MARIA FURTWÄNGLER
MARIA FURTWÄNGLER feiert ein besonderes TV-Jubiläum: Zum 25. Mal sehen wir sie als kühle und souveräne „Tatort“-Kommissarin. Doch diesmal ist alles anders …
Kaum zu glauben: Die schöne Schauspielerin kommt mit ihrem 25. „Tatort“ins TV. 27 Mörder und Mörderinnen hat sie dabei als Kommissarin Charlotte Lindholm zur Strecke gebracht. In BUNTE verrät sie, warum ihr der „Tatort“Freiheit gibt.
Mal ist eine Frau die Täterin, wie im ersten Fall der „Tatort“-Kommissarin Charlotte Lindholm aus Hannover, mal war’s gar kein Mord, mitunter bleibt es beim Verdacht. 27 Mörderinnen und Mörder aber hat Lindholm bis heute zur Strecke gebracht. Seit 15 Jahren spielt Maria Furtwängler diese Figur. Am 5. November läuft ihr 25. „Tatort“mit dem Titel: „Der Fall Holdt“. Die Ehefrau eines Bankdirektors wird entführt. Man fühlt sich erinnert an einen sehr ähnlichen, wahren Fall aus dem Jahr 2010.
Glückwunsch zum Jubiläum! Christian Granderath, Ihr Redakteur, freue sich auf die nächsten 25, sagt er. Sie auch? Hat der das gesagt? Dann ist das eine Festanstellung! Da komme ich nicht mehr raus.
Weitere 25-mal „Tatort“, können Sie sich das vorstellen? Ich gehöre zu den Menschen, die maximal bis ins nächste Jahr hineinschauen können. Ich hab überhaupt keine Vorstellung, was in zwei oder drei Jahren ist. Im Moment drehe ich einen „Tatort“pro Jahr, dann wären das ja 25 Jahre! Also eher: um Gottes willen? Ich kann’s mir fast nicht vorstellen, mit 75 noch „Tatort“zu drehen, aber God knows. „Tatort“ist einfach ein sehr tolles Format, was einem viele, viele Freiheiten gibt, weil es diese Sichtbarkeit hat. Dadurch sind die Macher mutiger als mit allen anderen Formaten. Die Macher hatten diesmal den Mut, Sie als Kommissarin einen Kontrollverlust auf allen Ebenen erleben zu lassen. Ist das richtig beobachtet? Total. Wir kennen ja die Lindholm als supersouveräne, sehr kontrollierte Figur. Und ich glaube, was neben ihrem physischen Schmerz am traumatisierendsten ist, ist diese Zerstörung des eigenen Selbstbilds als eine Frau, die die Sache im Griff hat. Den Rest des Films versucht sie verzweifelt, in ihre Rolle zurückzufinden.
Kennen Sie so etwas auch? Ja, klar kenne ich das. Ich glaube, jeder kennt das, wenn man das Gefühl hat, man schafft’s nicht, man schafft’s nicht, man rudert wie eine Ertrinkende aber
TATORT IST EIN SEHR TOLLES FORMAT, WEIL ES EINEM VIELE, VIELE FREIHEITEN GIBT
immer mehr, bis sich das Gesichtsfeld verengt. Charlotte wird zum Opfer und das passt nicht in ihr Selbstbild.
Hatten Sie persönlich ein solches Erlebnis? Ich war eine ganz junge Schauspielerin und war für eine Serie von der Produktion besetzt worden. Was ich allerdings nicht wusste, war, dass der Regisseur eine andere Hauptdarstellerin im Kopf hatte. Der hat dann Probeaufnahmen mit mir gemacht und nach jeder Einstellung gesagt: „Geht das ein bisschen emotionaler?“, dann „weniger hysterisch?“, dann „einfach irgendwie besser?“und so weiter. Interessanterweise war ich nicht mehr in der Lage, die Situation von außen zu beurteilen und zu erkennen, dass er mich einfach fertigmachen wollte. Ich habe dann immer verzweifelter versucht, das noch hinzukriegen. Das Verengen des Gesichtsfelds, wenn man auf Überlebensmodus ist, kenne ich sehr gut. Es war eine entwürdigende, schreckliche Situation.
Haben Sie eine Empfehlung, wie man sich da am besten verhält? Wenn man merkt, man funktioniert nur noch, nimmt nichts mehr wahr, wünsche ich uns allen die Intelligenz, sich hinzusetzen, durchzuatmen und zu gucken, was passiert jetzt gerade hier mit mir? Die Fähigkeit, zwei Schritte zurückzutreten und die gesamte Situation zu sehen. Den Boden spüren, nicht sofort reagieren, sondern bis zehn zählen und dann noch mal überlegen.
Ich schätze Sie ein als jemanden, der sehr gern die Kontrolle hat, ist das richtig? Stimmt, klar. Jemanden, den man meist als kühle Blonde bezeichnet, womit ich persönlich nicht so viel anfangen kann, dem unterstellt man natürlich, dass er das hat. Wahrscheinlich bin ich jemand, der vieles mit der Ratio machen kann, aber eben auch nicht alles.
Warum wollen wir immer die Kontrolle haben? Um unsere eigenen Ängste zu kontrollieren. Verlustängste gegenüber dem Partner zum Beispiel. Ein anderer Mensch ist ja nicht wirklich berechenbar, er könnte ja etwas tun, was ich nicht steuern kann. Mich verlassen oder betrügen zum Beispiel. Das führt dann dazu, dass wir versuchen, Kontrolle über ihn haben zu wollen.
Kann man solche Gefühle abstellen? Ich glaube, Ängste kann man nicht abstellen. Man kann aber lernen, mit Ängsten umzugehen, wenn man an sich arbeitet. Aber Ängste sind ja das, was die meisten Menschen antreibt. Und dann gibt es tatsächlich Menschen, die angstfrei sind. Ich habe mal gehört, für 90 % der Menschen ist Angst die Antriebsfeder.
Gehören Sie zu den 10 %? Nein, ich kenne Angst. Angst ist eines der unangenehmsten Gefühle. Und gleichzeitig provoziere ich das immer wieder. Was das Schauspielen angeht, bin ich getrieben von etwas, das kontraphobisch ist. Nämlich dahin zu gehen, wo’s neu ist und anders, wo’s wehtut. Theater zu spielen, einen schrägen Kinofilm zu machen oder jetzt mit der Lindholm Dinge auszuprobieren, die ich noch nicht gemacht habe. Das ist das Gegenteil von einem kontrollierten Umfeld, aber auf jeden Fall sehr lebendig. Sie bringen sich in Situationen, die Versagensangst auslösen? Absolut. Der Versagensangst setze ich mich immer wieder aus.
Warum? Weil ich Stillstand hasse, das ist vielleicht die andere Antriebsfeder. Es ist eine große Neugier und Entdeckerlust in mir, Hauptsache, kein Stillstand.
Zu Ihrem ersten „Tatort“erklärten Sie in BUNTE, Sie seien nicht gemacht für allzu regelmäßige Dinge. Eine gewisse Regelmäßigkeit ist nun aber zu erkennen. Ich bin eine durchaus treue Seele. Für mich hat der „Tatort“den Vorteil, dass ich ihm jeweils frisch begegnen kann. Wenn ich wüsste, ich habe einen Vertrag unterschrieben, dass ich’s noch zehn Jahre mache, dann würde mir das nicht mehr so viel Spaß machen.
Hatten Sie je daran gedacht, mit dem „Tatort“aufzuhören? Ja, das hatte ich mal, aber das ist lange her. Ich hatte einen Zustand der Ermüdung gespürt und habe dann von zwei Folgen im Jahr auf eine gewechselt. Das war für mich das Mittel, nicht in eine Routiniertheit zu kommen. Ich habe das Gefühl, dass ich mich immer neu entscheiden und auch aufhören kann, dadurch bleibt das für mich frisch und fordernd.
AUFHÖREN MIT DEM „TATORT“? SIE HATTE MAL DARAN GEDACHT … ICH SETZE MICH IMMER WIEDER DER VERSAGENSANGST AUS, WEIL ICH STILLSTAND HASSE. ES IST EINE GROSSE NEUGIER UND ENTDECKERLUST IN MIR