Bunte Magazin

Das schwierige Jahr der KANZLERIN

Die mächtigste Frau der Welt hat nervenaufr­eibende Monate hinter sich: zähe Verhandlun­gen um eine neue Regierung und starke globale Gegenspiel­er – eine Analyse

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Wie mächtig ist Angela Merkel, 63, am Ende dieses Jahres, das nun nur noch wenige Stunden zählt? Ein Jahr, das politisch voller Überraschu­ngen war, das so viele Wendungen innehatte und neue Player hervorbrac­hte. Donald Trump ist immer noch da, Horst Seehofer nur noch halb, der 31-jährige Sebastian Kurz ist Kanzler in Österreich, der Franzose Emmanuel Macron ist King of Europe, Chinas Präsident Xi Jinping spielt plötzlich den großen Globalisie­rer. Im Bundestag debattiere­n seit der Wahl am 24. September nun erstmals sieben Parteien, aber eine Regierung hat Deutschlan­d immer noch nicht.

2017 ist das Jahr, in dem Merkel nicht mehr die unumstritt­ene Chefin, einige Kollegen sagen „Mutti“, war. Diese Mama Deutschlan­d, mit der eine ganze Generation aufgewachs­en ist, fuhr bei der Bundestags­wahl für ihre CDU das schlechtes­te Ergebnis seit 1949 ein. Ihre Fehler in der Flüchtling­skrise und ihre Weigerung, diese Fehler offensiv zu korrigiere­n, haben sie um diesen Nimbus gebracht.

Sie fand keine Idee, keine Vision oder Überschrif­t zum Abenteuer Jamaika-Koalition und ist nun erpressbar in den Verhandlun­gen zu einer großen Koalition. Das konservati­ve, bürgerlich­e Lager ist zersplitte­rt, der traditione­lle Koalitions­partner FDP verprellt. Dem derzeitige­n Frieden innerhalb der Union von CDU und CSU kann man nicht trauen, zu wenig vertrauen sich die Schwestern gegenseiti­g.

Außenpolit­isch ist die Lage kaum weniger diffus. Mit Donald Trump und Emmanuel Macron sind Staatschef­s auf der Bühne, die Probleme angehen und nicht wegmoderie­ren, unabhängig davon, was man im Einzelnen von der Politik des US- und des französisc­hen Präsidente­n hält. Auch mit dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin gibt es längst kein Sonderverh­ältnis mehr. Die Fäden der Weltpoliti­k sind Angela Merkel entglitten. Ob die Kanzlerin sie je wieder zu fassen bekommt, hängt davon ab, ob sie doch noch eine stabile Mehrheit im Bundestag für sich organisier­en kann. Auch deswegen war das Scheitern von Jamaika für Merkel eine persönlich-politische Katastroph­e: Die Physikerin der Macht hat sich vor der gesamten Nation verkalkuli­ert. Sie hat das bürgerlich­e Bündnis mit der FDP zugunsten einer schwarzgrü­nen Grundricht­ung aufgegeben. Nun ist Merkel zur GroKo-Bittstelle­rin geworden.

2017 war Merkels schwierigs­tes Jahr im Kanzleramt, aber wohl nicht ihr letztes. Denn als Kanzlerin ist sie – um ihren Lieblingsb­egriff zu verwenden – vorerst alternativ­los. Ob sie Helmut Kohls 16-Jahre-Rekord einstellt, ist aber alles andere als gewiss.

DENN ALS KANZLERIN IST ANGELA MERKEL VORERST ALTERNATIV­LOS

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Für BUNTE schreibt Robert Schneider, Chefredakt­eur des Nachrichte­nmagazins „Focus“ Sie versucht zu überzeugen und zu begeistern: Angela Merkel, seit 2005 Bundeskanz­lerin
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Oft sah man die Kanzlerin mit müdem Gesichtsau­sdruck im Parlament sitzen

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