in der vieles im Umbruch ist. Ob Deutschland auch in zehn oder 20 Jahren so gut dasteht, entscheidet sich jetzt. Ich möchte genau diese Phase mit all meiner Erfahrung so gestalten, dass unser Land die Weichen richtig stellt. Wir dürfen uns nicht auf unseren Erfolgen ausruhen, sondern müssen die nächste Phase angehen.
Was ist das Schönste am Amt der Bundeskanzlerin? Immer wieder neue, spannende und interessante Menschen kennenzulernen. Und wenn es einem gelingt, nach oft langen Diskussionen mit vielen Beteiligten für ein Problem eine vernünftige Lösung gefunden zu haben, mit der alle leben können.
Herr Martin Schulz von der SPD hat gesagt, er wäre bereit, die Große Koalition weiterzuführen, allerdings nur mit ihm als Kanzler … Ich werbe um Zustimmung für die CDU und dafür, dass wir gemeinsam mit der CSU möglichst stark werden, um eine gute Regierung zu bilden. Fest steht zugleich, dass wir weder mit der Linken noch mit der AfD in irgendeiner Form zusammenarbeiten werden.
Hatten Sie Ende 2005 an Ihrem
ersten Arbeitstag als Bundeskanzlerin schon eine Vorstellung, wie das Land in zwölf Jahren aussehen könnte? Natürlich nicht, denn Politik ist ein Prozess. Aber ich hatte ein klares Ziel, von dem für die Menschen viel abhängt, und das war, die damals sehr hohe Arbeitslosigkeit deutlich zu senken. Das ist gelungen. Seit meinem Amtsantritt haben wir die Zahl der Arbeitslosen halbiert. Kein Grund, sich auszuruhen, aber ein großer Fortschritt, der das Leben von Millionen von Menschen verbessert hat. Selbst die schwere Wirtschafts- und Bankenkrise 2009 hat uns nicht dauerhaft zurückgeworfen, weil wir damals gemeinsam in der Großen Koalition die richtigen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen durchgesetzt haben.
Frau Merkel, Ihr Mitbewerber um das Kanzleramt fordert, das Thema Flüchtlinge und Asyl dem bisher zuständigen Innenminister wegzunehmen. Ich halte den jetzigen Ressortzuschnitt für angemessen, zumal wir die Koordinierung der Flüchtlingspolitik wie auch den Bereich der Integrationspolitik zusätzlich im Kanzleramt angesiedelt haben.
Vor fast genau zwei Jahren haben Sie die Entscheidung getroffen, die Grenzen für Flüchtlinge zu öffnen. Was war bei Ihnen ganz persönlich der entscheidende Auslöser, dies zu tun? Die Grenze musste nicht geöffnet werden, denn sie war offen. Die Frage am 4. September 2015 ging vielmehr darum, ob die Grenzen geschlossen werden sollten, was für mich nicht infrage kam. Eine überaus ernste humanitäre Notlage war an der ungarisch-österreichischen Grenze entstanden. In Budapest waren die Menschen gestrandet und von dort machten sich Tausende zu Fuß auf den Weg. Schon die ganzen Wochen und Monate zuvor war die Zahl der Menschen, die zu uns kamen, stetig gestiegen. Im August hatte der Innenminister für 2015 insgesamt 800000 Flüchtlinge prognostiziert.
Manche sagen, Sie hätten mit dieser Entscheidung Deutschland in der Welt ein neues, menschlicheres Gesicht gegeben. Unser Land hat sich in der
WIR MÜSSEN ALTERNATIVE TECHNOLOGIEN VORANTREIBEN